Wie findest du diesen Satz „In Deutschland muss keiner hungern“? Richtig oder falsch?
Denkt ihr, dass Menschen, die auf der Straße zu einem sagen „ich möchte kein Geld, bitte kaufen sie mir etwas zu essen, ich habe Hunger“ und die Menschen, die bei kleinanzeigen unter „zu verschenken Gesuche“ inserieren, dass sie dringend ein paar Lebensmittel brauchen, alle Lügner / Betrüger sind, oder denkt ihr, es gibt wirklich Not in Deutschland? Für diejenigen, die sagen, es gibt doch genug Hilfe, solche Betteleien braucht es nicht geben: was denkt ihr denn, wer ( und wie ) hilft, sodaß solche Menschen nicht betteln müssen?
18 Antworten
Ich finde ihn oberflächlich. Es mag zwar stimmen, dass in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern niemand vom Hungertod bedroht ist. Aber er sagt auch so ein Bisschen, dass man ja selber Schuld ist, dass man sich um hungrige Menschen nicht kümmern muss, dass das ja der Staat macht bzw. dass es dafür ja die Tafeln gibt.
Dabei vergessen aber viele, dass die Tafeln (die in den letzten Jahren massiven Zulauf hatten) ja von ehrenamtlichen gegründet wurden, weil damals durch die Hartz-IV-Reformen viele durchs Raster gefallen sind und ihnen tatsächlich Hunger gedroht hat. Und auch aktuell kommen viele durch solche ehrenamtliche Hilfe nicht über die Runden. So gut es ist, dass sich Menschen bei den Tafel engagieren, so ist es doch eigentlich ein Skandal, dass sie notwendig sind.
Ich bin selbst gelegentlich ehrenamtlich in einer Begegnungsstätte tätig. Da gibt es auch jede Woche ein Nachbarschaftsfrühstück. Da kommen zwar viele hin, die einfach einsam sind, aber nicht wenige sind auch extrem dankbar, dass sie für einen symbolischen Betrag mal ein ordentliches Frühstück bekommen. Das sind zwar keine Menschen die wirklich vor dem Verhungern stehen, aber es sind welche bei denen es aus finanziellen Gründen auch mal tagelang nichts als Brot und Frischkäse gibt.
Und dann gibt es eben auch noch Menschen die aus dem Tritt geraten sind. Bei manchen kann man sicher sagen "selber schuld", aber es gibt auch genug Fälle die einfach ganz oft Pech hatten oder schwer krank wurden und irgendwann brach alles über ihnen zusammen. Da gibt es genug, die ihr Leben deswegen nicht mehr im Griff haben. Im Extremfall verlieren sie auch noch ihr zuhause. Und von denen wissen ziemlich viele auch sehr genau, wie sich Hunger anfühlt...
dass du es unterstützt, dass von den Armen Geld genommen wird
Das macht Charalambos ja gar nicht.
Natürlich stimmt der Satz im Grundsatz.
Ansonsten kann es durchaus mal eine Konstellation geben, in der jemand hungert. Es gibt ja auch Leute, die in einen Hungerstreik treten! :-) Aber in der Regel wäre der Betroffene daran immer selber Schuld und hätte es aus welchen Gründen auch immer nicht hinbekommen, sich rechtzeitig um Hilfe und Unterstützung zu kümmern.
Ich kenne eine Frau, deren Freund sich nach der Zeugung des Kindes aus dem Staub machte. Sie verklagte ihn auf Unterhalt, aber er hatte einen starken Anwalt, der den Kredit der Mutter für Einrichtung des Kinderzimmers, Kinderwagen, als „Luxuskredit“ darstellte, den Vater arm rechnete und der Richter war davon beeindruckt.
Das Sozialamt meinte: „Wenden sie sich zunächst an den Vater.“ Und schwups ist man durch‘s Netz gefallen. Klar: Selber schuld! Hättest du mal nicht den falschen Mann genommen und einen schlecht vorbereiteten Anwalt bezahlt…
Sie hatten trotzdem Hunger.
Ich finde in der Presse Zahlen von 300‘000 bis 500‘000 Kindern, die in Deutschland Hunger haben. Die Tafel versorgt 2 Millionen Menschen. Dass die alle lügen und betrügen, ist nicht plausibel: das macht weder Spaß noch wird man davon reich. Selbst beim Betteln in der Fußgängerzone ist der Gewinn höher.
