Was ist ein DDR-Abitur wert?

18 Antworten

Mich erschreckt wie hier die DDR-Vergangenheit verklärt wird! Alles toll auf der EOS und sowieso besser als im Westen – nur selten klingt etwas vom tatsächlichen politischen Druck an. Wenn Ossis hier von Gymnasien und Realschulen im Osten reden, outen sie sich als Fake-Beitrag, das hieß nämlich EOS, Erweiterte Oberschule bzw. POS, Polytechnische Oberschule.

Ich denke, die Frage lässt sich objektiv nur statistisch beantworten, weil jeder einen anderen persönlichen Erfahrungsschatz hat.

So lag 1990 nach einer ZVS-Untersuchung die durchschnittlich DDR-Abi-Note etwa ganze Note besser als der westdeutsche Durchschnitt. Keiner glaubt wohl ernsthaft, dass die Ossis schlauer waren als die Abiturienten anderswo. (Bremen hat ja ähnliche Phänomene, aber bei einem drohenden Umzug nach Bayern sollte sich die Betroffenen besser gleich auf einen Wechsel in mindestens 1 Klasse drunter einstellen).

Die Zahl der Abiturienten war in der DDR deutlich kleiner, lt. Statistik 13jährige auf höherer Schule 1970/1980 10,7/ 7,7% des Jahrgangs; BRD 20,4/ 30,5 %. Bei der Auswahl derjenigen, die zur EOS wechseln konnten und dort dann auch Abitur machen durften ging erklärtermaßen der Nachweis ‚eines festen Klassenstandpunktes‘ den schulischen Leistungen vor. So war es in dieser Logik nur konsequent, die Funktionärskinder entsprechend vorzuziehen. Man darf also nicht denken, dass dieser geringere Prozentsatz die Auswahl einer Leistungselite war, die somit automatisch zum ‚besseren‘ Abitur führte im Vergleich mit den westdeutschem ‚Massenabitur‘.

Interessant wäre der Vergleich von schriftlichen Abi-Prüfungsaufgaben, aber dazu habe ich nichts gefunden.

Ich selbst, Jahrgang 1958, bin nach der 8. Klasse POS auf die EOS gewechselt. In Erinnerung habe ich, dass von etwas über 30 Schülern meiner Klasse 2 von der Schule direkt auf die EOS ‚delegiert‘ werden konnten; darüber hinaus gab es die Möglichkeit der Antragstellung durch die Eltern. So kamen mit mir zusammen noch 2 oder 4 weitere Schüler dazu, da verlässt mich mein Gedächtnis (es waren aber späteren Erzählungen nach in meiner Klasse vergleichsweise viele noch zusätzlich). Zum 11. Schuljahr kam noch eine Klasse dazu, nur mit Schülern, die bis zur 10. Klasse eine POS besucht hatten. Der Lehrplan ‚unserer‘ Klassen 9 und 10 unterschied sich schon deutlich von dem bei den POS (Betonung Neu-/Altsprachen oder Naturwissenschaftlicher Zweig). Nachdem mir in der 11. Klasse mitgeteilt wurde, dass ich nicht zum Abitur zugelassen werde, weil ich ‚immer noch keinen festen Klassenstandpunkt‘ vertreten würde, verließ ich die EOS, machte dann nach der Lehre das Abi auf der Abendschule nebenher zur Arbeit. Von der schriftlichen Matheprüfung (das war ein Zentral-Abi in der DDR) ist mir noch in Erinnerung, dass ich das vergleichsweise leicht empfand, wie schon der Mathe-Unterricht zuvor. Später wechselten alle erst nach der 10. Klasse, wie das hier schon richtig erwähnt wurde. Die Schüler, die nach der 10. Klasse dazu dazukamen, wurden nicht umsonst in eine extra Klasse gesteckt, es wurde gesagt, die machen ‚nur normales Abi‘ - sollte heißen – kein angezogenes Niveau mit entsprechender Ausrichtung wie bei uns. Beim besten Willen kann ich mir nicht vorstellen, dass man in 2 Jahren EOS das aufholen kann, was z.B. in Bayern die Kinder bei entsprechender Förderung schon von Klasse 5 an auf dem Gymnasium lernen können.  Auf meiner POS waren die Lehrer schlechter, die Disziplin, es gab Mobbing, Schlägereien zu Hauf, ein Lehrer stand auf körperliche Züchtigung!, in der 7. Klasse wanderten schon 2 Schüler in den Jugendknast (‚Jugendwerkhof‘)… wer da noch 2 weitere Jahre zubrachte, der brauchte dann auch die extra Klasse auf der EOS 😉 So wundert es mich nicht, dass die die Lehrer am Ende der DDR einfach mit den Zensuren mogelten, schließlich konnten sie nix für diese Fehlentwicklung.  

