Wann ist es so richtig in Mode gekommen, dass man auf jedem Foto im Vordergrund sein muss?
Früher gab es manchmal Gruppen- oder Familienfotos, wo man halt mit drauf war und nur wenigen war das überhaupt recht. Abgebildet wurden aber vor allem Kinder und Urlaubslandschaften.
Heutzutage wird die Landschaft oder das Kunstwerk als Hintergrund benutzt und zur Hälfte verdeckt und im Vordergrund steht jemand, der Grimassen schneidet und keine Hemmungen hat.
Wann kam dieser Umschwung? Ist der Selfiestick schuld oder Youtube oder ein anderes Selbstbewusstsein? Oder war es die Digitalkamera statt teuerer Filme?
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Das Ergebnis basiert auf 7 Abstimmungen
4 Antworten
Die Menschen sind geltungsbedürftiger geworden und lichten sich zu allen möglichen und unmöglichen Situationen ab, es wird nicht mal Rücksicht genommen darauf, ob der Anlass passend ist, oder ob man sich vollkommen daneben benimmt, nur weil man ein Foto schießen möchte.
Da gebe ich dir recht, die meisten solcher Bilder, oder Filme werden doch nie mehr von den Leuten angesehen und Du bist so anständig und nimmst Rücksicht.
Das gab es gefühlt schon immer und ich erinnere an langwierige und meist langweilige Dia-Abende, nur nahmen die albernen Gesten seit der 2000 gefühlt zu - weil die Leute da verstärkt der Meinung gewesen sind, man müsse "cool" und "witzig" und "verspielt" rüberkommen und "dürfte das Leben nicht so ernst nehmen" und man müsse es ja anders machen als "die Älteren". Das war auch so dieser Zeitrahmen, in dem oberkitschige Familienfotos oder Pärchenfotos in Mode kamen, die weniger den Moment festhielten und dessen Stimmung, sondern das Ganze in eine Richtung des Klamauks stellen.
Nur ein Beispiel: Neulich zeigten mir Freunde ihr Hochzeitsfoto von 1964; da sieht man eindeutig - ein junges Paar, er 29 und sie 24, heiraten und freuen sich und sie trägt den Strauß zum Kleid und er den Anzug, beide lachen ......... heute wäre das sicherlich kitschig und bunt und gestellt und er würde sie tragen oder sie küssen oder sie würde eine "Verführung" andeuten usw., ich find's dämlich - stamme aber auch aus konservativen Verhältnissen mit sehr dienstlichen Umgangston.
Früher ging es darum, den Moment festzuhalten und heute soll es auch noch cool, witzig, spontan, verspielt und "menschlich" wirken, von wegen "ich bin doch kein steifer Zinnsoldat wie Opa Heinz, der auf den Fotos immer so verknöchert dastand". Da wollen sich die Leute ggf. von der "älteren Generation" abgrenzen.
Noch ein Beispiel wären Abibälle, die ich jedes Jahr beruflich bedingt besuche. Früher war das was Feierliches, heute hat es einen fast volkstümlichen und leichten Besäufnis-Charakter & meinen die Leute, man sei cool und spontan und witzig, wenn man sich wie ein Oberkellner mit Fliege, Hosenträgern und ausgewaschenen Jeans anzieht - das ist auch so eine Sache, die zwar jeder für sich entscheiden muss, die ich aber nicht gut finde.
Die gestellten Fotos kenne ich, aber noch weiter vorher ging es um reine Erinnerungen. Aber bei diesen Fotos machen andere die Bilder. Ich dachte nicht, dass es nötig wäre, das drastischer zu formulieren als "dass man auf jedem Foto im Vordergrund sein muss?". "man" und nicht "jemand" oder "Menschen". Sondern der Fotograf selbst. Der war auf keinem der Hochzeitsfotos. Das wäre fast ein Skandal gewesen.
Ach, das war doch eigentlich schon immer so. Früher gab es die Dia-Abende, zu denen man eingeladen wurde. Urlaubsbilder aus dem unbekannten Ausland sollten gezeigt werden. Was sah man: Vattern im Vordergrund, Muttern im Vordergrund, immer und immer auf fast allen Bildern. Aber wo waren die Landschaften, wo war das Meer, wo waren die kunstvollen Gebäude? Nix ca, nur die Gastgeber. Da geht man ein Mal hin und nie wieder. Aber dann meckern bei Vorträgen, wo man selbst nicht im Vordergrund war bzw. überhaupt keine Menschen. "Ja, hast du denn nie mal Bilder von dir gemacht?!" Was heute noch dazu kommt, ist dieses unendlich alberne Gehabe vor der Kamera.
Nun gut, da habe ich andere Dias sehen dürfen als du, aber "Vattern im Vordergrund, Muttern ..." haben sich gegenseitig, aber niemals selbst geknipst und statt Victory-Zeichen haben sie oftmals abwehrende Gesten gemacht, weil ihnen die Fotos peinlich waren.
Stimmt nicht. Meine Reisefotos sehen z.B. so aus wie hier Funchal (Madeira):
Ja, so sahen meine Fotos früher auch aus, nur wäre ich hinter das Motorrad gegangen, damit es nicht 25% vom Bild wegnimmt.
Sie nehmen auch keine Rücksicht darauf, ob andere gefilmt werden wollen. Neulich ist erst ein gemischtes Pärchen durch die Innenstadt gelaufen und die vietnamesische Dame hat die gesamte Stecke die Kamera vor dem Bauch gehabt und die Fußgängerzone abgefilmt. Hab gar nicht zu überholen gewagt. Erstens weil ich zur Rücksichtnahme erzogen wurde und keine Bilder stören soll und zweitens weil ich nicht mit auf den Film will, der dann ins Internet gestellt wird. Auf solche Ideen würde ich nie kommen!