Ich glaube, das muss man differenzierter sehen.  Zum Einen gab es sicher auch in der DDR gute und weniger gute Schulen. Zum Anderen währte die DDR 40 Jahre, es spielt also auch eine Rolle zu welcher Zeit man das Abitur ablegte. Wenn ich meine Kenntnisse mit denen meiner Verwandten vergleiche, die ihr Abitur noch  zu DDR Zeiten gemacht haben, fällt mir Folgendes auf: Was die Fremdsprachen betrifft, scheint man in der DDR etwas "gefälliger" bewertet zu haben. Meine Verwandten erhielten in Englisch  als Noten eine 1 oder 2, was ja auf gute Fremdsprachenkenntnisse schliessen lassen könnte, aber sie können die Sprache kaum sprechen und verstehen,  ich verstand und sprach die Sprache schon mit 13, ohne Auslandsaufenthalt besser. Zu meiner Schulzeit bewertete man die Orthographie in fremdsprachliche Texten fast wie in der Muttersprache. Das heisst, ein fehlender  Buchstabe, oder ein fehlender Akzent im Französischen zählte schon als ganzer oder halber Fehler. Um eine 1 zu bekommen durfte man auf 100 Wörter nur sehr wenige Fehler haben, in etwa soviele wie im Deutschaufsatz. Zudem muss man ja durch die Wiedereinführung der 6 nach der Wende alles etwa um eine oder eine halbe Note umrechnen.

Im Gegensatz zu den Fremdsprachen wurden die matematisch-technischen Fähigkeiten meiner Meinung nach zu DDR-Zeiten besser gefördert. Ich bin Abiturjahrgang 2000 und gehöre daher zur "Generation Taschenrechner". Ich muss bei einfachen schriftlichen Rechnungsverfahren immer überlegen, wie das überhaupt ging. Wir benutzten schon seit der 7. Klasse einen Taschenrechner und ich habe dadurch kaum Übung in diesen Rechnungsverfahren, auch das Kopfrechnen ist bei mir weniger gut ausgeprägt. Das war mir schon häufiger peinlich und erregte Unmut bei den älteren Verwandten.

Schwierig finde ich, dass im Verlauf der DDR Zeit immer mehr auf eine altsprachliche und somit bürgerliche Bildung verzichtet wurde. Mein Onkel, Jahrgang ``44 hat noch ein Latinum, später wurden das ja oft gar nicht mehr angeboten. Es galt als veraltertes, zu bürgerliches und irgendwie vielleicht auch unnützes Wissen. Ohne Latein findet man meiner Meinung nach aber schwerer Zugang zu alten Sagen oder alten religiösen Texten, die aber nunmal den Grundstein  für unsere Kultur darstellen. Schlimmer noch war es zur DDR-Zeit um den Umgang mit Religion im Allgemeinen bestellt. Religiöse Menschen wurden als rückständig, manchmal fast als dumm angesehen. Dem Umstand, dass es auf der Welt auch viele gläubige Wissenschaftler gibt, wurde wenig Rechnung getragen. Religion oder Ethik als Schulfach waren undenkbar.
Auch die Vermittlung von echten psychologischen Kenntnissen und demokratischem Denken war zu Zeiten der DDR natürlich  kaum möglich. Unsere Gymnasiallehrer haben uns bis zum Umfallen diskutieren lassen. Wir sollten lernen, die Meinung des Anderen zu respektieren, auch wenn sie unserer völlig entgegenstand. Das war manchmal gar nicht so einfach, aber sehr wichtig und effektiv. Auf psychologischer Ebene wurden wir dazu angehalten, herauszufinden, was wir wollen, für uns.

Menschen, die stark DDR sozialisiert sind, haben meiner Meinung nach manchmal so einen Hang zum "überzeugen- wollen". Manche werden auch schnell wütend oder verletzend, wenn man ihre Auffassung nicht teilt, auch wenn man für seine Sicht gute Argumente hat. Sicher, oft liegt es auch einfach an der Persönlichkeit. Meine Tante ist zu DDR- Zeiten konfirmiert worden und hat trotzdem an der Jugendweihe teilgenommen. Sie steht einfach zu dem was ihr gefällt, kann Andere gut respektieren und  kann das Positive von verschiedenen  Dingen herausfiltern. Sie ist eben ein richtig herzlicher Bauernhofsmensch mit Abitur. Zusammenfassend würde ich sagen, dass das DDR-Abitur stärker ausbildungs- und berufsorientiert war und natürlich deutlich weniger Wert auf eine humanistisch-  bürgerliche Bildung gelegt wurde, denn diese Werte standen ja dem System entgegen. Das Wort  "bourgois" war ja zeitweilig ein regelrechtes Schimpfwort. Inwiefern  man sich jetzt in dem einen oder anderen allgemeinen Fachgebiet besser oder schlechter auskennt, liegt wahrscheinlich eher an der persönlichen Biographie und den persönlichen Neigungen als an DDR oder BRD.  Ältere Menschen aus den alten Bundesländern können sicher auch besser Kopfrechnen. :-)

...zur Antwort