Was sagt ihr zu dem Statement: "Schamgefühle sind nie angeboren, sondern grundsätzlich anerzogen."?


06.10.2021, 16:03

Seltsamerweise beziehen hier einige Scham nur auf den Körper bzw. die Nacktheit. Das verstehe ich nicht. Schämen kann man sich für alles mögliche und nicht nur für einen nackten Pimmel.

Das Ergebnis basiert auf 24 Abstimmungen

richtig 79%
falsch 13%
weiß nicht 8%

12 Antworten

richtig

Ja doch, davon bin ich überzeugt.

Nicht nur Scham die sich auf Körperteile bezieht, sondern auch Scham die sich auf Eigenschaften bezieht. Jemand der in einer Gesellschaft aufgewachsen ist wo Ehre über allem anderen steht wird sich für andere Dinge schämen, als jemand der in einer Gesellschaft aufgewachsen ist wo Erfolg über allem steht. Nur so als Beispiel.

Cublin  06.10.2021, 16:25

Wäre dann aber wirklich die Scham anerzogen oder eher die/einige Gründe für die Scham?

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Blackcurrant8  06.10.2021, 16:39
@Cublin

Aha! Die Scham ist natürlich ein Gefühl so wie andere auch... aber die Auslöser/Gründe sind anerzogen. Von Natur aus würden wir uns weder fürs kacken noch für unsere nackten Geschlechtsteile schämen oder dafür etwas zu stehlen... aber der Mensch hat nunmal ein komplexes Hirn und sozialverhalten und das führt immer dazu, dass wir Vorstellungen erlangen die uns für dieses oder jenes Scham empfinden lassen.

ich verstehe das Thema ist komplex und man könnte sich wahrscheinlich sehr sehr lange das Hirn darüber zerbrechen und diskutieren :)

jedenfalls fußt die Scham mehr auf unserem Verstand als auf purer emotion (wie zb ein angeborenes ekel gefühl vor bestimmten dingen - aber auch das ist stark beeinflußt von der art wie wir aufwachsen)... ich habe zumindest bei meinen Haustieren noch nie etwas wie Scham bemerkt (auch wenn ich haustierbesitzer kennen die zb schwören ihr altes Tier würde sich für seine Inkontinenz schämen... halte ich für ein Gerücht^^)

1
richtig

Hallo Liebello,

ich hatte mal von einer - ich will mal sagen - Grundscham, die uns eigen sei, gehört. Die will, dass wir uns schützen, indem wir bestimmte Nähe nicht zulassen.

Alles weitere erscheint mir beobachbar anerzogen. Auch eine solche Grundscham lässt sich in familiären Umfeld relativieren, wenn man dort mit entsprechender Nähe natürlich miteinander umgeht. Dann mag man außerhalb dieses Umfelds aber wieder weniger Nähe anbieten.

Scham ist oft beobachtbar mit einer Uneinheit mit der eigenen Körperlichkeit verbunden - dann auch moralistisch von außen aufgeprägt und eher unterbewusst in diese Uneinheit abgebildet.

Mit vielen lieben Grüßen

EarthCitizen

Liebello 
Fragesteller
 06.10.2021, 16:01

beziehst du Scham nur auf den Körper?

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EarthCitizen20  06.10.2021, 16:06
@Liebello

In dem Kontext wird Scham oft verstanden - und darauf auch eine Grundscham bezogen.

Anerzogen wäre auch eine Scham vor anderen Dingen - m. E. keine Erziehung, das die keine Guidance anbietet.

0
falsch

Aus der Entwicklungspsychologie sind Studien bekannt, die aufweisen, dass selbst Kleinkinder im Alter von drei Jahren und jünger Schamgefühle haben müssen, da sie typische, beobachtbare Reaktionen zeigen.

Dass unsere Gesellschaft Normen hat ist Kindern in diesem Alter völlig unbekannt.

Das eine schließt allerdings das andere nicht aus!

Schamgefühle werden natürlich getriggert durch die Abweichung von Normen.

