Wie nennt man es, wenn man denkt, dass man denkt?

4 Antworten

In der Philosophie gibt es das sogenannte KK-Prinzip (knowing of knowing):

"Das KK-Prinzip besagt, dass alles, was Sie wissen, Sie wissen, dass Sie wissen. Wenn ich weiß, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist, dann weiß ich, dass ich weiß, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist. Mit anderen Worten, Wissen ist transparent. Es ist mir unmöglich, etwas Wissen zu haben, von dem ich nichts weiß."

Quelle: https://antwortenhier.me/q/wie-funktioniert-das-kk-prinzip-35082779564

grtgrt  05.08.2022, 13:50

Auf der Seite hinter dem Link wird behauptet:

Das KK-Prinzip besagt, dass alles, was Sie wissen, Sie wissen, dass Sie wissen. Wenn ich weiß, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist, dann weiß ich, dass ich weiß, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist. Mit anderen Worten, Wissen ist transparent. Es ist mir unmöglich, etwas Wissen zu haben, von dem ich nichts weiß.

Ob richtig ist, was hier gesagt wird, scheint mir diskussionswürdig: einfach deswegen, da ich ja auch mir unbewusstes Wissen haben kann. Wäre dem nicht so, würde das bedeuten, dass Bewusstsein und Unterbewusstsein ein und dasselbe wären. Dem aber ist definitiv nicht so.

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grtgrt  05.08.2022, 13:54
@grtgrt

Wenn ich etwas vergessen habe, was mir später wieder einfällt, hat es sich für kurze Zeit meinem Bewusstsein entzogen (= sich in meinem Unterbewusstsein versteckt mit dem Effekt, dass ich es während dieser Zeitspanne eben NICHT wusste).

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Floflix  05.08.2022, 14:26
@grtgrt

Danke für deinen Kommentar.

Ja, das ist tatsächlich eine interessante Frage, ob es so etwas wie "unbewusstes Wissen" gibt bzw. ob ich über ein "Wissen" verfügen kann, "von dem ich nichts weiß" bzw. von dem mir nichts bewusst ist. In der Erkenntnistheorie wird in der Regel hervorgehoben, dass eine wichtige Bedingung von Wissen sei, dass man das, was man angeblich "weiß", sprachlich auch rechtfertigen kann (=Rechtfertigungsbedingung). Wenn man beispielsweise etwas nur zufällig richtig errät, dann ist das kein Wissen, weil man es nicht argumentativ rechtfertigen kann. Demzufolge ist "unbewusstes Wissen" kein eigentliches Wissen, denn ich kann es nicht transparent machen bzw. plausibel rechtfertigen. Es kann aber durchaus sein, dass uns manches "Wissen" nicht immer aktuell präsent ist, aber wir können es jederzeit auf Anfrage aus dem Gedächtnis rufen und dann rechtfertigen.

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Floflix  05.08.2022, 14:34
@grtgrt

Ja, es gibt Wissen, dass wir gänzlich oder zeitweise "verlieren". Wenn wir etwas zu "wissen" meinen, müsste es präsent sein. Man spricht in der Erkenntnistheorie des Öfteren von einem "Zugänglichkeitsinternalismus": Unsere Überzeugungen sind uns zwar nicht immer aktuell präsent, aber sie müssen jederzeit zugänglich sein.

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grtgrt  05.08.2022, 14:37
@Floflix

Unser Gedächtnis könnte man als den Weg sehen, auf dem unser Wissen sich langsam aber sicher (wenn nicht ständig zurückgerufen) ins Unbewusste zurückzieht, um irgendwann auch nicht mehr ohne weiteres rückrufbar zu sein.

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Floflix  05.08.2022, 14:52
@grtgrt

Du könntest dir also ein Wissen vorstellen, dass sich ins "Unbewusste zurückzieht". Da stellen sich mir 3 Fragen:

  1. Wie sollen wir ein solches Wissen im Austausch noch rechtfertigen können? Wir sind ja nicht mehr "Herr/Frau" unseres Wissens. Wir können ja nicht mehr sprachlich darüber verfügen.
  2. Wie zeigt sich ein solches Wissen bei dem unbewusst Wissenden? Wie soll es nachweisbar sein. (X fragt: "Weißt du denn, dass x?" Y antwortet: "Ja, aber es hat sich gerade ins Unbewusste verkrochen. Sorry!")
  3. Wie soll ein solches Wissen von anderen Formen (Aberglauben, falsches Wissen, Vermutungen) unterscheidbar sein, wenn es nicht präsent ist?

Ich vermute, wir kämen in Erklärungsnot, wenn wir "abgetauchtes Wissen" als tatsächliches Wissen anerkennen.