Falsch ist m.E. übrigens auch, dass es ‚mal‘ eine Zeit des freien Zugangs zum Abitur in der DDR gab, wie hier behauptet. Der Staat bzw. die ‚lila Hexe‘ (Bildungsministerin Margot Honecker) hat das immer gesteuert. Meine Kusine, geb. 1947, musste eine Ausbildung als Maurer machen, um zum Abi zu kommen, anschließend Zahnmedizin-Studium …  

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
Katinkacat  09.06.2021, 18:07

Ich finde die Stimmen hier sehr gut, die sich gegen die Beschönigung der DDR stellen, das tue ich auch in zahlreichen Beiträgen.

Ich habe kurz vor der Wende die POS abgeschlossen. Wir hatten da schriftliche Prüfungen in Russisch, Deutsch, Mathe und einer Naturwissenschaft: Bio/Chemie oder Physik. Dann kamen 2-5 mündliche Prüfungen, ich hatte nur 2. Dazu kam die Sportprüfung als Pflicht, das war Leichtathletik.

Zum Abitur wurde bei uns nur zugelassen, wer die Jugendweihe hatte und sich als Junge zu 3 Jahren Armee verpflichtete. FDJ und ähnliches setzte man voraus.

Ich hätte damals gern eine 3. Fremdsprache erlernt, das ging aber nicht, da Wert auf Naturwissenschaft gelegt wurde.

Bei der Patenbrigade gab es immer eine Straße der Besten. Da waren aber nicht nur die leistungsstärksten Schüler aufgeführt sondern auch ein durchschnittlich begabter Schüler, der Berufssoldat der NVA werden wollte. So lief das damals.

Mobbing gab es bei uns auch reichlich, ich kann nicht verstehen, wieso hier manchmal behauptet wird, das habe es unter Pionieren nicht gegeben. Bei uns in der Region bekamen fast alle Familien Westpakete. Und wer in der DDR Klamotten kaufen musste, wurde richtig fies gemobbt. Lehrer waren auf sowas gar nicht ausgebildet, sie griffen nur ein, wenn Schlägereien waren.

Ich selber bin nicht zur EOS gewechselt, da ich nicht wusste, was ich studieren sollte. Denn darauf stand dann irgendwann die Mitgliedschaft in der SED, und da wäre ich niemals eingetreten. Lehrer mussten das zwar nicht zwingend, aber wenn man mal Klassenlehrer geworden wäre, hätte man auch Ideologie vermitteln müssen. Medizin und Architektur kann ich nicht.

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Ich denke man kann das nur schwer vergleichen, jedenfalls sind meine Erfahrungen aus der kurzen Zeit die ich an der TU mit Ost-Abiturienten verbracht habe nicht representativ, denn die Computerkenntnisse waren in der DDR sicher nicht so breitgefächert wie bei uns, trotzdem gab es hervorragende Informatiker auch in meinem Abscdhluss-Semester, einige Jahre später habe ich dann nochmal mit Ostlern an der FH in Mannheim zu tun gehabt, als ich dort für rund 18 Monate aktuelles IT-Wissen vermittelte. 4 Studenten waren aus den neuen Bundesländern und hatten vorher bereits auf einer DDR-Uni gelernt. Ihre Mathematik war deutlich fundierter als die der meisten West-Studententen, allerdings war die Kreativität eine andere, im Westen förderte man halt solche Dinge stärker, während in Lernfächern ebend die Disziplin nicht so stark war...