Es scheint also eine entsprechende Veranlagungen zu geben, sich zu schämen, wenn man in seinem Handeln und Verhalten BEWUSST, aber auch UNBEWUSST von gesellschaftlichen Normen abweicht und dies jemand mitbekommt.

Vergleiche dazu auch Gefühle wie Angst, Ekel, Phobie. Diese Emotionen sind alle miteinander verwandt und von Grund auf angelegt. Kongretisiert, erweitert, verstärkt, verschoben oder umgewandelt (zB in "Hass") werden diese Gefühle erst durch gesellschaftliche Normen, deren Existenz Kleinkindern allerdings noch fremd ist.

falsch

Ich finde diese Frage lässt sich gar nicht so einfach beantworten und das hat nicht nur damit zu tun, dass es wissenschaftlich kaum (moralisch vertretbar) zu belegen ist, was "nur" anerzogen ist und was "tiefer liegt".

Meiner persönliche Vermutung ist , dass durchaus viele Schamgefühle vermutlich eher anerzogen sind, aber dass das Gefühl der Scham auch einen "natürlichen" Ursprung haben kann, der nichts oder nur sehr wenig mit der eigenen Erziehung zu tun hat.

Anerzogen ist dabei vermutlich v.a. so etwas, wie die Scham, die man spürt, wenn man unfreiwillig und öffentlich unbekleidet ist, oder die Scham, die man verspürt, wenn man einen Fehler gemacht hat. Beide Aspekte werden gerade hier in Deutschland noch stark tabuisiert und mit Peinlichkeit assoziert. Das bei diesen Dingen empfundene Schamgefühl, hat aberr objektiv betrachtet keinen logischen Grund. Wir alle haben weitgehend ähnliche Körper und nun wirklich jeder Mensch macht Fehler und sicher einige auch ganz dumme.

Ich denke jeodch nicht, dass Scham allein auf solche Dinge begrenzt ist und man könnte sicher auch so argumentieren, dass es das Gefühl evolutionär bedingt erst gar nicht geben würde, wenn es allein das Produkt einer gewissen Erziehung wäre und keinen "praktischen Nutzen" hätte.

Aber ich denke so abstrakt braucht man es erst gar nicht machen. Denn Scham ist schließlich ein Gefühl, das eng mit Dingen, wie Verlegenheit, Bloßstellung, Peinlichkeit oder dem Gefühl der Minderwertigkeit und Unzulänglichkeit verbunden ist und häufig gemeinsam mit diesen auftritt oder sogar mit diesen Gefühlen "verschmilzt". Und was all diese genannten Gefühle anbelangt bin ich der festen Überzeugung, dass sie nicht nur bei Menschen auftritt, die eine ausgeprägte Erziehung genossen haben, sondern in jedem von uns vorhanden sind und auch in jedem von uns auftreten.

Meiner Auffassung nach hat der Mensch durchaus einige "Grundeinstellungen", die v.a. dem sozialen Leben miteinander dienen und ich würde behaupten, dass überall dort, wo ein soziales Miteinander existiert, es auch Dinge, wie Enttäuschung, Vertrauensbruch, Verrat und auch Scham gibt. Den Grund darin würde ich (als völliger Laie) darin vermuten, dass diese Gefühle, v.a. evolutionär betrachtet uns dazu bringen uns sozial verträglich zu verhalten um in der Gruppe zu bleiben.

Allerdings ist das alles, wie bereits betont allein meine zurechtgelegte Folgerung.

weiß nicht

Ich glaube nicht das die Erziehung alleine "Schuld" ist.

Irgentwann kommen natürliche Schamgefühle auf.

Irgentwann wird es einem unangenehm wenn Mama das Spatzi wascht ....also ein natürliches Schamgefühl...

Dazu kommen sowieso die erzieherischen Maßnahmen der Gesellschaft.

Ich glaube also das scham durchaus angeboren ist. Man kann sie aber auch "wegerziehen".