Sollte Schule Mathematik grundlegender lehren?

4 Antworten

In den siebziger Jahren gab es mal den Ansatz, den Mathematikunterricht von der Grundschule an grundlegend zu verändern. Natürlich wurde auch damals in der Grundschule gerechnet, aber begonnen wurde mit elementarer Mengenlehre, Relationen, alles sehr kindgerecht, mit Plättchen sortieren, gab damals sogar ein Ravensburger Spiel "Lustige Mengenlehre". Rechnen kam dann ein wenig später, aber auch das z. B. mit Hilfe der (schon länger verwendeten) Cuisenaire-Stäbchen.

"Der Rechenunterricht erfährt zur Zeit eine tiefgreifende Wandlung. Das rechnerische Nachdenken und Schlußfolgern soll nicht mehr in den engen Bahnen herkömmlicher Rechnungsarten verlaufen, sondern breitere Grundlagen erhalten. Kombinieren, Ordnen, Überschauen ganzer Gruppen, Herausfinden von Gesetzmäßigkeiten und Ordnungsprinzipien sollen weit mehr und von den Anfangsgründen an ein Gegenstand des Unterrichts sein, während früher mehr die Rechenfertigkeit im Mittelpunkt des Rechenunterrichts stand. „Lustige Mengenlehre" ist ein Spiel, das sich in leichter, spielerischer aber folgerichtiger Weise mit den allerersten und leichtesten Denkschritten befaßt, die im Rahmen des modernen Rechenunterrichts vorkommen. Kindern fällt es nicht schwer, und wenn Eltern sich am Spiel beteiligen, werden sie besser verstehen, mit welcher Art von „Nachdenken" sich ihr Kind in der Schule beschäftigt."

So steht das in der Beschreibung des genannten Spiels von Ravensburger.

Der Protest bei den Eltern war legendär, der Versuch wurde nach ein paar Jahren abgebrochen, die Kinder sollten keine Zeit mit solchem Schnickschnack vertrödeln, sondern das lernen, was sie später einmal brauchen.

So ist das geblieben.


Littlethought  03.07.2025, 18:12

Damals war noch nicht bekannt, dass das Rechnen mit Zahlen im Sprachzentrum stattfindet. Die Plättchen und dieses Zeug waren also pädagogisch völliger Unsinn.
Ich bin in meiner Grundschulzeit auch damit konfrontiert worden.
Aber ich habe auch noch zunächst auf Schiefertafel und später mit Federhalter und Tintenfaß Sütterlinschrift gelernt. Beim Lesen von Grundbüchern war das später sogar hilfreich.

FataMorgana2010  03.07.2025, 19:17
@Littlethought

Es ging ja auch gerade nicht um das Rechnen mit Zahlen, sondern eben um die Abstraktion, die trainiert werden sollte. Ich fand es super. Und Sütterlin habe ich auch gelernt.

Littlethought  03.07.2025, 19:30
@FataMorgana2010

Zu meiner Zeit wurden die Plättchen zum Rechnenlernen verwendet und teilweise wird das noch immer gemacht. Die von dir angeführte Abstraktion wären die Axiome (Rechengesetze der Mathematik) und diese können zwar anschaulich dargestellt werden, aber eigentlich müssen sie nur wie Spielregeln gelernt werden, denn sie sind nicht zwingend. Das Spiel von Ravensburg hat das wohl vermittelt. Das als Abstraktion zu bezeichnen ist mir neu. Mathematik aber als Spiel aller möglichen Spiele anzusehen, entspricht meiner Auffassung.

Im Unterricht solltes es primär um Verständnis gehen. Das ist nun leider aber nicht jedem gegeben. Und als Notlösung werden dann Formeln "in den Kopp gekloppt", und kein Wunder, dass man dann Mathematik für vollkommen unverständlich hält. Und dann kommt die Rechtfertigung : "Das brauche ich im Leben nie wieder!", wobei es eben nicht um Inhalte, sondern um Fähigkeiten geht.

Mathe sollte in der Schule weitaus stärker vertreten sein. In der Mathematik lernt man die eigentliche Logik, das eigentliche abstrakte Denken, das Strukturelle, das Konzeptionelle, die Unterscheidung richtig von falsch, was heute vielen fehlt.

So träumen vielleicht auch manche Lehrer.
Möglicherweise akzeptierst du aber, dass Schüler der Oberstufe des Gymnasiums wenigstens das Kleine-Einmal-Eins sicher beherrschen sollten. Das muß man lernen. Das Rechnen mit Zahlen findet im Sprachzentrum des Menschen statt.

Folgende sehr elementare Aufgabe, die schon in der 8. Klasse gelöst werden könnte, macht aber auch Abiturienten erhebliche Schwierigkeiten:
Bestimme alle ganzahligen Lösungen (x;y) der Gleichung  x + y = x * y
und zeige anschließend, dass es keine weiteren Lösungen gibt !

Kannst du diese Aufgabe lösen?
Hic Rhodus, hic salta !

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lehrer u. Fachbetreuer für Mathematik und Physik i.R.

Inkognito-Nutzer   03.07.2025, 12:26

Natürlich kann ich sie lösen, aber relativ elementare Aufgaben würden Abiturenten keine Probleme bereiten, wenn sie verstanden haben wies funktioniert und sie dann einfach alles weitere wenn nötig ableiten können. Natürlich müssen Schüler das Kleine-Einmal-Eins sicher beherrschen, dass habe ich aber auch nie verneint?

Inkognito-Nutzer   03.07.2025, 17:02
@Littlethought

Naja man kann die Klausuren einfach so gestalten, dass ein gewisses Maß an Verständnis notwendig ist und einfach Zahlen in Formeln einsetzen nicht ausreicht. Dann bekommen die Schüler entweder ne 4, 5 oder 6 wenn die nur auswendig gelernt haben und daraus kann man sich beim Unterricht auf hauptsächlich Verständnis fokussieren