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Laut Untersuchungen gibt es kaum mehr Unterschiede als z.B. zwischen Bayern und NRW, es gab halt auch im Osten sehr gute und eher nicht so gute Schulen und Lehrer, die höhere Bildung hängt auch vom Elternhaus und den eigenen Fähigkeiten ab, jedenfalls sind Menschen mit DDR-Abitur nicht unbedingt erfolgreicher als solche mit West-Abschluss, alles eine Frage der Ansichten, mir war die Schulausbildung im Osten zu politisch, da nehme ich gerne in Kauf, dass es Defizite in Deutsch, Mathematik oder Physik gegeben hat. An der Uni muss man in den ersten Semestern eh viel Lernen, was man beim Abi noch nicht so ganz verstanden hat, die Misere mit Pisa haben wir jedenfalls in erster Linie den Eltern zu verdanken und mit der allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Lage im Osten (aber auch armen Bundesländern wie Berlin) ist es da aktuell nicht so gut bestellt...

Ich hätte lieber heute Abitur gemacht.

In der DDR hat mich geärgert, dass so viel Naturwissenschaften gelehrt wurden. Ich hätte lieber eine 3. Fremdsprache gelernt.

Aus meiner Klasse kam in den 80ern ein Junge auf die EOS, der gar nicht die Noten dafür hatte. Er hatte sich als Berufssoldat zur NVA verpflichtet. Das war für die DDR der Grund, ihn auf der Straße der Besten anzupreisen. Überhaupt hatte man damals linientreu zu sein, sonst passierte gar nichts in Sachen beruflicher Aufstieg.

Was ich damals gut fand, dass wir Noten ab der 1. Klasse erhielten. Das ist ja heute nicht mehr der Fall.

Aber das gemeinsame Lernen bis zur 10. Klasse fand ich nicht so gut. Bei uns gab es einige in der Klasse, die hatten gar kein Interesse an Bildung, die wurden da mit durchgezogen. Die nahmen es nicht so genau mit dem Lernen, da sie ja eh einen Beruf in der Produktion oder im Handwerk oder in der Landwirtschaft bekamen.

Ob die Angie jetzt Ost oder West ABI hat, so wichtig finde ich das wahrlich nicht. Selbst der "Titel" Abi ist ein recht dehnbarer. Über wirkliche Qualifikation, über wirkliches Wissen sagt er nix aus. Nur, daß man bereit war, die Schule bis zum Ende durchzumachen und zumindest ein Mindestmaß an benötigten Punkten zu erhalten. Dies an und für sich halte ich für uneingeschränkt positiv. Möchte aber kritisch anmerken, daß damit nichts über den Inhaber des "Titels" gesagt wird. das ABI ist ein nettes Sprungbrett, um sich alle Chancen offen zu halten und ein noch besseres, um Dumpfbacken bei der bloßen Erwähnung zu einem ehrfüchtigen Schauer zu verhelfen. Klar, ich hab das Ding auch und auch mit gutem Durchschnitt dank geschickter Fächerwahl, überbewerten würde ich es dennoch nicht. Ost oder West Abi, NRW oder Bayern ABI, das sind Nebenschaukampfplätze.

Ich habe das Abitur neben meiner Facharbeiterprüfung gemacht, weil ich einen Beruf haben wollte. Zusätzliche Fächer, an denen ich interessiert war, habe ich an der Volkshochschule belegt. Ich hätte auch auf die EOS gehen können. Aber wie dem auch sei. Meine Tochter geht heute in eine Eliteklasse eines Elitegymnasiums und was ihr Wissen betrifft, hätten wir sie zu unseren Schülerzeiten, wenn sie uns per Zeitsprung hätte besuchen können, nur mitleidig belächelt. Rechnet man das ideologische Geseier heraus, war die ostdeutsche Schulbildung sehr, sehr hochwertig. Viel Drill - aber hervorragendes Bilungsfundament. Fernsehen spielte ja auch noch nicht die Rolle und Rechner gabs keine. doof sein war peinlich - Bildung wurde bewundert. Das sind die Hauptunterschiede.

Claud18  26.11.2010, 11:27

Das stimmt. Ich merke immer wieder, dass wir eine hervorragende Allgemeinbildung bekommen haben. Schon kurz nach der Wende stellte ich an Hand meiner Nichte fest, dass das Niveau gesunken war, denn wir hatten in der ersten Klasse bereits alle Zahlen von 1-100 lernen müssen, sie jedoch noch nicht. Umso peinlicher finde ich es, wenn Abschlüsse, vor allen auch aus der ehemaligen Sowjetunion (denn auch dort war Bildung ein Wert an sich) nicht anerkannt werden. Fürchtet man sich davor, von Überqualifizierten vorgeführt zu werden?

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