Was ist Meditation eigentlich?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Das folgende ist meine persönliche Meinung und Wahrnehmung. Ich erhebe keinen Anspruch auf absolute Wahrheit.

Was Meditation nicht ist

Viele Menschen denken, Meditation sei eine Technik mit der man "sich ruhig macht" und so möglicherweise entspannter wird und sich besser konzentrieren kann.

Tatsächlich kann man Meditation gar nicht "machen", weil unsere Handlungen immer ergebnisorientiert sind - aktuell sind Resilienz und Selbstoptimierung große Themen

Richtig verstanden hat Meditation aber kein Ziel, denn jede Vorstellung von einem "Erfolg" oder "Fortschritt" ist das Gegenteil von Meditation.

Man kann also Formen von Meditation praktizieren - aber letztlich geht es darum, meditativ zu sein, und nicht, irgendewas zu "werden" also zu erreichen.

Somit ist klar, dass irgendwelche geführten "Phantasiereisen" eher in Richtung Trance gehen und nicht mit Meditation verwechselt werden sollten.

Was ist also Meditation?

Meditation ist ein Zustand entspannter Achtsamkeit - weder schlafartige Trance, noch überspannte Konzentration, sondern die Mitte zwischen diesen Extremen.

Meditation bedeutet, ohne Bewertung den gegenwärtigen Moment zu erfahren.

Das klingt einfach - aber tatsächlich ist unser Verstand ständig dabei, Dinge zu vergleichen, zu bewerten und zu kategorisieren.

Zen-Meister sagen manchmal "Zazen ist für nichts gut" - es habe also keinen Zweck oder Vorteil, Meditation zu praktizieren. Man solle keinen "Gewinn" daraus anstreben

Das ist das totale Gegenteil unserer Erwartung und daher am Anfang für viele Menschen nur schwer zugänglich. Mit der Praxis kommt aber das Verstehen.

Ursprung der Meditation

Techniken und Lehren zur "Selbstversenkung", "Achtsamkeit" oder "inneren Ruhe" gibt es seit Jahrtausenden - vielleicht fast so lange, wie es Zivilisationen gibt.

Die frühen Menschen waren stärker auf Trance und Ekstase ausgerichtet - das zeigt etwa der weltweit verbreitete Schamanismus.

Später wurde dann die "Innenschau", das "in sich ruhen" wichtiger.

Formen der Meditation

Somit hat auch jede große Weltreligion irgendeine Form von Meditation - das katholische Rosenkranzgebet, das orthodoxe Jesusgebet, das singen von Chorälen und Hymnen, islamisches Dhikr usw.

Was wir heute "Meditation" nennen - das stille "Rumsitzen" mit Achtsamkeit auf Atem, innere Bilder, heilige Silben oder eine Kerzenflamme - wird meist mit dem Hinduismus in Verbindung gebracht, aus dem dann der Buddhismus hervorging.

Praxis der Meditation

Wie schon gesagt, gibt es sehr verschiedene Praxisformen. Manche probieren erst einmal einige aus, bevor sie "ihren" Weg finden, der ihnen entspricht.

Ich selbst praktiziere Zazen, eine sehr traditionelle und auch formell festgelegte Form buddhistischer Sitzmeditation, habe aber auch Erfahrung mit anderen Formen.

Grundsätzlich sollte man Meditation bei einem Lehrer erlernen. Der kann die körperliche und geistige Haltung korrigieren - etwas, dass alleine oft nicht gelingt.

Risiken der Meditation

Es gibt verschiedene manipulative Gruppen, die ihr Meditationsangebot nutzen, um neue Anhänger zu gewinnen. Ich rate daher immer dazu, nach dem Namen der Organisation und dessen Leiters, in Verbindung mit Begriffen wie "Kritik", "Sekte", bzw. English "fraud" und "cult" zu googeln, um sich vor negativen Anbietern zu schützen.

Menschen mit psychischen Erkrankungen sollten mit ihrem Psychiater bzw. Psychotherapeuten über ihr Interesse an Meditation reden und Rücksprache halten - man sollte dann auch dessen Empfehlung folgen.

Bei der Meditation werden oft längst vergessene oder verdrängte Erinnerungen oder Gefühle wieder ins Bewusstsein gerufen. Was für geistig gesunde Menschen nur ein lästiges "Hochspülen" von mentalem Müll ist, kann bei psychisch labilen Personen sogar zu Retraumatisierungen, Flashbacks o.ä. führen.

