Warum wird der Berliner Mietendeckel kritisiert das ist doch gut wenn die Mieten nicht erhöht werden?

19 Antworten

Der Mietendeckel wird vor allem von Vermietern kritisiert, weil er einen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellt. Normalerweise kann jeder Unternehmer selbst bestimmen, zu welchem Preis er seine Leistung anbieten und der Konsument kann entscheiden, ob er das zu diesem Preis macht oder nicht. Da der Mietendeckel nun für einen wesentlichen Teil des Wohnraums den Preis und die Preissteigerung vorgibt, können Vermieter das nicht mehr selbst entscheiden.

Dazu kommt, dass auch die Investitionen in Wohnraum z.B. Sanierungen oder Umbau, Ausbau, usw. nur noch begrenzt auf Mieter umgelegt werden kann. Zwar ist mit den Umlagemöglichkeiten die es gibt genügend Spielraum für das nötigste an Investitionen da, aber es widerspricht natürlich dem bisherigen Modell, dass man unnötige Luxusmodernisierungen in Masse auf Mieter umlegt und dabei die Mieten explodieren lässt und die Investition schnell wieder zurück kommt.

Ein weiterer Aspekt ist, dass der Mietendeckel das zugrundeliegende Problem nicht löst. In Berlin ist das Grundproblem, dass einfach nicht genügend Wohnungen da sind aber es extrem viele Menschen gibt, die in Berlin wohnen wollen. Wenn es auf einem Markt viele Nachfrager aber nur wenig Angebote gibt, erzeugt das ein Vorteil für die Anbieter (Vermieter), denn sie können ihre Leistung dann zu höheren Preisen anbieten. Der Mietendeckel begrenzt zwar den Preis, aber er wird niemandem helfen schneller eine Wohnung zu finden.

Der Mietendeckel ist nur auf 5 Jahre begrenzt und soll den Bürger*innen eine Verschnaufpause verschaffen. In dieser Zeit muss die Stadt oder auch der Bund, massive Investitionen in öffentlichen Wohnraum tätigen und das Angebot von Wohnungen stark ansteigen lassen.

Schwervelke  06.03.2020, 10:58

Richtig. Aber der Berliner Senat unter dem roten Müller hat Neubau und Wohnraumerschaffung gar nicht im Sinn. Im Gegenteil, gerade wieder wurden 500 bezahlbare Sozialwohnungen an einen privaten Investor verkauft.

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MaxNoir  06.03.2020, 11:04
@Schwervelke

Bei den Wohnungen von denen du sprichst handelt es sich aber nicht um Wohnungen, die sich im Besitz der Stadt Berlin oder einer öffentlich-rechtlichen Wohnungsbaugesellschaft befinden.

Sie befinden sich im Besitz einer privaten Wohnungsbaugesellschaft aus Köln, welche die Wohnungen mit Fördermitteln vor Jahrzehnten errichtet hatte und deshalb gezwungen ist, sie für einen gewissen Zeitraum zu günstigen Preisen anzubieten.

Dieser Zeitraum läuft jetzt aus. Deswegen sollte die HOWOGE als öffentliches Wohnungsbauunternehmen der Stadt Berlin diese Wohnungen kaufen, aber der Eigentümer will wahrscheinlich eher an Deutsche Wohnen verkaufen.

Da sich die fraglichen Objekte alle in einem Milleuschutzgebiet des Bezirks Friedrichshain-Kreuzbergs befinden, kann das Bezirksamt allerdings sein Vorkaufsrecht geltend machen, benötigt dazu aber auch das entsprechende Geld.

Einen aktuellen Trend wo der Senat tatsächlich öffentliche Wohnungen privatisiert gibt es nicht. Erst letztes Jahr hat der Senat in Spandau und Reinickendorf fast 5.000 Wohnungen die mal öffentlich waren, dann privatisiert wurden nun wieder zurückgekauft.

