Wäre eine Abschaffung des Rundfunkbeitrags verfassungsrechtlich zulässig?

5 Antworten

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Die Abschaffung des Rundfunkbeitrags wäre nach der Rechtsprechung des BVerfG eindeutig verfassungswidrig. Dann könnte der ör Rundfunk nämlich nicht mehr finanziert werden, da eine Alternativfinanzierung verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist. Der Rundfunkbeitrag muss daher grundsätzlich für jede Wohnung/Haushalt einmal bezahlt werden.

Die ör Rundfunkanstalten sind nach den Erfahrungen mit dem Propagandainstrument des Reichsrundfunks der Nazis nach dem 2. Weltkrieg von den Alliierten nach dem Vorbild der BBC geschaffen worden. Sie sollen nach unserer Verfassung unabhängig von Staat und Wirtschaft die Grundversorgung der Bevölkerung mit Information, Bildung und Unterhaltung sicherstellen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (s. zuletzt: Beschluss vom 20.07.2021 -1 BvR 2756/20, 2775/20 und 2777/20 mit weiteren Verweisen) sind sie die Voraussetzung dafür, dass die privaten Rundfunkveranstalter überhaupt senden dürfen. Auf die ör Programme kann nach BVerfG gerade in Zeiten von Fakenews nicht verzichtet werden. Denn sie sind mit ihrem hohen Info-Anteil von fast 50% und ihrer Objektivität und Neutralität, zu der sie kraft Gesetzes verpflichtet sind, unverzichtbar. Außerdem berücksichtigen sie Minderheiten im Programm. All dies ist bei den privaten Sendern - seien sie durch Werbung oder Abos finanziert – grundsätzlich nicht der Fall, weil sie vor allem Geld verdienen wollen und müssen und daher im wesentlichen nur massenattraktive Programme für Leute unter 50 Jahren – dem sog. konsumfreudigen Bevölkerungsanteil - bieten. Dagegen arbeiten die ör Sender gemeinnützig und sind nach BVerfG ein wichtiger Grundpfeiler unserer Demokratie. Dafür muss jeder Haushalt mit dem Rundfunkbeitrag einen Solidarbeitrag leisten.

Der Rundfunkbeitrag ist rechtlich keine Steuer, sondern, wie der Name schon sagt, ein Beitrag. Dieser wird für die bloße Möglichkeit der Nutzung eines Angebots erhoben, hier der Nutzung ör Programme innerhalb der Wohnung.

Da der ör Rundfunk somit zwingend erforderlich ist, muss er auch finanziert werden. Daher haben die dafür zuständigen Länder jedem Haushalt die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags auferlegt. Eine Finanzierung durch Steuern oder ausschließlich über Werbung ist unzulässig, da dann eine Abhängigkeit von Politik oder Wirtschaft entstehen würde. Auch ein Abomodell scheidet aus, weil es sich beim ör Rundfunk notwendigerweise um ein Programm für alle und nicht nur für Abonnenten handelt.

Dass die bekannte Rechtspartei die Abschaffung des Rundfunkbeitrags fordert, hat mehrere Gründe:

  1. Die objektiven Informationen des ör Rundfunks sind ihr unangenehm, weil dadurch aufgedeckt wird, dass sie rechtsradikales Gedankengut fördert und vom Verfassungsschutz entsprechend eingestuft wird. Außerdem setzt der ör Rundfunk Fakten gegen Fakenews und Querdenkertum.
  2. Die Abschaffung des Rundfunkbeitrags zu fordern ist einfach populär, weil viele die finanzielle Belastung dadurch zu verlieren hoffen.
  3. Statt des ör Rundfunks soll ein staatlicher Rundfunk einführen, der dann in verfassungswidriger Weise durch Steuern finanziert werden soll. Dieser dann staatliche Rundfunk würde, weil dann ja die Partei in der Regierung das Sagen hätte, nur noch allein deren Propaganda verbreiten. Dann wären wir wieder beim "Reichsrundfunk".
Woher ich das weiß:Berufserfahrung

GuenterLeipzig  06.07.2023, 12:39

Das wäre nur dann richtig, wenn der ÖRR auch ausgewogen berichtet, wie es der Rundfunkstaatsvertrag vorschreibt.

Dem ist aber nicht der Fall.

Insofern ist obige Argumentation nichtig.

https://www.youtube.com/watch?v=0fInTjgqZjc

P.S: In Frankreich ist der Rundfunk steuerfinanziert.

Eine andere Möglichkeit wäre, die Programme unter eine Pay-Schranke zu legen, für diejenigen, die sich dafür interessieren.

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gorbi210  09.07.2023, 12:01
@GuenterLeipzig

Alle deine Alternativen sind schlicht verfassungswidrig. Das BVerfG hat zur Frage der Objektivität offensichtlich eine andere Auffassung als du. Und die des BVerfG ist momentan für die zuständigen Landesgesetzgeber maßgebend.

