Wie groß sind, nach dem Stefan-Boltzmann-Gesetz, die Auswirkungen unterschiedlich erwärmter Landflächen auf den Energiehaushalt der Erde/Atmosphäre?


16.09.2021, 09:57

Die Frage ist Teil eines komplexeren Themas, siehe dazu auch mein Artikel für UNEP »Mit Vegetation und Böden die kleinen Wasserkreisläufe stärken und das Klima kühlen« sowie mein Vortrag


16.09.2021, 14:17

Vergleich bewachsene/nicht(kaum) bewachsene Fläche.

4 Antworten

Ja, die Überlegung ist richtig. Der abgestrahlte Energiefluss ist proportional zur vierten Potenz der absoluten Temperatur.

Die Erläuterung zu Abb. 5 des Artikels wäre in diesem Sinne zu berichtigen, denn Potenzfunktionen wachsen nicht exponentiell.

Das Wort exponentiell wird öfters irrtümlich so verwendet, als bedeute es einfach "rasch wachsend", aber seine Bedeutung ist spezieller und auf das Wachstum von Potenzfunktionen trifft es einfach nicht zu. Exponentialfunktionen übersteigen jede Potenzfunktion.

luftikus143 
Fragesteller
 17.09.2021, 08:32

Aha, wieder was dazu gelernt! Danke, denn bei mir war »exponentiell« gleichgesetzt mit »Potenz«. Mich hat schon ein wenig gewundert, warum die Kurve zum Ende der X-Axe hin nicht so stark ansteigt wie es bei »exponentiell« der Fall wäre.

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Franz1957  17.09.2021, 14:17
@luftikus143

Ja, der Gedanke, daß das das Gleiche sei, liegt nahe, da jede Potenz einen Exponenten hat. Die Tatsache, daß Exponentialfunktionen über Potenzfunktionen immer hinauswachsen, erschließt sich nicht so unmittelbar. Für das atmosphärenphysikalische Thema, um das es hier geht, muß man das wohl nicht vertiefen. Nur falls es jemand wissen will: Der mathematische Beweis geht nicht ohne Grenzwertrechnung. Hier ist er für e^x kurz dargestellt, und man muß sich darüber hinaus klar machen, daß er für jedes a^x ebenso gilt: https://de.wikipedia.org/wiki/Exponentialfunktion#Wachstum_der_e-Funktion_im_Vergleich_zu_Polynomfunktionen

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Bei einem Wald sind es hauptsächlich die Blätter, die abstrahlen, während die Strahlung des Bodens überwiegend von Blättern gleich wieder absorbiert oder gestreut wird. Soweit ich noch weiß haben Blätter im fernen IR eine sehr geringe Albedo, sind also fast schwarz, eben um auf diesem Weg Wärme loszuwerden. Im Sonnenlicht ist ja fernes IR kaum vorhanden.

Im nahen IR, das im Sonnenlicht reichlich vorhanden ist, sind Blätter ziemlich hell, um sich nicht durch die Sonne aufzuheizen. Böden sind da wohl dunkler, jedenfalls heizt sich eine Glasscheibe im Sonnenlicht auf, obwohl sie kaum sichtbares Licht absorbiert.

Langer Rede kurzer Sinn: Natürlich sollte man das Stefan-Boltzmann-Gesetz kennen und berücksichtigen, aber ohne Kenntnis der Oberflächeneigenschaften und v.a. von Messwerten kommt da damit nicht wirklich weiter.

Das mal auf die Schnelle. Zum Ansehen deines Vortrags fehlen mir im Moment Zeit und Ruhe.

luftikus143 
Fragesteller
 16.09.2021, 14:19

Vielleicht noch mal anders herum betrachtet - wobei, beim erneuten Durchlesens ich konsternieren muss, dass es so anders nicht ist; aber vielleicht hilft es ja trotzdem:

Die einfallenden Sonnenstrahlung wird auf einem unbewachsenen Ackerboden zu einem großen Teil (70-80%) in fühlbare Wärme umgesetzt, und 10-15% heizen den Boden auf.

Auf einer bewachsenen Fläche werden nur 5-10% in fühlbare Wärme umgesetzt, und nur 5-10% wärmen die Boden auf.

