Wie langsam vergeht die Zeit auf der Erde?

6 Antworten

Hallo MrWoo,

eingangs möchte ich Deine Frage präzisieren: Wir können eine auf der Erde positionierte Uhr mit einer Uhr vergleichen, die fern vom Sonnensystem relativ zu diesem ruht, aber auch mit einer intergalaktischen Uhr, die relativ zum kosmischen Mikrowellenhintergrund (engl. Abk. CMB) ruht.

Das erste ist einfacher, weil wir dann nur die Bewegung der Erde um die Sonne berücksichtigen müssen – und deren Gravitationsfeld, denn auch das Gravitationspotential hat Einfluss auf den Zeittakt einer Uhr. Allerdings ist der Effekt winzig.

In der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) wird Gravitation als geometrische Eigenschaft der Raumzeit beschrieben. Sie wird in guter Näherung durch die SCHWARZSCHILD- Metrik beschrieben.

Was ist überhaupt eine Metrik?

Eine Metrik setzt Abstände zwischen Punkten bzw. punktuellen Ereignissen mit Koordinatendifferenzen in Beziehung.

Ein räumliches Beispiel dafür ist die Euklidische Metrik

(1) Δs² = Δx² + Δy² + Δz²,

die auf dem Satz des PYTHAGORAS beruht, ein entsprechendes raumzeitliches ist die MINKOWSKI- Metrik

(2) Δτ² = Δt² − Δs²⁄c²

zwischen zwei sog. zeitartig getrennten Ereignissen, wobei Δτ der von einer lokalen Uhr Ώ direkt gemessene zeitliche Abstand ist, die sog. Eigenzeit, während Δt der von einer Bezugsuhr U aus ermittelte Zeitabstand, die U- Koordinatenzeit.

Sphärische Koordinaten

Oft bietet sich an Stelle des Kartesischen Koordinatensystems mit x, y und z ein sphärisches Koordinatensystem mit r, θ und φ an. r steht für die Entfernung vom Ursprung, insbesondere aber für eine Kugelschale um ihn mit der Fläche 4πr².

Dabei müssen wir die Abstände und Koordinatendifferenzen sehr klein halten, weil die Koordinatenlinien krumm sind, d.h., ihr Richtung ändern; dann schreibt man z.B. dr statt Δr, und es ist

(3) ds² = dr² + r²(dθ² + sin²(θ)dφ²) =: dr² + r²dΩ²

das Quadrat des räumlichen Abstands zwischen zwei eng benachbarten Punkten.

Der Einfachheit halber werden wir Natürliche Einheiten verwenden, d.h., Strecken in (Licht-) Sekunden, sodass die Lichtgeschwindigkeit c ≈ 3×10⁸ ms⁻¹ den Wert 1 ist. Die Eigenzeit zwischen zwei dicht hintereinander liegenden Ereignissen schreibt sich dann ohne schwere Masse um den Ursprung

(4) dτ² = dt² − dr² − r²dΩ².

In Natürlichen Einheiten erhalten auch Masse und Energie dieselbe Einheit. A propos Masse: Die Masse M eines Himmelskörpers drücken wir durch Ihren Gravitationsradius GM⁄c² aus, wobei G ≈ ⅔∙10⁻¹⁰ m³s⁻²kg⁻¹ ist. Für die Sonne mit M ≈ 2×10³⁰ kg ist das ca. 4⁄27∙10⁴ m, also knapp 1,5×10³ m.

Die SCHWARZSCHILD- Metrik

Wenn der Himmelskörper den Radius R hat, so gilt für den Außenraum r > R in guter Näherung die SCHWARZSCHILD- Metrik

(5) dτ² = dt²(1−2M⁄r) − dr²/(1−2M⁄r) − r²dΩ².

Hier steht r noch für die 4πr²- Kugelschale, aber offenbar nicht mehr für die Entfernung zum Ursprung; dieser ist durch die Verzerrung (Krümmung der Raumzeit) nämlich etwas größer.

Ziemlich einfach ist die Sache, wenn sich r nicht ändert (dr ≡ 0). Da das Feld kugelsymmetrisch ist, kann man die Ebene, in der sich der Planet in der Äquatorialebene bewege, sodass θ ≡ ½π und damit sin(θ) ≡ 1 ist. Somit ist dann

(6) dτ² = dt²(1 − 2M⁄r) − r²dφ² = dt²(1 − 2M⁄r − v²),

sodass der Faktor für die sog. Zeitdilatation

(7) dt⁄dτ = 1/√{1 − 2M⁄r − v²}

ist. Auf einer KEPLERschen Kreisbahn ist außerdem noch

(8) v² = M⁄r,

sodass aus (7)

(9) dt⁄dτ = 1/√{1 − 3M⁄r}

wird. Falls M << r ist, lässt sich dies nähern zu

(10) dt⁄dτ ≈ 1 + 1,5M⁄r

Bei der Bahn der Erde um die Sonne ist M⁄r = 10⁻⁸, sodass dt⁄dτ ≈ 1 + 1,5×10⁻⁸ ist.