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IHMO wäre es def. möglich da sich das vollkommen auf Art 5 GG "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet." stützt, etwas was schon längst auch ohne einen ÖR Rundfunk gegeben ist.

ALLERDINGS ist die aktuelle Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes anders, was auch mit den individuellen Lebensbild der dortigen Richter zutun hat die die aktuelle Lage "altersgerecht" interpretieren. Es werden jüngere nachkommen die zu einem anderen Urteil kommen.

MEINER Meinung nach haben wir inzwischen eine 180 grad gedrehte situation zu z.B. 1960. Damals gab es nur den ÖR für Bewegtbildmedien, aber hunderte Zeitungsverleger. Inzwischen gibt es tausende voneinander unabhänigen Bewegtbildquellen, aber nur noch wenige Großverlage die den Zeitungsmarkt beherschen. Unterm Strich müsste es eher eine ÖR Zeitung geben wie einen ÖR Rundfunk. Die Frage ist ob man Bewegtbild und Papierberichterstattung überhaupt trennen sollte. Ich denke nein, und damit gäbe es überhaupt keine gesetzliche verpflichtung für Irgrendwas.

INSB. aber stützt sich wie gesagt alles auf Art. 5... es gibt ÜBERHAUPT keine gesetzliche grundlage für eine Grundversorgung außerhalb dem Bereich News. Das sind alles alte Interpretationen noch älterer Richter. Es wird sich ändern mit der Zeit.

Wäre es. Es wäre aber nicht gut für die Demokratie in unserem Land, weil dann die Meinungen und Informationen nur noch von privaten mit privaten Interessen verbreitet werden, siehe USA. Und alle drei Minuten grauenvolle Werbespots. Erschreckend öde.


MaxSchnellsch 
Fragesteller
 05.07.2023, 12:26

Ich habe mal irgendwo gehört, das BVerfG habe aus den Gründen die du schon nennst entschieden, dass der Ö-Funk für alle zugänglich sein müsse und eine Privatisierung, Auflösung oder was auch immer verfassungswidrig sei. Jedoch konnte ich diese Entscheidung nirgends finden, weshalb ich hier in die Runde gefragt habe.

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SeniorSteward  05.07.2023, 12:39
@Ziegelstein43

Nun, es fragt sich, welche irre Mehrheit sich irgendwann finden könnte um die Verfassung zu ändern. Ich hoffe nicht, dass die Faschisten der AgD so jemals die Macht erringen. Ab 2065 wäre es mir egal.

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geheim007b  06.07.2023, 12:54
@SeniorSteward

Es braucht keiner änderung der Verfassung, nur eine Anwendung auf die aktuellen Gegebenheiten die sich in den letzten 60 Jahren massiv geändert haben.

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Bestimmt. Wenn sich eine alternative Finanzierung findet die den Rundfunk unabhängig vom Wohlwollen irgendwelcher Akteure (Politik, Wirtschaft, ...) ermöglicht.

Ja, wäre es:

Denn viele Zuschauer im Ausland kann man nicht zur Kasse bitten. Also ist es Ungleichbehandlung. Außerdem ist es keine Fernsehgebühr, sondern eine Lohnsteuer. Weil nur jene zahlen sollen, die selbst Geld verdienen. Vater Staat will Arbeitslosen nicht ihre Fernsehgebühren bezahlen müssen.

Daher ist der Rundfunkbeitrag an sich in mehreren Punkten ein Skandal und eine Farce.

Denn wann immer es um den Rundfunkbeitrag geht, wird diese immernoch von einem Teil der Bevölkerung abgelehnt.

Auch wirft es die Frage auf, warum man Leute zwingen will für etwas zu zahlen, was sie nicht nutzen und auch nicht konsumieren wollen. Aber Vater Staat hingegen sich weigern kann für diese TV-Gebühr zu zahlen.

Die öffentlich-rechtlichen gucke ich generell nicht, und damit bin ich bei weitem nicht der Einzige. Die Privatsender sind auch einfach viel besser. Von daher würde es kaum Jemanden auffallen, wenn stattdessen eine Paywall gemacht werden würde, wo Jeder selbst entscheiden kann, ob er für etwas zahlen will.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

MaxSchnellsch 
Fragesteller
 05.07.2023, 21:24

Das verfehlt das Thema. Ich habe nicht nach subjektiven Meinungen oder dem persönlichen Nutzungsverhalten gefragt, sondern nach einer verfassungsrechtlichen juristischen Einschätzung.

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Anonymer1Alfred  05.07.2023, 21:45
@MaxSchnellsch

Ich hab doch mehrere dazu passende Punkte aufgezählt:

In erster Linie Ungleichbehandlung:

  • Leute im Ausland müssen nicht zahlen
  • Arbeitslose müssen nicht zahlen
  • und damit verbunden: Vater Staat muss nicht zahlen

Außerdem ist es ja somit gar keine Rundfunkgebühr, sondern eine Lohnsteuer, wenn nur arbeitende Menschen zahlen sollen. Und damit macht sich der Rundfunkbeitrag leicht angreifbar.

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