Welches scheint euch die wichtigste Wissenschaft zu sein?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Also ich würde das Fährtenlesen bzw. Spurenlesen als die Mutter aller Wissenschaften bezeichnen. Die Auseinandersetzung mit Spuren und Zeichen war unabdingbar für das Leben und Überleben unserer Vorfahren. Die Beschäftigung damit forderte und schulte die Aufmerksamkeit und alle Sinne, das logische Denken, die Sprachgewandtheit, die Vorstellungskraft, die Kenntnis von Wind und Wetter, den Orientierungssinn, Verstehen von Bewegungsabläufen, jahreszeitliche Veränderungen der Landschaft, die Intuition, biologisches Wissen z.B. über Beutetiere oder wann welche Frucht reif wird und wo sie wächst, ökologisches Wissen usw.

Ich würde auch so weit gehen, dass man das Fährtenlesen auch als eine philosophische Disziplin betrachten kann. Denn man wird unweigerlich besser darin, gute Fragen zu stellen und gute Antworten zu geben. Man erkennt Prinzipien und Gesetze. Es hat ein ganzheitliches Verständnis der Welt in der man lebt, zur Folge.

Das Fährtenlesen bzw. Spurenlesen gehört zur Natur des Menschen. Da bin ich mittlerweile überzeugt. Und wir alle machen das jeden Tag, nur eben auf andere Inhalte bezogen. Die Triebfeder war und ist immernoch Neugier, der Drang Erkenntnis zu gelangen und die Welt und sich selbst besser zu verstehen.

grtgrt 
Fragesteller
 12.11.2018, 10:00

Das leuchtet ein. Als der Mensch begann, nach Spuren zu suchen, war diese neue Angewohnheit wohl eine der ersten Wurzeln, aus der sich dann auch Philosophie entwickelt hat: Der Drang des Menschen, nach etwas zu suchen, dessen Existenz zunächst mal gar nicht offensichtlich ist, bzw. sein Wunsch, Wissen zu erlangen, das ihm nicht einfach geschenkt wird.

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Imago8  12.11.2018, 10:03
@grtgrt

Oh ja, das kann ich bestätigen. Spurenlesen ist Sehen lernen. Wir sehen nur einen kleien Teil von dem was ist.

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Hallo,

ich glaube nicht, dass es ein wichtigste Wissenschaft gibt. Die Wissenschaft hat sich mit zunehmendem Fortschritt zwar immer weiter ausdifferenziert (es sind mehr Einzeldisziplinen geworden), dennoch kann man nicht sagen, dass eine Wissenschaft wichtiger sei, als eine andere.

Nur weil eine bestimmte heutige wissenschaftliche Disziplin historisch aus irgendeiner anderen Disziplin hervorgegangen ist, ist diese dennoch nicht wichtiger. Ein Beispiel: Die "Mütter" der modernen Physik sind Philosophie, Theologie, Astronomie, Astrologie, Alchemie und Magie. Astrologie, Alchemie und Magie gehen heutzutage nicht einmal mehr als Wissenschaften durch und die Wissenschaftlichkeit einiger Teildisziplinen der Theologien wird ebenfalls gelegentlich angezweifelt.

Die heutigen wissenschaftlichen Disziplinen durchdringen sich gegenseitig und greifen auf die Ergebnisse anderer Disziplinen zurück:

