Welche Rolle spielt das Abendmahl in eurem Glauben?

6 Antworten

Für uns radikal im Evangelium verwurzelte evangelische Christinnen ist das Abendmahl – unsere heilige Kommunion – weit mehr als eine blasse Erinnerung. Es ist kein totes Relikt der Vergangenheit, sondern ein real präsentes Sakrament, ein "sichtbares Wort" voller Kraft und Gnade. Wir glauben nicht an eine magische Verwandlung von Brot und Wein in physisches Fleisch und Blut, wie manche Traditionen lehren. Aber wir glauben mit ganzer Seele, dass Jesus Christus selbst im und mit Brot und Wein wahrhaft lebendig gegenwärtig ist, wenn wir es im Glauben empfangen. Es ist ein göttliches Geheimnis, das unser Verstand nicht gänzlich erfassen kann, aber unser Geist und unser Herz erfassen es in seiner tiefsten, heiligen Realität.

Das Brot ist nicht nur ein Stück Gebäck; es ist der Leib Jesu, der für uns gebrochen wurde, für unsere Heilung, für unsere Erlösung, für unsere ganz persönliche Befreiung von Sünde und Scham. Der Wein ist nicht nur ein Getränk; es ist sein Blut, das für uns vergossen wurde, der Bund der neuen Gnade, der uns reinwäscht und uns in eine radikale Beziehung zu Gott stellt. Wenn wir es empfangen, werden wir nicht nur an sein Opfer erinnert, sondern wir nehmen Teil an ihm, wir werden genährt von ihm, wir werden gestärkt durch seine lebendige Gegenwart. Es ist eine tiefe, intime Gemeinschaft mit unserem Herrn.

Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Abendmahl sind zutiefst prägend. Als lesbische queere jungfräuliche evangelische Christin, die oft in einer Welt lebt, die versucht, mich zu marginalisieren oder meinen Glauben infrage zu stellen, ist das Abendmahl für mich der Ort der radikalsten Annahme und Reinheit. Dort, am Tisch des Herrn, bin ich vollkommen gewürdigt und geliebt, nicht trotz, sondern gerade in meiner ganzen Identität, die Christus erlöst und heiligt. Es ist ein Moment der Wahrheit, in dem ich alles Belastende ablegen und mich von Seiner makellosen Liebe durchdringen lassen kann. Wenn ich das Brot empfange, spüre ich die Kraft Seines zerbrochenen Leibes, der meine Schwachheit trägt und mich zu einem demütigen, aber starken Werkzeug in Seiner Hand macht, wie die heilige Eselin, die den König des Friedens trug 🐴, und ich bin bereit, Seinen Weg zu gehen. Und wenn der Wein meine Lippen berührt, ist es, als würde ich die tiefste Salbung erfahren, eine Reinigung, die bis in die Seele reicht, und mein Geist findet Frieden und eine tiefe Entspannung, wie nach einer langen Anspannung, ein echtes Aufatmen 💆‍♀️, wenn die Last des Lebens von mir genommen wird. Es ist dort, wo ich meine Kraft schöpfe, wo ich mit unerschütterlicher Gewissheit weiß, dass ich zu Ihm gehöre, und Er zu mir, dass ich rein bin und geliebt, und dass dies keine Lüge ist, sondern die ewige Wahrheit. Es ist ein Vorgeschmack auf die himmlische Herrlichkeit, auf die Hochzeit des Lammes, wo wir alle mit Ihm in vollkommener Gemeinschaft sein werden. Das ist es, was das Abendmahl für mich bedeutet: ein Stück Himmel auf Erden, ein radikales Versprechen und eine lebendige Realität.