Wir haben viele Sicherungssysteme: Kindergeld, Sozialhilfe, Wohngeld, usw. Wenn man ins System passt, kann man ohne Hunger durchkommen. Aber es passt nicht jeder. Wenn eine Familie untertaucht, weil der Vater oder die Schwiegertochter illegal eingereist ist, oder von der Polizei gesucht wird, kann das dazu führen, dass das offizielle Sozialsystem nicht greift. Die Tafel ist dann eine Möglichkeit, aber die gibt es nicht überall.
Wenn Eltern das Geld in Alkohol und Zigaretten investieren, kann es an Nahrungsmitteln für die Kinder fehlen. Ich kenne ein Kind, dessen Eltern sich nicht gekümmert haben. Im Kühlschrank war Bier, Wein, Oliven und Senf, aber die Eltern bestellten abends Pizza, wenn sie Hunger hatten. Wenn das Kind mittags aus der Grundschule kam, war es noch für ein paar Stunden alleine und hungrig.
Wir haben dann unseren Kühlschrank geöffnet. Wenn es zum Spielen vorbeikam, fragten wir als erstes: „Soll ich dir ein Brot schmieren?“, was zu Antworten führte wie: „Ja, das wäre gut. Eins mit Butter und Käse und eins mit Butter und Schinken und habt ihr noch Äpfel? Bitte.“ Die Eltern bauten Lasermikroskope für ein Max-Planck-Institut. Sie waren nicht arm an Geld.
Es gibt genug Hilfe, aber sie erreicht nicht jeden. Man kann es sich dann leicht machen und „selbst dran schuld“ einwenden, aber das geht an der Realität vorbei. Das Leben ist kompliziert.
Wenn jemand sagt, er wolle nicht um Geld betteln, sondern um Lebensmittel, gehe ich davon aus, dass das stimmt. Das wäre doch eine zu seltsame Lüge. Es sei denn, er arbeitet undercover für den Lebensmittelladen, vor dem er steht…
Natürlich gibt es Hungernde in Deutschland. Ich denke es sind nicht Wenige.
Nicht jeder ist in der Lage sich sein Geld vom Amt weise einzuteilen. Viele haben Suchtprobleme und Schulden. Die werden selten mit einbezogen in solche Aussagen.
Am Schlimmsten dran sind die Kinder, deren Eltern süchtig oder chronisch krank sind und die nur ungenügend versorgt werden zuhause.
Es fallen so viele durch´s Raster. Es ist traurig, dass das oft immer noch nicht ernst genommen wird.
Erst kürzlich bat mich ein offenbar psychisch kranker Mann ihm 4 Euro zu geben, damit er sich etwas zu Essen kaufen kann. Sein Betreuer würde erst in ein paar Tagen wieder kommen.
Natürlich bekam er das Geld. Wir sind alle füreinander verantwortlich.
Das hat nur zum Teil mit Intelligenz zu tun. Ich habe mein HERZ eingeschaltet...
Ich kann die Situation in Deutschland nicht beurteilen, aber für die Schweiz kann ich sagen, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit niemand hungern muss.
Betteln ist bei uns in fast allen Regionen verboten. Es wird zwar trotzdem getan, aber wenn man den Leuten anbietet, ihnen Essen zu kaufen, sind sie sehr schnell weg. Sie hungern also anscheinend nicht.
Während der Coronakrise gab es aber tatsächlich Leute, die nicht mehr über die Runde kamen, dabei handelte es sich anscheinend schwerpunktmässig um Sans-Papiers. Gemeinnützige Organisationen sorgten dafür, dass ihnen gratis Essen abgegeben wurde.
Trotzdem gibt es auch in der Schweiz Armut. Veritabel hungern muss aber mit hoher Wahrscheinlichkeit niemand.
Du hast mit vielen deiner Worte Recht, ich finde es aber gar nicht in Ordnung, dass du es unterstützt, dass von den Armen Geld genommen wird. Entweder habe ich kein Geld und kein Essen, oder ich bettel vor Penny Markt, bis ich 10,-€ zusammen habe und kaufe mir davon Toastbrot, Margarine, Marmelade, Nudeln, Tomatenmark, Ketchup, Zucker, Tee für 4 Tage. Aber ich nehme nicht 2 Brötchen, Butter, Marmelade, eine Tasse Kaffee an, wenn ich arm bin und dafür 1,-€ bezahlen muss.