Titration von Ethylparaben?
Hallo, wie kommt man hier auf die Lösungen?
Bei d) soll 17,96 ml herauskommen und bei e) 0,123%
1 Antwort
Seufz, das hatten wir schon mal, damals sind wir auf keine ganz befriedigende Lösung gekommen; mal sehen, wie es heute geht. Ich teile die Antwort in drei Abschnitte auf: Im ersten klären wir, welche chemischen Reaktionen da eigentlich ablaufen, im zweiten rechnen wir das stöchiometrisch durch, und im dritten lösen wir mit dem gewonnen Wissen die Aufgabe.
In Deinem Fragentitel schreibst Du von Ethylparaben, aber in Deinen abphotographierten und verdreht eingebundenen, nahezu unlesbaren Angaben ist immer von Butylparaben die Rede. Also nehme ich an, daß Du den Butylvogel haben willst.
—————————————————
Als erstes überlegen wir uns mal genau, was während dieser ganzen Bestimmung eigentlich chemisch passiert. Butylparaben ist der Butylester von p-Hydroxybenzoesäure (M=194.23 g/mol). Zuerst wird das Zeug alkalisch hydrolysiert, dabei bildet sich neben Butanol die freie p-Hydroxybenzoesäure (bzw. vor dem Ansäuern das zugehörige Anion). Danach kommt ein Riesenhaufen Bromid und eine genau abgemessene Menge Bromat dazu, und es wird mit viel Schwefelsäure angesäuert.
Im Sauren reagieren Bromat und Bromid glatt zu Brom:
BrO₃¯ + 5 Br¯ + 6 H₃O⁺ ⟶ 3 Br₃ + 9 H₂O
wobei wir pro Bromat genau drei Br₂-Moleküle bekommen. Dieses Brom reagiert dann mit der p-Hydroxybenzoesäure unter Bildung von 2,4,6-Tribromphenol:
C₆H₄(OH)(COOH) + 3 Br₂ ⟶ C₆H₂Br₃(OH) + CO₂ + 3 HBr
wobei das nur eine Schätzung von mir ist, ich weiß es nicht genau, und wenn es nicht stimmt ist, dann ist meine Rechnung fürn Popo. Mein Argument ist, daß ich mich düster erinnere, daß Salicylsäure (also o-Hydroxybenzoesäure) genau so reagiert, und ich sehe nicht, warum das bei der p-Verbindung anders sein sollte.
Man sieht, daß ein Molekül Paraben letztlich drei Brommoleküle verbraucht.
Zuletzt wird das noch vorhandene Brom per Iodidzugabe zu Iod konvertiert und das Iod wie gewöhnlich mit Thiosulfat titriert:
Br₂ + 2 I¯ ⟶ I₂ + 2 Br¯
I₂ + 2 S₂O₃²¯ ⟶ 2 I¯ + S₄O₆²¯
Das nächste Problem sind Deine vorsintflutlichen Konzentrationsangaben, die ich nicht lesen kann, ohne daß bei mir diverse Hautkrankheiten an unnennbaren Körperstellen ausbrechen. Die meisten sind für die Rechnung irrelevant, aber ein paar brauchen wir dann doch:
- Du setzt 20 ml KBrO₃-Lösung ein, deren Konzentration als 0.024 N angegeben ist. Halt mir die Daumen, daß meine Interpretation als 0.004 mol/l richtig ist.
- Titriert wird mit einer Thiosulfat-Lösung, und ich rate, daß 0.025 N soviel heißt wie 0.025 mol/l.
- Wenn eine dieser Rateübungen danebengegangen sein sollte, dann sind meine Rechnungen fürn Popo, und die Moral von der Geschichte ist, daß die Pharmazeuten grauenvolle Einheiten verwenden und sich schämen sollen
———————————————————
Nach all diesen Präliminarien können wir uns der Rechnung widmen. Die Stoffmenge Bromat in unserer Suppe beträgt n(BrO₃¯)=cV=0.08 mmol. Daraus wird dreimal soviel Brom, also n₀(Br₂)=0.24 mmol Br₂. Wir wissen zwar noch nicht, wieviel Paraben in der Suppe enthalten war, aber wird können diese Quantität nₓ nennen; dann frißt das Paraben 3nₓ Br₂-Moleküle, also bleibt nach der Reaktion des Broms mit dem Paraben n(Br₂)=0.24−3nₓ Brom übrig, woraus durch die KI-Zugabe ebensoviel Iod wird. Zuletzt verbrauchen wir V ml der Thiosulfat-Lösung, also n(S₂O₃²¯)=cV=0.025V, und laut Reaktionsgleichung ist das genau die doppelte Stoffmenge des I₂. Also schreiben wir das alles an und lösen nach nₓ auf:
2n(I₂) = n(S₂O₃²¯)
0.48 − 6nₓ = 0.025V
nₓ = ⅙(0.48 − 0.025V)
mₓ = nₓ⋅Mₓ = ⅙(0.48 − 0.025V) ⋅ 194.23 = 15.538 − 0.8093V
V = 19.2 − 1.2356 mₓ
Die zweite Gleichung kann man auch so verstehen: Wenn die Creme überhaupt kein Paraben enthält, dann verbraucht man bei der Titration 19.2 ml Thiosulfat. Für jedes Milligramm Paraben in der Probe verbraucht man 1.2356 ml weniger als 19.2 ml.
Damit haben wir also den Zusammenhang zwischen der Massen an Paraben in der Probe (mₓ, angegeben in mg) und dem Verbrauch an Thiosulfat-Lösung (V, angegeben in ml) hergestellt. Das kann man natürlich auch allgeeiner und sauberer anschreiben
und in dieser Form hat es den Vorteil, daß es auch für andere Konzentrationen gilt, und für sogar andere Parabene (dann setzt Du für Mₓ irgendeine andere molare Masse ein), solange nur die Prozedur der Bestimmung dieselbe ist.
————————————————————
Jetzt haben wir die Rechnung hinter uns und können die Früchte unserer Arbeit genießen.
Aufgabe (a) will wissen, wieviel Maßlösung wir verbrauchen, wenn wir 1 g einer Referenzcreme mit 1‰ Paraben verwenden. In diesem Fall ist genau 1 mg Paraben enthalten, wir setzen ein und bekommen V = 19.2 − 1.2356 = 17.96 ml.
Aufgabe (b) hat drei verschiedene Einwaagen (m₁=1.003 g, m₂=0.996 g, m₃=1.025 g) und die zugehörigen Verbrauche, V₁=16.3 ml, V₂=16.6 ml, V₃=15.9 ml. Mit der obenstehenden Formel erhalten wir als Massen in den Proben mₓ₁ = 15.538−0.8093⋅16.3=2.35 mg, mₓ₂=2.10 mg und mₓ₃=2.67 mg. Daraus können wir wiederum die Massenanteile berechnen: w₁=mₓ₁/m₁=2.34‰, w₂=2.11‰ und w₃=2.60‰. Der Mittelwert, w=2.35‰, ist das Endresultat — die Streuung ist mit 0.25‰ allerdings abartig hoch.
Und wie schon beim letzten Mal mit einer ähnlichen Aufgabenstellung bleiben Zweifel, ob ich das richtig gerechnet habe. Denn bei Aufgabe (a) bekomme ich heraus, was Du haben willst; bei Aufgabe (b) aber mehr als doppelt soviel Paraben wie Du als Lösung angibst. Da ich aber beide Male dieselbe Formel verwendet habe, ist es schwer zu verstehen, warum die Resultate einmal stimmen und einmal nicht. Wie sicher bist Du Dir, daß Deine Musterlösungen stimmen?