Was raten Sie einem Patienten mit einer psychischen Erkrankung, der sich in einer Klinik psychotherapeutisch behandeln lassen möchte, aber abgelehnt wird?
Im Vorgespräch mit einem Arzt einer Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalyse sowie Psychiatrie und Psychotherapie bekommt der Patient gesagt:
"Wir können Sie als Patient aufnehmen. Aber nur, wenn Sie Tabletten nehmen." (Zitat ist für die Frage gekürzt. Natürlich wurde das sprachlich etwas anders wiedergegeben)
Psychopharmaka lehnt der Patient aber ab.
Ärzte sollen doch zum Wohle des Patienten handeln.
Der Patient hat mehrere Gründe keine Psychopharmaka zu nehmen. Es ist ausdrücklicher Patientenwille.
Im Gespräch, als der Patient weiter nachfragt, erklärt der Arzt, dass die Krankenkasse den Aufenthalt nicht bezahlt, wenn der Patient keine Tabletten nimmt.
Wie ist das zu bewerten? Wie kann das sein?
Was würden Sie dem Patienten raten?
Der Patient möchte sich helfen, aber nicht erpressen lassen.
Ergänzend: Wie seriös kann überhaupt die Einschätzung eines Arztes sein, der einen Patienten erst seit 20 Minuten kennt und nach 20 Minuten bereits eine Indikation für ein atypisches Neuroleptikum sieht?
4 Antworten
Die Zeiten in den Kliniken sind, leider, aktuell und insgesamt auch schon länger, ziemlich hart. Die Nachfrage nach Plätzen ist groß, die Wartelisten oft lang, das Personal knapp. Psychiatrische Abteilungen sind bei Weitem nicht so rentabel, als rein chirurgische Abteilungen. Hinzu kommt das Problem mit den Fallpauschalen, bei denen ab einem gewissen Zeitpunkt die Klinik nur noch drauf zahlt. Nach der Entlassung des Patienten kommt der MDK und streicht Behandlungstage. Es gibt nicht wenige psychiatrische Abteilungen, die letztlich oft von den anderen Abteilungen finanziell mitgetragen werden müssen.
Einer der "guten Gründe" keine Behandlungstage zu streichen wäre beispielsweise eine Medikamenteneinstellung, z.B. mit einem Antidepressiva. Dies wird z.B. in den S3-Leitlinien auch bei einer Depression empfohlen.
Ich kann mir vorstellen, dass die Ärztin daher der Meinung war, dass eine erfolgreiche Therapie der Erkrankung nur mit Hilfe von Medikamenten wirklich erfolgreich sein könnte. Viele Kliniken sind auch von psychotherapeutischer Seite sehr knapp bestückt, weswegen nur eine Psychotherapie in einer Klinik bei entsprechender Schwere und Art der Erkrankung nicht ausgereicht hätte.
Die Situation die du beschreibst ist komplex und belastend und es ist verständlich, dass man sich als Patient in einem Zwiespalt befindet. In Deutschland ist es in der Regel so, dass eine Behandlung ohne die Zustimmung des Patienten zu den vorgeschlagenen Maßnahmen wie in diesem Fall der Einnahme von Medikamenten grundsätzlich nicht durchgeführt werden darf, es sei denn, es liegt eine akute Gefährdung des Patienten oder anderer Personen vor. Das ist die Rechtslage.
Als Tipp will ich dir sagen, du hast das Recht, selbst über deine Behandlung zu entscheiden solange du die volle Einsichtsfähigkeit und Urteilsvermögen besitzt. Der ausdrückliche Wunsch keine Psychopharmaka zu nehmen muss respektiert werden.
Und jetzt das Entscheidende:
Wenn die Klinik die Behandlung nur unter der Voraussetzung der Medikamenteneinnahme anbietet KÖNNTE es sich um eine unzulässige Bedingung handeln, die gegen die Patientenautonomie verstößt. Du solltest nochmal klar klarstellen dass du bereit bist, eine psychotherapeutische Behandlung ohne Medikamente in Anspruch zu nehmen . Es könnte hilfreich sein, die Klinik aufzufordern, den Grund für diese Bedingung zu erläutern und auch zu prüfen, ob es in der Klinik eine Möglichkeit gibt, die Therapie ohne Medikamente zu gestalten.
Es ist die Frage ob du STATIONÄR als Patienten aufgenommen werden musst oder nicht. Wenn du nur psychotherapie benötigst bzw. zulässt, macht eine ambulante Therapie durchaus mehr Sinn. Gegeben, es gibt keine Selbst- oder Fremdgefährdung.
Die Ärztin kann nichts dafür glaub mir. Ich würde dir aber empfehlen, dich auf die Behandlung ein bissel mehr einzulassen, und die Meinung eines unabhängigen Angehörigen zu holen. Egal ob er Mediziner ist oder nicht. Gerade mit einer Psychose ist die Eigene Meinugng kritisch zu bewerten.
Vielleicht hängt es von der Erkrankung ab. Wenn jemand zb durch die Erkrankung aggressiv ist und andere Leute angreift, kann man die Person kaum mit anderen zusammen lassen.
Ansonsten habe ich persönlich nie erlebt, dass so etwas gefordert wird. Dann würde ich zu einer anderen Klinik gehen. Oder ambulante Therapie wählen.