Als Insider der Berliner Landespolitik kann ich dir garantieren, dass man auf jeden Fall nur noch an Rekommunalisierung von Wohnungen interessiert ist. Ein Verkauf öffentlichen Wohneigentums wird nur getätigt, wenn es im konkreten Fall wirtschaftlicher ist oder rechtliche Bedingungen den Verkauf erzwingen.

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Schwervelke  06.03.2020, 11:24
@MaxNoir

Das ist alles zutreffend. Wichtig ist aber nur das Ergebnis. Im moment ist die Lage wenig verheißungsvoll, weder für Mieter, für Vermieter und erst recht nicht für Investoren. Nicht umsonst steigt der Goldpreis.

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MaxNoir  06.03.2020, 11:27
@Schwervelke

Man hat auf jeden Fall viel falsch gemacht, klar. Aber schauen wir mal, ob und wie sich das wieder richten lässt.

Mein Vertrauen in den freien Markt ist in dieser Frage allerdings mehr als beschädigt und ich halte ein Eingreifen der Politik für absolut gerechtfertigt und es könnte von mir aus noch deutlich radikaler sein.

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Schwervelke  06.03.2020, 11:30
@MaxNoir

Viele Wege führen nach Rom. Ich halte mehr von dem freien Spiel der Kräften, mit einem Schutzschild für die Schwächeren der Gesellschaft.

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MaxNoir  06.03.2020, 11:34
@Schwervelke

Der Markt kann ja frei sein. Wenn der Mietendeckel weg ist und Berlin 20.000 neue Wohnungen gebaut hat, ist der Markt frei und Berlin bietet auf diesem freien Markt in Konkurrenz zu anderen soziale Wohnungen an.

In vielen Bereichen ist der freie Markt nichts verwerfliches und absolut zielführend, aber ich verstehe immer nicht wieso das bedeutet, dass der Staat sich mit einem eigenen Unternehmen nicht auch an diesem Markt beteiligen kann. Natürlich nicht mit Bezuschussung unendlicher Steuergelder und nach den normalen Wirtschaftlichkeitsstandards, aber am Ende ist es doch so: Wohnraum anbieten ist keine Raketenwissenschaft, gerade bei einer Stadt wie Berlin wo so viel Zuzug herrscht ist es auch politisch gut, wenn viel Wohnraum öffentlich ist und die Gewinne in dem Bereich sind hoch, d.h. öffentliche Unternehmen können sogar noch für Bildung, Gesundheit, usw. zusätzlich Geld einfahren, ohne dass dadurch der freie Markt angerührt wird.

Und bisher war der Markt ja vor allem auch nur für Vermieter frei, für Mieter ist er unfrei.

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Das Problem ist, dass der Mietendeckel zeitlich begrenzt ist. Sobald er außer Kraft gesetzt ist, könnte es zu einem explosionsartigem Mietanstieg kommen, da die Vermieter die Mieterhöhungen der Mietdeckeljahre aufholen wollen könnten. Irgendwann muss der Mietdeckel auch wieder verschwinden, da der Markt durch den Eingriff sonst immer mehr aus dem Gleichgewicht kommt, je länger der Deckel andauert desto härter wird die Zeit danach.

MaxNoir  06.03.2020, 10:35

Das ist sachlich richtig. Der Mietendeckel - genau so wie der Mindestlohn - ist keine Dauerlösung und sollte auch keine Dauerlösung sein.

Die Stadt Berlin müsste jetzt die nächsten fünf Jahre nutzen, um massiv in den sozialen Wohnungsbau zu investieren, um das Angebot von Wohnungen zu steigern, so dass wenn der Mietendeckel wieder verschwindet, auf der Angebotsseite wieder genügend Auswahl herrscht, so dass Vermieter ihre Mieten nicht massiv steigern können und Bürger*innen Zugriff auf günstigen Wohnraum haben.

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Fuchssprung  06.03.2020, 10:40
@MaxNoir

Leider wird das nicht passieren denn Berlin ist pleite wie jeder weiß. Man hofft also auf die Investoren, denen man gerade ein Messer in den Rücken gestoßen hat.

