Warum können sich die führenden Wirtschaftsforscher so irren?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die meisten Menschen und eben leider auch die meisten Ökonomen haben nicht gemerkt, dass es einen grundsätzlichen unterschied gibt zwischen Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft. Der Unterschied ist:

Für einen einzelnen Betrieb bedeutet weniger Geld ausgeben, dass am Ende mehr Geld in der Kasse ist. Für eine Volkswirtschaft gilt dies gerade nicht (wenn wir mal vom Import/Export absehen). Eine Volkswirtschaft lebt vor allem vom Binnenhandel. Und da gilt: Es wird genau so viel eingenommen wie ausgegeben. Wenn mehr gespart wird, sinken auch die Einnahmen. Wenn die Mindestlöhne hoch sind, wird auch mehr Geld ausgegeben. Das wäre schlimm für einen Betrieb, wenn er zu viel Geld ausgibt. Für eine Volkswirtschaft bedeutet dies aber, dass auch die Einnahmen höher sind.

Dieser Effekt gilt insbesondere für die Wenigverdiener. Denn diese geben praktisch ihren gesamten Lohn wieder aus. Und zwar in Geschäften, die diese zusätzlichen Einnahmen auch wieder ausgeben. So kommt durch die Erhöhung des Mindestlohnes die Volkswirtschaft in Schwung.

Geraldianer 
Fragesteller
 05.08.2022, 13:01

Das ist die keynesianische Volkswirtschaftstheorie. Die hat hier funktioniert, wenn die Einführung des Mindestlohns betrachtet.

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Jetzt belegt eine aktuelle Studie, dass nichts davon eingetroffen ist. Nur einige wenige Kleinstunternehmen, die weniger als 8,50 €/h zahlten, wären nicht mehr konkurrenzfähig gewesen und aufgeben. Zu einem Stellenabbau sei es aber nicht gekommen, die Produktivität hätte sich sogar erhöht.

Da meint jemand, er könnte mit kurzsichtigen Studien irgendetwas nachweisen.

Unternehmen geben als letztes Kostenerhöhungen an den Verbraucher ab. Vorher strebt man alle möglichen Schritte an. So wurden in den letzten Jahrzehnten überall massiv die Reserven rausgenommen. Just-in-Time hat einen völlig neuen Maßstab erreicht. Allgemein die Kurzfristigkeit in der Industrie steigt stetig.

Die Mindestlohnerhöhung, muss schlichtweg irgendwo ihre Spuren hinterlassen haben. Die Betriebskosten steigen.

Zu dem Punkt mit der Produktivität muss ich wenig sagen. Die Nachweismöglichkeiten sind schlichtweg zu mager. Welche Kriterien auch immer berücksichtigt worden sind, ich finde 20 Gegenteilige. Das gilt im Allgemeinen für chaotische Systeme - eine Volkswirtschaft gehört übrigens dazu, weshalb voraussagen auch immer mit großer Vorsicht zu beachten sind. Das gilt aber genauso für etwaige "Studien".

Die meisten befürchteten eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit und die Auslagerung der Produktion ins Ausland.

Stimmt das ist ja die letzten Jahrzehnte auch überhaupt nicht passiert.....

LG

Woher ich das weiß:Hobby – Bewunderer Nietzsches Philosophien.
Geraldianer 
Fragesteller
 05.08.2022, 13:24
Welche Kriterien auch immer berücksichtigt worden sind, ich finde 20 Gegenteilige.

Kannst du mal ein zum Kriterium der Studie (Umsatz relativ zur Zahl der Mitarbeiter) gegenteiliges Kriterium der Produktivität verlinken?

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Tonis9706  05.08.2022, 13:42
@Geraldianer

Hinterlege bitte den entsprechenden Abschnitt in der Studie, auf welchen ich mich anschließend beziehen kann. Dahingehend muss eine Kritik umfassend ausfallen, ansonsten hat das keinen Zweck. LG

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Tonis9706  05.08.2022, 14:11
@Geraldianer

Das ist nun keine wirklich gute Kritik deinerseits.

Die Produktivität lässt sich wie folgt einschätzen und bewerten:

 (Umsatz relativ zur Zahl der Mitarbeiter)

Soweit sind wir einer Meinung. Wogegen richtet sich dein Protest?