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grtgrt  05.08.2022, 15:06
@Floflix

Zu Punkt 2: Im Allgemeinen geht das so vor sich, dass man zunehmend mehr Details von dem, was man früher gut kannte, vergisst. Ich sehe das an mir selbst: Bis noch vor 40 Jahren war ich ein fähiger Mathematiker. Das Wissen über die Grundkonzepte ist mir bis heute präsent. Z.B. weiß ich heute noch ebenso gut wie damals, was eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist (wie etwa Einsteins Raumzeit) und wie man im Prinzip damit umgeht. Irgendwas konkret auszurechnen gelingt mir aber schon lange nicht mehr. Ich komme mir vor wie jemand, der als Handwerker in einer mit allen möglichen Werkzeugen gut ausgestatteten Werkstatt steht, aber nicht mehr genügend Übung hat, dieses oder jene hauptsächlich benötigte Werkzeug zu handhaben.

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Floflix  05.08.2022, 15:31
@grtgrt

In diesem Fall würde ich sagen, dass du noch von manchen mathematischen Gegenständen "Kenntnisse" hast, also "Wissen" über gewisse Teile/Merkmale dieses Gegenstandes. Einige Teile dieses Gegenstandes (die konkreten Rechenwege) weißt du leider nicht mehr. Wenn es durch bloße Übung wieder abrufbar wäre (wie Fahrradfahren oder Handstand machen), dann ist das meines Erachtens auch kein "Wissen", sondern ein handwerkliches Können.

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grtgrt  05.08.2022, 15:46
@grtgrt

Umgekehrt stelle ich fest, dass mir die wahre Bedeutung vieler Dinge, die ich früher gut kannte, heute aber nur noch grob kenne, hin und wieder deutlich klarer geworden ist als sie mir damals war (z.B. das Wesen der Mathematik und wie es sich vom Wesen der Informatik unterscheidet). Details zu kennen, verstellt uns nicht selten den Blick fürs Ganze. Viele Details zu kennen kann wirken, wie morgendlicher Nebel, hinter dem wir die majestätische Form einer imposanten Gebirgskette erst mal nur grob erahnen (ohne sie schon als majestätisch zu erkennen). Es scheint mir daher so zu sein, dass unser Bewusstsein zum Ordnen von Wissen und zum Erkennen daraus folgender Zusammenhänge andere Methodik verwendet als unser Unterbewusstsein: Wichtiges Wissen, das ins Unterbewusstsein abgewandert ist, dann aber gelegentlich doch noch zurück ins Bewusstsein kommt, kann plötzlich mehr Sinn ergeben als zuvor, wo es mir noch voll präsent war. Es ist, als wäre es in der Tiefe meiner Psyche – mir unbewusst – Sinn machender angeordnet worden.

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Floflix  05.08.2022, 18:00
@grtgrt

Vielen Dank für deine spannenden Erläuterungen. Es freut mich sehr, mich mit dir etwas länger austauschen zu können. Das ergibst sich ja nicht so oft hier bei "gutefrage".

Ja, ich glaube auch, dass wir ganz neue Beobachtungen und Erkenntnisse gewinnen können, wenn Detailwissen für immer oder zeitweilig "untertaucht". Ein interessanter Vorgang: gerade durch den Verlust oder das zeitweilige Abgleiten von Wissen kann neues Wissen erst entstehen.

Eine echt bedenkenswerte These: Wissen macht mehr Sinn, wenn es mir nicht mehr präsent und zugänglich ist, denn sein Entschwinden öffnet erst die Tür für anderes Wissen.

Das erinnert mich irgendwie an die Umdeutung des Vergessens in der Moderne. Ich glaube, Nietzsche war es, der dem Vergessen wichtige produktive Funktionen beigemessen hatte. Vergessen hat aufklärerische Funktionen.

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Zu denken (= wahrzunehmen), dass man denkt, ist Beweis dafür, dass man noch nicht aufgehört hat, denken zu können (= wahrnehmenden Verstand zu haben).

Kurz: Zu denken, dass man denkt, ist Beweis dafür, noch nicht gehirntot zu sein.

Möglich wäre der Begriff "Bewusstsein", das Wissen über seine eigene Existenz.

grtgrt  05.08.2022, 13:40

Richtig, aber: Bewusstsein erkennt und betrachtet natürlich mehr als nur die eigene Existenz. Sich seiner selbst bewusst zu sein bedeutet, sich selbst zu beobachten und über das eigene Handeln nachdenken zu können.

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wenn Ihr denkt, dann denkt Ihr nur Ihr denkt....