Thomas S Kuhn& Karl.R Popper?

2 Antworten

In einem waren sich Popper und Kuhn einig. Das ist die Ablehnung des wissenschaftlichen Positivismus. Mehr oder weniger offen gingen die meisten Vertreter des klassischen Empirismus von einer materiellen Außenwelt aus, die auf die Sinnesorgane einwirkt und im menschlichen Bewusstsein Erkenntnisprozesse in Gang setzt. Aus den Beobachtungen und Sinneswahrnehmungen werden dann per Indukion Theorien hergeleitet.

Popper:

„Nach unserer Auffassung aber gibt es keine Induktion. Der Schluss von den durch >Erfahrung< [was immer wir auch mit diesem Worte meinen] verifizierten besonderen Aussagen auf die Theorie ist logisch unzulässig, Theorien sind somit niemals empirisch verifizierbar.“

Popper geht daher in entgegengesetzter Richtung vor: vom Allgemeinen zum Besonderen. Ein Forscher denkt sich somit eine Theorie oder Hypothese aus, wie ein Problem in der Wissenschaft geklärt werden könnte, und deduziert daraus besondere Sätze, Tatsachenaussagen, die logisch aus der Hypothese folgen. Diese Schlüsse oder Vorhersagen aus einer Hypothese müssen überprüf- und widerlegbar sein. Das ist das Prinzip der Falsifizierbarkeit. Dann machen sich diverse Wissenschaftler daran, die Vorhersagen zu widerlegen. Gelingt das nicht, kann man daraus zwar immer noch nicht schließen, dass eine Hypothese oder Theorie mit Sicherheit richtig ist, aber man kann immerhin sagen, dass sie nach den bisherigen Erkenntnissen nicht falsch ist. Popper:

„Ein empirischwissenschaftliches System muß an der Erfahrung scheitern können.“

Auch Thomas Kuhn ist ein Gegner des Induktivismus und sieht die Theorien als Erfindungen der jeweiligen Wissenschaftler, die so versuchen, Erklärungen für Phänomene zu finden.

Dann fangen aber die gegensätzlichen Auffassungen an, wenn man weiter in die Tiefe geht. Popper sieht die Wissenschaft objektiv und losgelöst von den jeweiligen Wissenschaftlern und ausschließlich der Logik unterworfen. Dem widerspricht Kuhn und sagt, dass die jeweiligen Ergebnisse der Wissenschaft nie von dem jeweiligen Wissenschaftler und dessen psychologischen und sozialen Disposition getrennt betrachtet werden können.

Vor allem kritisiert Kuhn an der Theorie Poppers, dass dieser den gesamten Bereich der Normalwissenschaft ausklammern würde. An der generellen Definiton von Popper, was Forschung sei, nämlich das Aufstellen und Überprüfen von Sätzen, Hypothesen und Theorien, hat Kuhn nichts zu einzuwenden.

Die Normalwissenschaftler, die täglich zu tausenden weltweit ihrer Arbeit nachgehen, nehmen die allgemein anerkannten grundlegenden Theorien und Annahmen, die man zu dem Begriff Paradigma zusammenfassen kann, einfach als gegeben hin. Auf dieser Grundlage betreiben sie dann ihre Forschung an Detailfragen zu diesen Paradigmen. Keiner dieser Normalwissenschaftler käme auf die Idee nachweisen zu wollen, dass z.B. die Relativitätstheorie oder die Evolutiuonstheorie falsch sind, also Falsifikation im Sinne Poppers zu betreiben. Aber dennoch müsse man sie als Wissenschaftler ernst nehmen und gegen die Nichtwissenschaften und Pseudowissenschaften abgrenzen, was Popper nicht täte. Wenn nun einem dieser Normalwissenschaftler im Rahmen seiner Forschung ein Widerspruch zu einem Paradigma auffiele, müsse man nicht zuerst daran denken, dass das Paradigma falsch sein, sondern dann müsse man zuerst vermuten, dass der Wissenschaftler einen Fehler gemacht habe.