Im Vergleich der beiden Fälle ist also ein wesentlicher Unterschied die produzierte fühlbare Wärme, wie auch (in geringerem Maße wohl) das Aufwärmen des Bodens.

Während fühlbare Wärme ja mit einem Anstieg der Lufttemperatur gleichzusetzen ist, und dies gewisse Konsequenzen hat (in meinem Artikel mehr dazu), frage ich mich eben, welche Auswirkungen der Unterschied der Bodentemperatur verursacht. Ich habe mal noch ein anderes Bild hochgeladen, welches die Temperaturunterschiede aufzeigt.

Da muss doch die (Rück)Strahlung in die Atmosphäre eben deutlich anders sein.

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Hamburger02  17.09.2021, 10:02
@luftikus143

Hierzu vielleicht noch eine nähere Erläuterung:

Die einfallenden Sonnenstrahlung wird auf einem unbewachsenen Ackerboden zu einem großen Teil (70-80%) in fühlbare Wärme umgesetzt, und 10-15% heizen den Boden auf.

Das einfallende Sonnenlicht erwärmt auf direktem Weg praktisch gar nicht die erdnahen Luftschichten, da Luft praktisch kaum durch Strahlung, sondern nur durch Wärmeübergang erwärmt werden kann.

Auch wenn die Albedo von unbestellten Ackeroberflächen höher ist als die von Wiese oder Wald, führt dennoch die nicht zurückgestrahlte geringere Energie zu einer höheren Erwärmung der Oberfläche. Das hat vor allem mit der Struktur der Oberfläche zu tun. An dieser warmen Oberfläche findet durch direkten Kontakt eine Wärmeübergang an die Luft statt. Das führt zunächst zu kleinräumigen Wirbeln der freien Konvektion, zu sogenannten Konvektionszellen. Deren Maße bewegen sich im Meterbereich.

Um die obigen Zahlen aufzunehmen: von der eintreffenden Strahlungsenergie auf unbebaute Ackerflächen wird etwa 1/4 direkt reflektiert (Albedo ca. 0,25). Dabei findet eine Umwandlung der Strahlungsfrequenz vom sichtbaern und ultravioletten Bereich in den Infrarotbereich statt. Diese Infrarotstrahlung wird ins Universum zurückgeworfen, außer es gibt eine Wolkendecke, die dies verhindert.

Die restlichen 75% erwärmen zunächst vollständig die Ackeroberfläche. Davon wird dann aber gleich wieder der größte Teil der Energie durch Wärmeübergang an die Luft direkt über der Oberfläche abgegeben. Nur der kleinste Teil dringt in den Ackerboden ein und erwärmt diesen bis in eine tiefere Schicht (im Zentimeterbereich).

Wenn die kleinräumige Erwärmung der Luft in Konvektionszellen ein gewisses Maß überschritten hat, also die Durchschnittstemperatur der erdnahen Schicht ein gewisses Maß überschreitet, lösen sich große Luftblasen von der Oberfläche und steigen bs zur Wolkengrenze auf.

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Ich würde ja mal vermuten, dass das Stefan-Boltzmanngesetz durchaus einen Einfluss hat, aber nicht der einzige Mechanismus zum Energie -und Feuchtigkeitstransport ist.

Aus meiner Erfahrung als Segelflieger, der sich naturgemäß sehr stark mit der Thermik beschäftigt, kann ich sagen, dass im Laufe des späten Vormittags bei Sonneneinstrahlung die Thermik über freien oder gemähten Ackerflächen beginnt. Das hat mit dem direkten Wärmeübergang von der Oberfläche an die Luft zu tun. Diese erwärmt sich in Erdnähe, bis eine Luftblase entsteht, die durch ihre höhere Temperatur eine geringere Dichte hat als die Umgebung, sich vom Boden ablöst und bis zur Kondensationsgrenze (Erreichen des Taupunktes durch adiabate Abkühlung) aufsteigt. Dort bildet sie dann Quellwolken (Cumulus), die dem Segelflieger zuverlässig anzeigen, wo er nach Thermik suchen muss. Dabei handelt es sich um vertikale Geschwindigeiten von meistens um die 2 m/s, kann aber auch mal auf über 5 m/s steigen.