Soweit erst einmal von meiner Seite - selbstverständlich ist diese Antwort nicht vollständig abschließend.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit etwa 40 Jahren Praxis buddhistischer Meditation
Arna44 
Fragesteller
 08.01.2024, 23:11

Danke für deine ausführliche Antwort, ich schätze sie sehr:)

eine Frage dennoch: Und zwar hast du gemeint, die Meditation soll keinen Gewinn bringen. Ist es aber nicht so, dass alles was wir machen uns in irgendeiner Weise etwas bringt? Sogar wenn man Menschen gerne hilft: dann bringt es dir Freude usw. Und das streben ein paar Leute an. Wenn man darüber nach denkt ist das „Hilfsbereit sein“ dann gar nicht mal so selbstlos wie es scheint. Und bei der Meditation ist es sicher auch so, dass es irgendetwas bringt. Und wenn es einem was bringt, dann hat man ja „sein Ziel erreicht“.

Kann es dann wirklich sein, dass man Meditation grundlos (ohne etwas zu erreichen) macht? bzw dass es so sein sollte? Wofür machst du es denn? (Keine bös gemeinte Frage:))

& denkst du dass es doch für bestimmte Zwecke zielführend sein kann zu meditieren, um sich beispielsweise zu „grounden“, achtsamer & konzentrierter zu werden, …?

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Enzylexikon  09.01.2024, 21:15
@Arna44

Natürlich hat Meditation auf gewisse Weise auch Auswirkungen bei uns. Das lässt sich auch naturwissenschaftlich, etwa durch Computertomographie-Scans (CT) des Gehirns nachweisen. Aber wir sollten sie uns nicht zum Ziel machen

Aber jeder Vorsatz führt zu einer mehr oder weniger starken Erwartungshaltung

"ruhig...atmen....einfach beobachten...atmen....bin ich schon ruhiger? Ich fühle mich gar nicht ruhiger...was?...achja....atmen....ruhig....atmen....Mensch, es sind doch bestimmt schon fünf Minuten um! Ob die schon was gebracht haben?...Bin ich entspannter?...oder...achja...atmen..."

Du siehst...je mehr man sich davon erhofft, desto mehr beschäftigt sich unser Geist damit und desto weniger meditativ sind wir dadurch letztlich

& denkst du dass es doch für bestimmte Zwecke zielführend sein kann zu meditieren, um sich beispielsweise zu „grounden“, achtsamer & konzentrierter zu werden, …?

Das ist genau das Grundübel - der Gedanke "Wie kann ich mich optimieren? Stressresistenter werden? Bessere Konzentration finden? Hilft es mir?"

Tatsächlich wird gerade in den USA die Meditation als eine von vielen Therapie-artigen Techniken zur Selbstoptimierung vermarktet.

Lange Rede, kurzer Sinn: Natürlich hat Meditation langfristig "Nebenwirkungen", aber ich halte es für grundlegend falsch zu meditieren, weil man auf bestimmte Vorteile aus ist. Diese stellen sich ein - oder auch nicht.

Wofür machst du es denn? (Keine bös gemeinte Frage:))

Habe ich auch nicht so aufgefasst. :-) Ich bin Buddhist, für mich ist es Teil meiner buddhistischen Lebenspraxis. So wie das Zähneputzen.

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Arna44 
Fragesteller
 09.01.2024, 21:30
@Enzylexikon

Ahh ok ich verstehe es jetzt etwas besser:) wenn ich aber trotzdem fragen darf: warum meditierst du als Buddhist? Also ja es ist euer Brauch, aber warum hast du das akzeptiert und warum machst du persönlich das mit?

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Enzylexikon  09.01.2024, 21:42
@Arna44

Ich habe Vertrauen in meinen ersten Lehrer gehabt.

Dieser hatte sinngemäß gesagt, dass die meisten Lehren davon ausgehen, dass der Mensch "schlecht" ist und auf irgendeine Weise "besser" gemacht werden muss.

Man müsse aber einfach "sein" und nichts "werden"

Auch brachte er das Beispiel vom Esel, dem die Mohrrübe mit einer Angel vor das Gesicht gebunden wird - egal wie sehr er durch Laufen daran arbeitet - er wird die Möhre nicht erreichen.

Er sagte, "Übt um des Übens willen" (also praktiziert einfach, weil ihr es könnt).

Das habe ich gemacht und bin bis heute dabei geblieben.

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Arna44 
Fragesteller
 09.01.2024, 21:54
@Enzylexikon

Oh wow, das hört sich sehr schön an :)

wie bist du auf deinen Lehrer gestoßen?

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Enzylexikon  10.01.2024, 20:49
@Arna44

Auf meinen ersten Lehrer bin ich durch einen Sportverein gestoßen, wo ich dann auch mit dem Kampfkunsttraining begonnen habe.

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Enzylexikon  09.01.2024, 21:22

Vielen Dank für den Stern. :-)

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  • komische Frage aber: hat Buddha Meditation erfunden? Haha

Nein. (Schluchz😉)

  • Also meine Gedanken gingen immer zu einen anderen Ort, ständig… wortwörtlich.

Das ist (anfangs) völlig normal.

Unter "Meditation" verstehen die Menschen alles mögliche und sie wird für unterschiedlichste Zwecke "eingesetzt".

Im Internet (Youtube usw.) gibt es zahlreiche Hilfen dazu.