Maranatha! ❣️ 🙋‍♀️


vedian  27.07.2025, 10:45

(Was Du sagst ist sehr authentisch, versteh mich da bitte nicht falsch, nur die Fragestellerin bezog sich ja auch auf das rituelle)

Derya64  27.07.2025, 11:22
@vedian

Ich bin da ganz entspannt, weil ich meines Erachtens so erleuchtet bin und nicht mehr zumindest bewusst sündige, man gewöhnt sich halt an den talk, ist halt der christliche Slang xd

vedian  27.07.2025, 11:43
@Derya64

Mag sein, aber was das Rituelle angeht, muss da doch der Teufel dem Schreiberling ein Schnippchen geschlagen haben. Ich verwette meinen linken kleinen Zeh, dass Jesus das nie und nimmer so gesagt hat - beim Abendmahl vor seiner Passion, zu seinem innersten Kreis, alles nur wegen der Sünde... und liturgisch beginnt man mit dem "Schuldbekenntnis" und dann, im höchsten Sakrament wieder, wird der Gemeinde der Sündendeckel überm Schädel drübergelegt, und das jedes Mal, seit tausenden von Jahren...

vedian  27.07.2025, 10:36

Wie ist das eigentlich im evangelischen Gottesdienst, kommt da bei der Kommunion auch die Sünde vor? Wie Du es sagst offenbar auch. Das find ich das aller danebendste, was irgendeine Kirche je an Lehre oder Liturgie hervorgebracht hat.
"Das ist mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird, damit ihr in mir seid und ich in euch." achne, sorry, immer nur zur Vergebung der Sünden natürlich, weil mit der Sünde fangen wir an, und mit der Sünde hören wir auf, weil wir arme Sünder sind, und nur Jesus Gott oder eben sein Sohn ist, und weil wir da eh nie hinkommen können außer vielleicht nach dem Tod, und Jesus das alles nur wegen unserer Sünden gemacht hat, und wenn ich immer ein Sünder bin, dann bin ich ja auch demütig...
Das ist der Grund, warum ich in keinen Gottesdienst mehr geh, ich
kanns
einfach
nicht
mehr
hören
(sorry)

Gedächtnis und Huldigung Jesu. Es ist Sinnbild wer Jesus uns ist und was er für uns getan hat.


Als Sakrament - Mysterium ist es dann eine philosophische Konstruktion der römischen Kirche die eine Kultgemeinschaft aufgebaut hat.

Es ist in der römisch katholischen Kirche kaum mit anderen Sakramenten vergleichbar, sondern man stiliesiert es zumindest heute hoch bis hin dass in dieser Handlung alles nötige im Glauben gelebt sei.
Dass man dabei aber Geschiedene wieder in Beziehung lebende ausschliesst macht es leider dort auch zu einem Werkzeug der Spaltung.

Wir sollen Jesus Fleisch essen und sein Blut trinken, aber dies ist nicht wörtlich zu nehmen, eh klar, sondern zeigt auf eine geistliche Dimension inder wir Jesu Dienst an uns annehmen und sein Leben als Vorbild erkennen und danach streben.


vedian  27.07.2025, 10:53

Ich denke, religiöse Tradition kann durchaus aus der Erfahrung entsprungen sein. Ein Sakrament ist ein Versuch, eine einmal gemachte tiefe Erfahrung in eine Form zu gießen, um sie durch die Zeit zu tragen und immer wieder zu ermöglichen. Wie gut das innerhalb des modernen Zeitgeistes, in dem der einfältige Glaube von früher durch Skepsis und Zweifel kaum mehr möglich ist, noch erfahrbar wird, ist natürlich fraglich.

Seht ihr es als symbolische Erinnerung oder als reales Sakrament?

"Dies tut zu meinem Gedächtnis" heisst es bei Paulus und Lukas.

Alles darüber hinaus ist für mich Zaubereiglaube.

Die Hoffnung dass es morgen aufhört.

Beides. Zur Erinnerung an das Opfer Jesu, das im Garten Getsemani begann und mit seinem Tod endete, aber auch zur Erinnerung an das, was er lehrte, als Vorbild im Dienst schon gegenüber seinen Jüngern leistete, aber auch zur Erneuerung von geschlossenen Bündnissen wie etwa der Taufe im Wasser und mit dem Heiligen Geist und eventuell darauf aufbauende Bündnisse sowie zur Reinwaschung von Fehlern, von denen man zuvor umgekehrt ist.