Versteht jemand diesen Text von Max Horkheimer?

6 Antworten

Vorurteile haben zunächst mal eine positive Funktion, die evolutionär sich als überlebensnotwendig erwiesen hat: Wenn nachts ein unbekannter Hund auf mich zuläuft, hilft mir das Vorurteil "Hunde beißen", das Richtige zu tun, nämlich vorsichtig und misstrauisch zu sein. Wenn ich mit ihm naiv und vertrauensselig spielen wollte, wäre das keine gute Strategie. Genauso: Begegnet mir nachts eine Gruppe junge Männer, bin ich vorsichtiger (Vorurteil!), als wenn mir eine Gruppe Seniorinnen begegnet. Das Vorurteil senkt mein Risiko.

Erst in einem zweiten Schritt lockere ich die Generalisierung. Ich lerne den Hund kennen und sehe dann, dass er vielleicht harmlos ist. Dann sollte mich das Vorurteil nicht mehr hindern, mit ihm zu spielen.

Ich verstehe das ganz einfach so, dass man Vorurteile braucht, um eine Situation schnell einschätzen zu können. Man muss diese Vorurteile aber auch erkennen und anpassen können. Man muss wissen, wann man sie anwenden kann und wann nicht.

Bin aber kein Philosoph.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Sprachgefühl, Schule und vor allem Lernen von GF!

Vorurteile sind quasi wie eine Axt im gefrorenen Meer unserer Unweitsichtigkeit. Ein Wegbereiter dort, wo es keine Wege für den Verstand des Kleingeistigen gibt.

Ottavio  31.10.2019, 20:05

Einen Text zu erklären heißt nicht, einen noch schwerer verständlichen an seine Stelle zu setzen.

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Tamtamy  31.10.2019, 20:06

Axt im gefrorenen Meer ... - ist das nicht von Kafka entliehen?

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derJM  31.10.2019, 20:09
@Tamtamy

Kafka, Stuckrad-Barre, ich - diese Formulierung nutzen all die großen Denker

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Tamtamy  31.10.2019, 20:09
@derJM

Naja, von Kant habe ich das noch nicht gelesen.

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derJM  31.10.2019, 20:10
@Tamtamy

Kant kommt an die drei genannten auch kaum ran

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Der Mensch kommt grundsätzlich nicht ohne Vorurteile aus. Wenn ich über die Straße gehe, gehe ich davon aus, dass Verkehrsteilnehmer auf der jeweils rechten Straßenseite fahren. Das ist aber ein Vorurteil, denn jenseits des Kanals benutzen sie die linke. Wenn ich Kunden berate, gehe ich davon aus, dass sie den Geschmack haben, den ich von Kunden gewohnt bin. das ist aber ein Vorurteil, denn Kunden ändern ihren Geschmack. Wenn ich nicht auf Vorurteile zurückgreifen könnte, würde das mir mein Leben sehr erschweren. Ich muss sie aber immer wieder überprüfen, denn sie können leicht zu Fehlurteilen werden. Das Fehlurteil liegt in der falschen Generalisierung, der falschen Verallgemeinerung.

'Vorurteile' werden hier in einem allgemeineren Sinne verstanden, so in der Art von 'Erfahrungswerten', die helfen, in Routinesituationen schnell orientiert zu sein, indem man seine Erwartungen danach richtet, wie diese Situation verlaufen wird.

Sich darauf aber ausschließlich darauf zu verlassen, wäre natürlich eine naive "Übergeneralisierung", die fatale Folgen haben kann.

PWolff  31.10.2019, 20:50

Aus diesem Grund unterscheidet auch ein Autor zwischen "Vorurteilen" und "Vorausurteilen" ( das, was hier genannt wird, sind nach seiner Definition Vorausurteile.) (Schimansky, Gerd: Vorurteile.)

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