Erst im Laufe des Nachmitttages entsteht auch über Waldgebieten eine aufsteigende Thermik. Die hat aber weniger mit der Erwärmung der Luft in/über dem Wald zu tun, sondern mit der Verdunstung, sodass die Luft durch die höhere Feuchtigkeit in der Dichte abnimmt und aufsteigt (feuchte Luft ist bei gleicher Temperatur leichter als trockene Luft).

Ob dir das jetzt was nützt, weiß ich allerdings auch nicht.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Habe Thermodynamik im Hauptfach studiert.
luftikus143 
Fragesteller
 17.09.2021, 08:27

»feuchte Luft ist bei gleicher Temperatur leichter als trockene Luft« - das ist mir neu und hätte ich intuitiv anders gedacht. Danke!

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Hamburger02  17.09.2021, 09:19
@luftikus143

Da ich aus Erfahrung, auch aus der eigenen, weiß, dass das intuitiv praktisch jeder denkt, habe ich das ausdrücklich hingeschrieben.

Kann auch gerne den Hintergrund erläutern.

Von Flüssigkeiten weiß man, dass sie andere Stoffe lösen können. So löst sich z.B. Salz in Wasser auf. Dadurch wird das Wasser schwerer. Die Dichte von Meerwasser ist höher als die Dichte von Süßwasser. Dieses Wissen überträgt man nun intuitiv auf Gase, also auch auf die Luft. Da stellt man sich vor, das Wasser würde in der Luft gelöst und würde so die Dichte erhöhen, da sich der Wasserdampf quasi zusätzlich in der Luft befindet. Es ist aber ganz anders.

Luft ,egal bei welcher Zusammensetzung, kann bei atmosphärischen Bedingungen als ideales Gas betrachtet werden. Daher gilt:

Bei physikalischen Normbedingungen (0 °C, 1 bar) nimmt 1 Mol eines idealen Gases (= 6,022 * 10^23 Teilchen) ein Volumen von 22,4 l ein (= Molvolumen). Das ist völllig unabhängig davon, ob es sich bei den Teilchen um Atome oder Moleküle handelt und ist auch unabhängig davon, um welchen Stoff oder um welches Stoffgemisch es sich handelt.

Der Wasserdampf in der Luft "verdrängt" also eine entsprechende Anzahl von O2 und N2 Molekülen.

Das Molekulargewicht von H2O beträgt: 2 * 1 + 16 = 18
Das Molekulargewicht von O2 beträgt: 2 * 16 = 32
Das Molekulargewicht von N2 beträgt: 2 * 14 = 28

Da die Wassemoleküle leichter als die O2 unnd N2 Moleküle sind, sinkt die Dichte der Luft mit zunehmendem Wassergehalt deutlich ab.

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Franz1957  17.09.2021, 13:30
feuchte Luft ist bei gleicher Temperatur leichter als trockene Luft

Oha! Für einen Augenblick hat mich das überrascht. Schnell, wie er ist, widerspricht mein prä-wissenschaftlicher Verstand: Es kommt doch zum Gewicht der Luft noch das des Dampfes dazu. Da erwacht das methodische Denken aus dem Sekundenschlaf: 2+16 ist weniger als 2*14 und 2*16. H2O ist leichter als N2 und O2 und vermindert so das mittlere Molgewicht. Hatte ich nicht Daniel Kahnemans 'Thinking, fast and slow' noch fertig lesen wollen...?

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Hamburger02  17.09.2021, 14:17
@Franz1957

Ich amüsiere mich selten hierzuforum über Beiträge...der ist mal wieder eine gelungene fabulistische Ausnahme.

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Zum Glück ist das so ja. Du darfst aber die Aufheizung der Luft nicht unter den Tisch fallen lassen.

Ich weiß nicht ob es in dem Video erwähnt wird.

Kann die Vortragsreihe aber empfehlen.

https://youtu.be/t52POQ5wejw

luftikus143 
Fragesteller
 16.09.2021, 14:20

Ah, danke. Ist was Längeres. Werde ich mir beizeiten mal anschauen.

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