Die Studie muss nun einen guten Kausalzusammenhang zwischen der steigenden Produktivität und dem Mindestlohn herstellen, ansonsten bleibt es für einen angehenden Wirtschaftsingenieur "Whataboutism". Dein Argument muss also begründet werden, gerne mit dieser Untersuchung.

Ich habe mal bis Seite 85 gelesen. Ich kann der Studie zumindest dahingehend ein Kompliment geben, dass sie den Anspruch von hohem Erklärwillen hat.

Allgemein finde ich die Arbeit sehr gelungen. Da hat das ZEW gute Arbeit geleistet.

LG

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Geraldianer 
Fragesteller
 05.08.2022, 14:26
@Tonis9706

Ich bezog mich lediglich auf das "gegenteilige". Jede Studie hat Grenzen in Bezug auf den Kausalzusammenhang, es lassen sich nie alle Erklärungen ausblenden. Natürlich muss man eine ganze Reihe von Studien betrachten, um einen besseren Überblick zu bekommen.

Mich stört nur die Empiriefeindlichkeit vieler Ökonomen. Wer Ökonomie als Buchglaube propagiert, hat in meinen Augen keinen Anspruch auf die Bezeichnung Wissenschaft. Selbst die Religionswissenschaft arbeitet heute mit Studien, Ausgrabungen ...

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Tonis9706  05.08.2022, 18:12
@Geraldianer
Selbst die Religionswissenschaft arbeitet heute mit Studien, Ausgrabungen ...

Aber auch deshalb, weil der Wert von Studien Inflationert ist. LG

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Von welcher "aktuellen" Studie sprichst du?...2006?

Warum das so ist? Weil die wenigsten von einem Mindestlohn betroffen sind, sodass es keine gesamtwirtschaftliche Auswirkung hat.

Im Jahr 2019 waren 4,8 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland betroffen.

Zumal der Mindestlohn völlig im Rahmen der Inflation der letzten Jahre steckte.

Er wird für die Wirtschaft erst dann gefährlich, wenn diesen Rahmen sprengt.

Der Kapitalist profitiert nunmal vom Arbeiter (Stichwort: Marx' Mehrwert Theorie).

Sind die Kosten zu hoch, so werden Unternehmen sich nach wo anders verlagern, wie das auch schon jetzt der Fall ist mit Produktionsketten. Schließlich stehen die Unternehmen nicht nur mit den Produkten in Konkurrenz sondern auch z.B Preisen, welche in Teilen, dann billiger sind beim Endverbraucher, wenn man beim Arbeiter einspart. Deshalb gilt ja auch China als so bedrohlich, weil es dort ein anderes Verständnis von Arbeitsentlohnung gibt und sie auf Arbeiterrechte einen Dreck geben.

Sie haben immer noch Recht.

Eine empirische Evidenz reicht nicht aus. Eventuell ist der Zeitraum zu kurz. Vielleicht haben die Unternehmer noch genug Kapital auf Lager um die Preiserhöhung zu dulden. Sind die Preise gestiegen?

Geraldianer 
Fragesteller
 05.08.2022, 12:54
Eine empirische Evidenz reicht nicht aus

Schon klar, wenn die Empirie der Buchreligion widerspricht, dann ist eben die Wirklichkeit falsch. Die empiriefreie Lehre der neoliberalen Nationalökonomie lässt grüßen.^^

Die Daten stammen aus dem Mannheimer Unternehmenspanel, einer auf viele Jahre angelegten empirischen Erhebung.

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LotsOfMoney  05.08.2022, 13:14
@Geraldianer
Schon klar, wenn die Empirie der Buchreligion widerspricht, dann ist eben die Wirklichkeit falsch. Die empiriefreie Lehre der neoliberalen Nationalökonomie lässt grüßen.^^

Komödie ist nicht deins.

Die Daten stammen aus dem Mannheimer Unternehmenspanel, einer auf viele Jahre angelegten empirischen Erhebung.

Nochmal wiederhole ich mich nicht.

Empirismus ist abzulehnen.

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Vielleicht werden sie von Lobbyisten bezahlt.