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MaxNoir  06.03.2020, 10:47
@Fuchssprung

Es ist nicht nur Berlin, dass pleite ist. Ich frage mich tatsächlich immer wieder, wieso Menschen das so sagen, als wäre das eine besondere Eigenschaft dieser Stadt.

So wie es Berlin geht, geht es den allermeisten Kommunen in Deutschland. Berlin hat sogar noch den Vorteil, dass es zumindest einen starken Zuzug von Neubürger*innen gibt und die Stadt nicht schrumpft, was noch größere Löcher in den Haushalt reißen würde.

Als Berliner - und auch jemand der im Verwaltungs- und Politikumfeld tätig ist - bin ich der erste Mensch der zugibt, dass man deutlich besser und effizienter mit dem Steuergeld umgehen kann. Allerdings komme ich bspw. aus einer ostdeutschen Großstadt und dort herrschen genau dieselben Probleme wie hier. Die Steuerpolitik der letzten zwei Jahrzehnte, hat zu massiven Einsparungen in der öffentlichen Verwaltung geführt. Bauämter sind z.T. nur mit der Hälfte der Planstellen besetzt. Große Bauprojekte wie Schulen, Wohnhäuser, usw. können vor allem deswegen nicht umgesetzt werden, weil an allen Ecken und Enden das Personal fehlt und wenn es Personal gibt, dann ist es nicht gut ausgebildet.

Ein erster Schritt wäre, dass man über ein Bundesprogramm langfristig wieder Investitionen tätigt und Kommunen Planungssicherheit bekommen und Wettbewerbsfähigkeit bekommen, bei der Anwerbung von qualifziertem Personal. Das Geld muss ja nicht aus dem Berliner Haushalt kommen, sondern kann ja bspw. aus dem Bundeshaushalt kommen. Das wäre an sich auch angemessen, wenn man betrachtet dass jedes Jahr circa 40.000 Deutsche sich entscheiden von ihrem alten Wohnort nach Berlin zu kommen.

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Lorbano  06.03.2020, 11:13
@MaxNoir

Neuen Wohraum zu schaffen ist die einzige Möglichkeit ein Mietenchaos nach dem Mietendeckel zu verhindern. Was den Umgang mit Steuergeldern angeht stimme ich dir auch zu (auch wenn ich als fachlich unwissender immer nur aus der Presse von verschwendeten Steuergeldern höre).

In allem Ballungsräumen bundesweit müsste deutlich mehr Wohnraum geschaffen werden. Deswegen wäre ein großes Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung sicherlich eine Lösungsmöglichkeit, um zumindsst etwas Druck aus der Lage zu nehmen. Im Gegenzug zu dem bereit gestellten Geld, müssten aber klare Pläne vorgelegt werden, in welche Bauprojekte zu welchen Kosten investiert wird (um eine Verschwendung dieser Gelder zu vermeiden).

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MaxNoir  06.03.2020, 11:20
@Lorbano

Ja, das Problem ist wirklich dass man eigentlich sagen kann, die Leistungsfähigkeit deutscher Kommunen wurde regelrecht kaputtgespart.

In dem Bezirk in dem ich Lebe ist es bspw. so, dass das dortige Bauamt über 130 Projekte auf dem Tisch hat. Nur 58 davon sind derzeit in der Planung oder Umsetzung obwohl das Geld für alle Projekte schon gesichert ist.

Und die Ursache ist wirklich, dass es nicht genügend Personal gibt, dass solche Pläne überhaupt entwerfen kann und dass der Markt im Bereich Bauplanung und Durchführung so übersättigt ist, dass man entweder horrende Preise zahlen muss, wenn man es an private Planungsbüros gibt oder auf Ausschreibungen nicht mal eine einzige Antwort erhält. Und jedes Jahr das verstreicht, wenn ein Bauprojekt nicht umgesetzt wird, legt noch mal 4% an Kostensteigerungen durch steigende Preise drauf. D.h. die jetzige Situation kostet uns durch die Verschleppung langfristig noch mal mehr.