Im Prinzip müssten wir noch das Gravitationspotential der Erde mit berücksichtigen, aber hier ist M⁄R ≈ 7×10⁻¹⁰.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Die Zeit ist letztlich immer definiert durch eine Bewegung von irgendwas. Man definiert den Tag als die Zeitspanne, die eine Rotation der Erde benötigt. Oder den Monat als die Zeitspanne von 28, 29, 30 oder 31 aufeinanderfolgenden Tagen. Seit 1967 ist eine Sekunde das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der Strahlung, die dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids133Cs entspricht. Also auch hier definiert man einen Standard durch eine Schwingung , eben eine Bewegung.

du findest keine antwort darauf, weil die frage so keinen sinn macht.

schneller/langsamer im bezug worauf?

du sagst

im Vergleich dazu, wenn die Erde im Weltall komplett still stehen würde.

es gibt keine absolute ruhe. nur relative

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Physiker (Teilchenphysik)
SlowPhil  10.11.2022, 08:14
du findest keine antwort darauf, weil die frage so keinen sinn macht.

Sagen wir lieber, sie ist unvollständig:

  • Sie enthält keine Angabe über die Referenzuhr, die der FS verwenden möchte (wo und in welchem Bewegungszustand soll sie sein?).
  • Sie bezieht sich allein auf die Bewegung der Erde, nicht aber auf das Gravitationspotential, auf dem sie sich befindet.
es gibt keine absolute ruhe. nur relative.

Das RP sagt eigentlich nur aus, dass die grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) unabhängig vom Bezugsrahmen sind, man also nicht mit rein physikalischen Methoden so etwas wie einen absoluten Bewegungszustand, d.h. einen Bewegungszustand relativ zum Kosmos als ganzem identifizieren kann. Es verbietet nicht die Identifikation eines solchen Bewegungszustandes anhand astronomischer Beobachtungen wie etwa der des CMB.

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Wie langsam vergeht die Zeit auf der Erde?

Schau auf Deine Uhr... ;-)

Laut der Relativitätstheorie (stark vereinfacht) vergeht die Zeit schneller, umso schneller man sich Bewegt.

Nein.

Wikipedia:

"... Die Zeitdilatation bewirkt, dass alle inneren Prozesse eines physikalischen Systems relativ zum Beobachter langsamer ablaufen, wenn sich dieses System relativ zum Beobachter bewegt. Das bedeutet, dass auch Uhren, die sich relativ zum Beobachter bewegen, langsamer gehen als Uhren, die relativ zum Beobachter ruhen. Dieser Effekt ist umso stärker, je größer die Relativgeschwindigkeit ist. Der Maßstab ist die Lichtgeschwindigkeit. ..."

Beim Erreichen der Lichtgeschwindigkeit würde die Zeit theoretisch stehen bleiben und beim Überschreiten derselben würde die Zeit rückwärts laufen (rein theoretisch - hat ja noch keiner ausprobiert).

Erstens:

Die Zeit vergeht im bewegten Bezugssystem im Vergleich zum ruhenden langsamer. Aber wenn sich, von A aus betrachtet, B bewegt, dann bewegt sich auch, von B aus betrachtet, A. Das heißt: wenn A in B hineinsieht, dann sieht er dort die Uhren im Vergleich zu den eigenen, langsamer laufen. Wenn B in A hineinsieht, dann sieht er dort die Uhren, im Vergleich zu den eigenen, auch langsamer gehen. Egal mit welcher Geschwindigkeit wir uns in Bezug auf ein anderes System bewegen, für uns vergeht die Zeit immer gleich schnell.

Zweitens:

Die Formulierung: 'im Weltall still stehen' ist unsinnig. Im Weltall gibt es keinen Bezugspunkt, keine Geschwindigkeit im Bezug auf das Vakuum oder das Weltall oder CMB oder wie immer Du es nennen willst.

MrWoo 
Fragesteller
 08.11.2022, 22:49

OK. Wenn wir jetzt Theoretisch in ein System schauen, welches sich 2,1 Millionen km/h langsamer bewegt als wir, würden dort die Uhren im Vergleich zu unseren, schneller oder auch langsamer laufen?

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Kaenguruh  08.11.2022, 23:01
@MrWoo

Die Frage ergibt keinen Sinn. Du musst die relative Geschwindigkeit zwischen unserem und dem anderen betrachten. Es ergibt keinen Sinn zu sagen "ein System bewegt sich mit der Geschwindigkeit v". Du musst sagen es bewegt sich mit v relativ zu System x. Wenn sich zwei Systeme zueinander bewegen, vergeht die Zeit in beiden im Vergleich zum jeweils anderen langsamer. In jedem System vergeht die Zeit für sich betrachtet ganz normal. Es ist die relative v wichtig. Für den Zeitdilatationsfaktor 𝜸 gilt: 𝜸 = 1/√(1-v²/c²). v ist die relative Geschwindigkeit der beiden Systeme.

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