  • Man kann Naturwissenschaften, Ingenieurswissenschaften, Informatik und auch manche Kulturwissenschaften nicht ohne Mathematik betreiben.
  • Ohne Logik kann man gar keine Wissenschaft sinnvoll betreiben (obwohl faktisch nur Mathematiker, Informatiker, Linguisten und Philosophen Logik-Kurse in ihrer Ausbildung haben).
  • Ohne die Leistungen der Ingenieurswissenschaften und der Informatik wären weite Teile der heutigen Forschung in Physik, Chemie und Biologie nicht möglich. Andererseits würde es ohne die Physik keine Ingenieurswissenschaften geben.
  • Geschichtswissenschaft, Religionswissenschaft und christliche Theologien haben teilweise gemeinsame Gegenstandsbereiche und arbeiten mit den gleichen Methoden. Wenn jemand einen Aufsatz über die Religiösität Friedrich Willhelm II. in einer historischen Fachzeitschrift publiziert, könnte er aus jeder dieser drei Disziplinen kommen.
  • An der "Geschlechterforschung" sind (wo sie tatsächlich seriös betrieben wird) Kulturwissenschaftler verschiedener Disziplinen, ebenso, wie Humanbiologen beteiligt.
  • Historiker, Philosophen und christliche Theologen hätten ein gewaltiges Problem, wenn es nicht ein paar Altphilologen geben würde, die ihnen Lexika, Grammatiken und kritische Ausgaben ihrer Primärtexte zur Verfügung stellen würden.
grtgrt 
Fragesteller
 11.11.2018, 19:54

Jedes wissenschaftliche Ergebnis ist

  • entweder Sammlung gut dokumentierter Beobachtungen
  • oder eine gut begründete Aussage der Form { D, P } impliziert W , worin P eine Menge wohldefinierter Aussagen ist und D die Menge aller Definitionen der Konzepte, über die W und P sprechen.

Mathematik und Philosophie scheinen mir insofern unterschiedlicher zu sein als jedes andere Paar von Wissenschaften, als sie Extremfälle von Rigorosität darstellen:

  • Mathematik akzeptiert als Begründung nur eine Beweisführung, die sich formalisieren lässt,
  • wohingegen Philosophie die Wissenschaft ist, deren Begründungen sich am wenigsten formalisieren lassen (und deswegen nicht selten einfach nur Meinung darstellen, was am deutlichsten wird in dem Teil der Philosophie, den wir Theologie nennen).
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Gruenkohl28  12.11.2018, 13:32
@grtgrt

Erst mal zu deiner 2. These:

(1.) Beweise

Meines Erachtens sind sich Mathematik und Philosophie sehr nahe. Sie so ziemlich die einzigen Wissenschaften, in denen es überhaupt Beweise im strengen Sinne gibt. Mathematik kommt völlig ohne Empirie, Philosophie größtenteils auch. Diejenigen philosophischen Theorien, die vorrangig Theorien über empirische Tatsachen waren, sind meistens vor allem außerhalb der Philosophie selbst bedeutsam geworden (z.B. ist die Diskurstheorie Michel Focualts ein wichtiges Werkzeug in den Kulturwissenschaften geworden).

In der Geschichtswissenschaft, Medizin oder Psychologie gibt es keine Beweise und wenn man in der Rechtswissenschaft von Beweisen redet, meint man damit etwas völlig anderes, als in Mathematik und Philosophie. Im Bezug auf die Geschichte kann man bestenfalls begründen, dass ein bestimmtes Geschehen sehr wahrscheinlich ist - allerdings ist "Warhscheinlichkeit" in der Geschichtswissenschaft noch nichteinmal irgendetwas quantifizierbares oder berechenbares im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Man kann beispielswiese sagen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass es Jesus von Nazareth tatsächlich gegeben hat, weil es einen haufen antike Quellen gibt, die dafür sprechen und keine einzige antike Quelle dagegen spricht. Bei einigen ägyptischen Pharaonen, sieht die Quellenlage viel schlechter aus.

(2.) Meinungen:

Wissenschaftliche Theorien sind Meinungen. Also Hühner oder Biersorten sind sie nicht. Es ist vielleicht möglich, Merkmale zu finden, durch welche sich wissenschaftliche Theorien von anderen Arten von Meinungen unterscheiden. Es könnte sich aber auch herausstellen, dass eine Definition von wissenschaftlichen Theorien unmöglich ist.