Der gesamte Investitionsstau in Deutschland muss durch ein Nadelöhr gepresst werden, dass einerseits durch die Schuldenbremse und andererseits durch den Personalabbau in den kommunalen Ämtern bedingt ist. Das ist wirklich eine sehr schwierige Situation.

Deswegen ist es auch völlig irre, dass Deutschland die aktuelle Niedrigzinsphase nicht nutzt um wirklich massivste Investionsprogramme aufzulegen mit denen Personal ausgebildet und akquiriert werden kann, mit denen Wettbewerbsfähigkeit für öffentliche Projekte hergestellt werden kann, usw.

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Es ist sehr schlecht für alle Mieter und vor allem für diejenigen die in Zukunft eine Wohnung suchen. Denn wenn du ein Investor wärst, würdest du in Berlin neue Wohnungen bauen, wenn du in anderen Städten sehr viel mehr verdienen könntest weil es dort keine Mietpreisbremse gibt? Vermutlich nicht! So denken alle Investoren und aus diesem Grund werden sie nur noch ihre angefangenen Baustellen vollenden und keine neuen mehr beginnen. Diese Mietpreisbremse hat also nur zur Folge dass sich sämtliche Investoren zurück ziehen und das keine neuen Wohnungen mehr entstehen. Am schlimmsten werden darunter die Mieter leiden. Denn für die Investoren ist das nicht wirklich ein Problem. Die gehen einfach dort hin wo sie gern gesehen sind.

mertkert  06.03.2020, 10:42

Die Investoren werden sich damit verstärkt auf das Luxussegment konzentieren, in dem das Risiko eines Mietendeckels gering ist. Kann man jetzt schon deutlich beobachten, wie es längerfristig sein kann demonstriert das Beispiel Lausanne.

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Das ist schlecht für Vermieter. Die Rendite von Immobilienvermietung sind jetzt schon lächerlich niedrig. Die Sanierungkosten oder Renovierungskosten sind enorm. Ein WC austauschen, die billigste Marke, kostet 800 E. Das sind für manch einen Vermieter 3 Monatseikommen, netto, von der Wohnung, wo WC erneuert werden soll. Abfluss verstopft, Notdienst, kostet 600 E. Elektrik erneuern in einer Wohnung, weil zu alt, kostet gerne in die Tausende.

Wer nur mietet immer, hat keine Ahnung.

Der ist sicherlich sehr gut, weil die Mieten unten bleiben - aus Sicht der Mieter.

Der ist aber nicht gut, weil niemand mehr investiert.

Keine Sau baut mehr Wohnungen, warum auch, wenn man vorgeschrieben bekommt, wie man das zu finanzieren hat? Wär man ja blöd.

Kein Schwein investiert noch in Renovierungen, warum auch, lohnt ja nicht mehr. Was soll man auch noch Schotter ausgeben, wenn man hinterher das nicht entlohnt bekommt? Ohne Renovierungen werden Häuser jedoch abgewohnt und schlechter.

Es müssen jedoch zu den vorhandenen Wohnungen noch weitere her, die jetzt, nachdem man sozialistisch regiert knebelnd in den Markt eingegriffen hat, nicht mehr gebaut werden, weil niemand mehr inverstiert. Selbst bereits in Planung befindliche oder gar mit Genehmigung aber nicht begonnene Baumaßnahmen sind rundweg angesagt worden.

Das bedeutet, auf kurze Sicht etwas Erhohlung für einige, auf lange Sicht jedoch wird dies das Problem noch verschärfen.

Die, die Wohnungen bauen, wrennen derzeit schreiend aus Berlin weg und nein, Enteignung bringt auch nichts, enteignete Wohnungen sind ja schließlich schon da, man braucht aber noch mehr davon.

Sodele, kommt noch weiteres dazu, die, die bislang Wohnungen gebaut haben, also die Arbeiter, was macht man mit denen ohne Aufträge? Richtig...... Und die Zulieferer? Ebenfalls....