Eröffnungsrede zu Sollen Lehrer wie in Schweden geduzt werden?

4 Antworten

Die Fragestellung scheint einfach, sie beinhaltet aber eine schon im Ansatz falsche Verengung der Frage. Nämlich die auf die Schule als einen von der Gesellschaft isolierten Raum.

Sie ignoriert die andere Voraussetzung, die die schwedische Gesellschaft und ihr Staat als ganzer für die Schule schufen, als sie in den 60er Jahren die gesamte bürgerliche Kultur in Richtung eines demokratischen Sozialismus reformierte.

Die "Du-Reform" war damals Ausdruck des Willens eines ganzen Volkes, zu einer Gemeinschaft von Gleichen zu werden. Traditionen, die Unterschiede betonten, an einen Gegensatz von Oben und Unten erinnerten, sollten beseitigt werden.

In diesem Sinne sprachen Angestellte und ihre Chefs sich alle mit "du" an, Angeklagte und Richter und Bürger und Regierung. Das ist so ähnlich, wie als in Deutschland damals viele Richter darauf verzichteten, dass man ihren Gerichtssälen aufstehen muss.

In Schweden konntest du dem Ministerpräsidenten begegnen und grüssen "Hej, god morgon, Olof!" und er hätte dich so zurück gegrüsst. Die Ministerpräsidenten bewohnten damals auch einfache Mietwohnungen, wo nebenan einfache Leute wie Postbotenfamilien usw. wohnte.

In diesem Veränderungsprozess waren die Schulen ausdrücklich nicht die ersten, die das mitmachten. Auch für Schweden war es eine merkwürdige Sache und eine Hemmschwelle, den Lehrer so zu grüssen. Mehr noch als für Erwachsene untereinander.

Es ging aber und geht, wenn es eingebettet ist einen Prozess mit dem Ziel von Gleichheit.

In der heutigen Zeit, seit gut dreissig Jahren, gibt es aber keine Bewegung zur Gleichheit. Es gibt wieder mehr Betonung von Unterschieden zwischen unten und oben. Ausdrücklich will die Gesellschaft, dass so genannte Leistungsträger mehr verdienen, weniger Steuern bezahlen usw. Dass Bill Gates oder Elon Musk 100 Milliarden besitzen und Hartz-IV-Empfänger mit 400 Euro im Monat genug oder zuviel haben, das ist die Meinung der Gesellschaft.

Es gibt sogar neue Beleidigungen, die die Verachtung der Erfolg-Reichen gegenüber den anderen ausdrücken; letztens hörte ich in einem Influencer Video "du Geringverdiener!"

Die Einführung von Gleichheitssymbolen im Allgemeinen und Ganzen kann Gesellschaft freier und lebenswerter machen. Wird sie nur in einem isolierten Sektor eingeführt, während die Überzeugung von Ungleichheit vorherrscht, wertet sie einfach nur diesen Sektor und die in ihr tätigen Personen ab.

In einem solchen Kontext von allgemein gewollter und betonter Unterschiedlichkeit und Ungleichheit wäre ein Du vom Schüler zum Lehrer die Botschaft, dass der Lehrer weit unten angesiedelt ist. Also aus der Perspektive des Schülers nicht nach oben Richtung Gates und Musk, sondern weiter unten Richtung Hartz-IV-Empfänger.

Die Folge wäre das, was jetzt auch in Schweden zunehmend sichtbarer wird, nachdem die Gesellschaft dort vom Sozialismus weg zu mehr Ungleichheit gekommen ist: ein totaler Verfall von Respekt in den Schulen und allgemein hingenommener Vandalismus statt Leistung als Ziel.

Wer davon mehr wissen will, kann einen beliebigen Lehrer in Schweden wie mich nach dem Alltag dort fragen.

So ähnlich haben das ja interessanterweise auch mehrere Schreiber erkannt, obwohl sie nicht in Schweden leben, was ich sehr bemerkenswert finde.

In Dänemark, Schweden und Norwegen duzen sich generell alle, egal ob das der Lehrer oder der Chef ist. Einzig die königlichen Familien werden nicht geduzt. So ist eben deren Sprache. Somit kann es keine Argumente dafür oder dagegen geben. Es ist dort einfach so.

Will man es darauf reduzieren, dass das dort nicht üblich ist, weil es wie bei uns nicht der normale Umgangston wäre, dann sage ich, dass es hier nichts verloren hat, denn sobald man den Lehrer duzt, ist auch der letzte noch übrig gebliebene Respekt seitens der Schüler weg.

Interessant. Evtl. magst du dazu noch meinen Beitrag lesen.

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Wenn, wie in Schweden, die Sprache sich dahin entwickelt, dass sich alle duzen, dann sollten selbstredend auch die Lehrer geduzt werden. Gewisse Tendenzen dazu gibt es, das Du wird weit häufiger verwendet, also noch vor 20 oder 30 Jahren, oder gar vor 80 Jahren, als selbst junge Menschen erst Brüderschaft trinken mußten, bevor sie sich duzten.

Solange das Sie als Höflichkeitsform aber existiert und gebräuchlich ist, sollte es für Lehrer auch verwendet werden. Zum einen schafft es eine gewisse Distanz zwischen Schüler und Lehrer, zum anderen lernen manche Schüler diese Form der Anrede erstmals in der Schule kennen. Ich habe Schüler erlebt, die bis zur 4. Klasse große Schwierigkeiten damit hatten.

Ich finde das ist das letzte Problem, das man angehen müsste!

Ich wünschte mir zuerst ein gut vorbereitetes "Ausgangsmaterial", einigermaßen auf die Schule vorbereitete kleine Menschen, und gut ausgebildete und motivierte Lehrer!

Selbstverständlich müsste die Politik endlich ein brauchbares Konzept entwickeln. Seit ewigen Zeiten gibt es zu wenige Lehrer, die auch noch zu wenig leisten, zu wenig verdienen, dafür viel zu viel Freizeit haben, weswegen man auch hier eine Möglichkeit gefunden hat, die Lehrer nur für die Schulzeit anzustellen.