(3.) Formalisierbarkeit der Philosophie:

Wieso glaubst du, dass sich Begründungen der Philosophie "am wenigsten" formalisieren lassen?

Die meisten wichtigen Werke der Philosphiegeschichte folgen den strukturellen Vorgaben von Begriffslogiken. Immanuel Kants Kritik der praktischen Vernunft folgt z.B. exakt der auf der aristotelischen Syllogistik aufbauenden deutschprachigen Logik von Christan Wolff. Das Werk ließe sich daher vollständig formalisieren. Es wäre halt ein schweinemäßiger Aufwand und auch noch ziemlich nutzlos, da man die Wahrheitsbedingungen der Argumentation ebensogut (oder noch einfacher) an der bereits vorhandenen begriffslogischen Darstellung ablesen kann.

Es ist erst recht nicht einzusehen, warum sich die philosophische Theologie nicht formalisieren lassen sollte - zumindest insofern es um einen theistischen Gottesbegriff geht. Die meisten Schriften aus Mittelalter und Neuzeit dazu bestehen aus sauberen aristotelischen Syllogismen. Daher sollte die Formalisierung mit einer Prädikatenlogik höherer Stufe und der Modallogik machbar sein. Es ist kein Zufall, dass die Formalisierung des ontologischen Gottesbeweises von einem Mathematiker (Kurt Gödel) stammt (genau genommen haben ein paar andere Leute Gödels Beweis erst vervollständigt, da die Entwicklung der formalen Sprachen zu seiner Lebzeit noch nicht hinreichend weit fortgeschritten war). Praktisch hat die Formalisierung des ontologischen Gottesbeweises wenig Erkenntnisse gebracht, die man nicht schon vor der Erfindung der modernen, formalen Logiken hatte: Wenn man die Prämisse akzeptiert, dass "notwendige Existenz" eine Eigenschaft sei, dann sollte man konsequenterweise Theist werden.

Zu deiner Definition von "wissenschaftlichem Ergebnis":

Es könnte sein, dass Darwins Evolutionstheorie nach deiner Definition kein "wissenschaftliches Ergebnis" war.

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grtgrt 
Fragesteller
 12.11.2018, 17:08
@Gruenkohl28

Oh je, ...

Zunächst mal: Eine Argumentation, die sich nicht formalisieren lässt, kann nur als mehr oder weniger gut nachvollziebare Begründung, aber niemals als Beweis eingestuft werden.

Da ich eine mathematische, aber keine philosophische Ausbildung habe, kann ich nicht so recht glauben, dass irgend philosophischer Text Beweise in diesem Sinne enthalten kann. [ Oder kannst du mir konkret einen nennen? Bitte den kürzesten, den du kennst, den aber bitte im Wortlaut. ]

Der syllogistische Ansatz ist gut dafür geeignet, philosophische Argumentation zu strukturieren — zu mehr aber taugt er nicht. Er hilft uns z.B. überhaupt nicht, zu entscheiden, ob Prämissen, von denen der Argumentierende ausgeht, denn überhaupt als Aussage wohldefiniert sind. Sind sie es nicht, entwertet das die gesamte Argumentation.

Da Kurt Gödels sog. "Gottesbeweis" von mehreren teilweise ganz und gar nicht einsichtigen Axiomen ausgeht, kann er schon allein deswegen kein Gottesbeweis sein, sondern ist eben nur Beweis einer wenig relevanten Implikation, die mit Gott, jedenfalls dem der Bibel, rein gar nichts zu tun hat.

Allein schon Gödels Axiom 1 "Jede Eigenschaft ist entweder positiv oder nicht positiv" ist unakzeptabel (da es den durch Gödel nicht definierten Begriff "positiv" enthält und er, wenn er umgangssprachlich gemeint sein sollte, ja relativ ist). Kurz: Gödels Axiom 1 ist eine nicht wohldefnierte Aussage.