Kuhn: „Meiner Ansicht nach hat also Sir Karl das ganze wissenschaftliche Unternehmen in einer Weise charakterisiert, wie sie eigentlich nur auf die Wissenschaft der revolutionären Perioden paßt. […]. Sir Karl wäre nicht der erste, der das, was ich als Normalwissenschaft bezeichnet habe, für ein in sich uninteressantes Unternehmen hält.“

Damit wären wir bei den „revolutionären“ Phasen der Wissenschaft angekommen, die nur alle paar Jahrzehnte auftreten. Da werden dann durch einzelne Genies ganz neue Theorien aufgestellt, die alles bisherige über den Haufen werfen. Beipiele wären Galileo oder Einstein und in moderner Zeit Ilya Prigogine, der mit seiner Theorie dissipativer Strukturen, für die er 1977 den Nobelpreis erhielt, die größte wissenschaftliche Revolution seit Newton eingeleitet hat. Nur hier könne man laut Kuhn mit den Prinzipien der Falsifizierbarkeit arbeiten und auch das nur mit Einschränkungen, bevor dann die alten Paradigmen über Bord geworfen und durch ein neues Paradigma ersetzt wird.

Popper reagierte auf die Kritik Kuhns auf zweierlei Art und Weise. So zeigte er, dass eine ganze Reihe von Kuhns Annahmen und Schlüsse ziemlich abwegig seien. So sei z.B die Abgrenzung zwischen Normalwissenschaft und revolutionärer Forschung bei weitem nicht so klar, wie Kuhn das vorgibt.

Er greift auch Kuhn persönlich an, indem er ihm vorwirft, den Normalwissenschaftler mit seiner Trennung zum reinen Dogmatismen und unkritischen Denker zu degradieren, der für keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn sorgen würde. Popper kritisiert, dass laut Kuhn:

„Der Erfolg des Normalwissenschaftlers besteht bloß darin, daß gezeigt wird: Die geltende Theorie kann sauber und befriedigend angewendet werden, um eine Lösung des fraglichen Rätsels zu finden.“

Desweiteren kritiseirt Popper, dass die klare Aufteilung in Perioden der revolutionären und der Normalwissenschaft Blödsinn sei, denn die Übergänge seien fließend.

Auch die Ablehnung der reinen Logik und stattdessen die Zusammenhänge zwischen Erkenntnis und sozialer und psychologischer Disposition des Wissenschaftlers, die Kuhn herstellt, kritisiert Popper scharf. Denn für Popper steht die Wahrheit in keinem relativen Bezug zur Forschung, sie ist vielmehr als etwas Absolutes zu betrachten. Es ist somit möglich, den eigenen Rahmen zu durchbrechen und einen neuen einzuführen bzw. zu betreten. „Der springende Punkt ist, daß die kritische Auseinandersetzung und der Vergleich der verschiedenen Rahmen jederzeit möglich ist.“

Es können somit laut Popper doch logische Argumente angesetzt werden, Grundannahmen überprüft und aufgrund von Falsifikation verworfen werden. Es ist kein leichtes Unterfangen, und wie die Unterscheidung zwischen angewandtem und reinem Wissenschaftler zeigt, ist sie schwierig, aber eben nicht unmöglich. Revolutionen in der Wissenschaft sind somit nicht irrational, sondern logisch erklär- und nachvollziehbar. Popper:

„Ich habe in der Tat bei anderen Gelegenheit schon erklärt, daß die 'wissenschaftliche Erkenntnis' als subjektlos gelten darf. […] Erstrebt wird, Theorien zu finden, die im Lichte der kritischen Auseinandersetzung der Wahrheit näher kommen."

So, ich hoffe, ich konnte einen kurzen Überblick darstellen, der etwas mehr Licht in dein Internetdunkel bringt.

Waliyah07 
Fragesteller
 21.03.2021, 13:58

Dankeeee dir..Kannst du mir auch etwas zu Feyerabend und seiner Kritik zu Kuhn etwas erzählen?

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Techsopac  19.05.2021, 17:14

Aus welchem Buch hast du fie Aussagen von Popper?

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Hamburger02  19.05.2021, 21:49
@Techsopac

Die stammen aus den Veröffentlichungen „Die Normalwissenschaft und ihre Gefahren“ sowie aus "Logik der Forschung".

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