Ich bin sicher, dass Gödel das ebenso sah und vor allem deswegen gar nicht auf die Idee kam, er hätte wirklich die Existenz Gottes bewiesen.

Als wissenschaftliche Theorie verdient jede Aussage eingestuft zu werden, die falsifizierbar ist, aber noch nicht widerlegt (Karl Poppers Kriterium).

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Die Urknalltheorie, insbesondere die Inflationstheorie, ist gutes Beispiel einer Theorie, der man heute ganz eindeutig wissenschaftliche Qualität zubilligt, obgleich die Aussage, die sie macht, über alle Maßen unglaubwürdig erscheint: Wer sich nicht durch gute Argumente gezwungen sieht, zu erwägen, dass sie wahr sein könnte, wäre verrückt, wenn er glauben würde, dass unser gesamtes Universum im Bruchteil einer Sekunde entstanden sein könnte. Es gibt ja wohl rein gar nichts, was ohne gute Begründung noch unglaubwürdiger wäre.

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Ist nicht Mathematik wie eine Art Quelltext der Wirklichkeit ? Sprich wenn ich jetzt sage, ja Mathematik ist die wichtigste Wissenschaft, dann schließe ich das meiste der anderen Wissenschaften sowieso mit ein, da die anderen Wissenschaften im Grunde nur das Erläutern und Verständlich machen, was in der Mathematik zugrunde liegt und determiniert ist.

Wieso sollte es eine wichtigste geben? Es sind unterschiedliche Disziplinen mit unterschiedlichen Aufgaben.

Die Behauptung Mathematik und Philosophie seien besonders wichtig kenne ich nur aus Memes. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine durchformulierte Begründung gesehen zu haben. Die Idee bezüglich Philosophie scheint zu sein: Alle Wissenschaftler benutzen philosophische Annahmen, um Erkenntnisse zu gewinnen.

Allerdings lässt sich daraus nicht viel über die Wichtigkeit von Philosophie aussagen. Erstens könnten diese Annahme so offensichtlich sein, dass wir keine eigene Disziplin brauchen, um über sie nachzudenken. Zweitens stehen Philosophie und Wissenschaft in Wechselwirkung zueinander. Auch Philosophen benutzen die Wissenschaft, um philosophisch voranzukommen. Beispiele hierfür sind evolutionäre Erkenntnistheorie und A Posteriori Notwendigkeiten.

Mathematik ist für Wissenschaft sehr nützlich. Vielleicht gibt es hier weniger Wechselwirkung, als zwischen Philosophie und Wissenschaft. Wenigstens kann es sein, dass sich Mathematiker von der Wissenschaft inspiriert fühlen, ein mathematisches Rätsel zu lösen. Jedenfalls: Aufgrund der unterschiedlichen Erwartungen gegenüber dem Gebiet lässt sich auch hier nicht sagen, ob Mathematik besser oder schlechter ist.

Man kann sich auch fragen, ob sich die Wichtigkeit eines Gebiets irgendwie aus wirtschaftlichen und soziologischen Daten erkennen lässt. Wenn Menschen Philosophie brauchen, dann werden sie sich eher mit ihr beschäftigen und ein Staat wird eher Gelder für philosophische Fakultäten ausgeben. Aber dies könnte auch andere Ursachen haben, wie schlechte Finanzenverteilung. Und ich kenne keine Statistik dazu.

Die Mathematik hilft dir, die Grundlagen des Universums zu verstehen, also das, wonach wir angeleitet sind zu handeln.

Aber das hilft dir jetzt nicht so toll!

Das Wichtigste ist zu erkennen, das Wissenschaft nur beschreibt, waehrend deine Gedanken Dinge erscheinen lassen, die die Wissenschaft spaeter erklaert.

Du erschaffst, das ist echtes Leben,Wissenschaft kommt spaeter und weiss nichts davon, das du der Erschaffer bist.