Schaffen wir es doch noch: Einen Weltraumaufzug?
Im Vergleich mit der Landfortbewegung steht das "auf einem Feuerstrahl in den Orbit reiten" zu einer guten Lösung wie eine Dampflok zu einer modernen E-Lok.
38'400 km alleine bis in einen geostabilen Orbit, bis zum Mond 10mal soweit – das kostet Unmengen an Treibstoff für jedes einzelne Transportkilogramm. Von der Lösung eines Weltraumaufzugs, der "am Lagrange-Punkt aufgehängt" wäre, trennen uns m. W. nach nur ein geeignetes Material, da der elastischste Stahl schon auf einem Teil der Strecke in den geostationären Orbit am Eigengewicht zerreißen würde. Weiter ist mein letzter Stand, dass dafür ein Material aus (ununterbrochenen) Kohlenstoffnanoröhrchen erforderlich wäre und das längste Stück davon etwa 1½ Meter misst. Dann wäre da noch die Frage des Ausbringens des "Seils".
Wie schätzen Sie das ein, können wir noch einen Weltraumaufzug erbauen und mit welchem Zeithorizont?
Danke für die zahlreichen Antworten!
Das Stichwort Lagrange-Punkt hat euch ziemlich getriggert, was vom mir nicht wörtlich gemeint war und daher in Anführungszeichen stand! Das kam aus einer alten spaßhaften Physikaufgabe, bei der mir klar war, dass sie nicht Allgemeingut ist. Sorry, dafür! Eure Äußerungen zum Lagrange-Punkt waren natürlich alle richtig.
Zusammenfassung
Die Beiträge haben einige neue Überlegungen eingebracht, die meine Sichtweise erweitert haben. Vielen Dank dafür! Einige Fakten:
- Material: Kohlenstoffnanorörchen waren einmal die Favoriten, wegen Korrosion in der Atmosphäre, aber auch aufgrund höherer Reißfestigkeit wären wohl Bänder aus Graphen (Bänder, nicht Seile) eher das Mitel der Wahl.
- Herstellung: Graphen ließe sich auf Kupferbändern aufbringen und das Kupfer auflösen. Das klingt nach einem Prozess, der kontinuierlich ablaufen und für einen industriellen Maßstab entwickelt werden könnte.
- Produktionszeit: Danke an daCypher für die Überlegungen zur Herstellungszeit: Selbst bei optimistischen Produktionsraten von 1 m/s würde ein Seil von sagen wir 120'000 km-Länge rein in der Produktion vier Jahre benötigen.
- daCypher stellte auch Überlegungen zur Ausbringung an: Vermutlich müsste das Seil mehrfach und mit zunehmender Stärke produziert werden, um an einem Vorläuferseile immer wieder ein stärkeres heraufzuziehen und dieses zu ersetzen, bis die erforderliche Stärke erreicht wäre.
- Bauzeit: Daraus folgt, wenn wir alles ausreichend entwickelt hätten, noch eher 20 Jahre, bis der Weltraumaufzug errichtet wäre.
- Havariegefahr: Aufgrund der vielen Objekte stetig ansteigender Zahl und der sehr gefragten, geostationären Umlaufbahnen wäre ein Weltraumaufzug eher in einer Zone vermehrter "Near-bys" mit potentiellen Treffern als in einem ruhigeren Bereich. Das Problem des Weltraumschrotts wäre noch zusätzlich zu betrachten.
- Betrieb: Lassen wir mal den Antrieb außen vor (Elektromotoren, denen vom Erdboden per MASER Energie übertragen wird?) so müssen die transportierten Objekte nicht nur an Höhe gewinnen, sondern auch die Bahngeschwindigkeit anpassen. Die Coriolis-(Schein-)Kraft würde also ständig auf das Band wirken und wäre durch zusätzliche Querantriebe an der Gondel oder durch Seilstraffung auszugleichen. Wenn wir die daCypher-Länge von 120'000'000 m nehmen, so wäre auch interessant, wie sich so ein System als Schwingungssystem verhält.
- Vulnerabilität: daCypher führt richtig an, dass der Aufzug leicht anzugreifen wäre. Während noch die Bodenstation, die Verankerung, relativ leicht mit konventioneller Verteidigung zu schützen wäre, so wäre schon wenige Hundertmeter drüber das Seil gänzlich schutzlos in der Atmosphäre, im nahen Weltraum und im Weltraum. Das Volumen um das Band herum zu verteidigen wäre heutzutage nahezu unmöglich, anders als die Fläche "und das bisschen Luftraum" um und über der Bodenstation. Einfache Terrormittel oder ein Schurkenstaat mit einem "Putin'schen Splitter-Satellit" wären eine hohe Bedrohung.
Während die ersten fünf Punkte rein technisch sind und in einer absehbaren Zeit und abschätzbaren Produktionskosten umsetzbar erscheinen, haben wir es in puncto "Havarie" mal wieder verbockt: Mehrere, nationale Weltraumbehörden, die zueinander weitgehend unkoordiniert "sonstwem" erlauben "alles Mögliche" in irgendeine Umlaufbahn zu schießen, haben das Feld ziemlich mit Trümmerteilen und egoistischen Satellitenprojekten übersät. In puncto Vulnerabilität scheinen wir erst recht in den Bereich der Sci-Fi abzudriften, denn aus dieser Sicht wäre ein Weltraumaufzug etwas für die Zeit nach der Einrichtung einer verbindlichen, weltweiten Weltraumbehörde und dem Erlangen des Weltfriedens. Da werden wir wohl noch sehr lange dran arbeiten müssen.
Spannend wäre dennoch die Forschung zum Punkt Betrieb jetzt schon aufzunehmen.
Damit danke ich auch Dr. Volker Kratzenberg-Annies und teile jetzt seine Ansicht, dass wir in den nächsten Jahrzehnten kein solches Projekt auch nur am Horizont sehen werden.
8 Antworten
Das Material ist - wie in der Frage erwähnt - der kritische Punkt. Und da wage ich keine Prognose, wann wir das Problem gelöst haben. Daran gearbeitet wird ja seit langem, aber ich würde nicht darauf wetten, dass wir in den nächsten Jahrzehnten einen Weltraumfahrstuhl in Betrieb sehen.
Nein, natürlich nicht die einzige Hürde. Was ich meinte: Bevor man an eine Umsetzung geht, muss ja erst einmal die Frage des Ausgangsmaterials geklärt sein. Oder anders gesagt: Wenn du nicht über die erste Hürde springen kannst, musst du dir über die folgenden keine Gedanken machen.
Naja,
ich gehe da von der anderen Seite heran: ist es physikalisch (mit vertretbarem Aufwand) überhaupt möglich. Wenn DAS nämlich nicht geklärt ist oder gar zu verneinen ist, dann braucht man gar nicht nach dem Material zu suchen.
Ich las schon vor über 30 Jahren in einem "Wissenschafts"Magazin über die Idee, Autobahnen "hoch oben" an geostationären Satelliten "aufzuhängen".
Auch hier wurde nicht berücksichtigt, dass sich der Massenmittelpunkt "am Satelliten" befinden - und vor allem auch: bei der wechselnden Belastung BLEIBEN muss.
Du gehst nicht in den Lhrange Punkt sondern etwas außerhalb des Geostationären orbits, so beschleunigt, dass die Fliehkraft das stabil hält. Und wenn sich rauf und runter Die Waage halten braucht es nur wenig Energie zur Stabilisierung.
Kann sein, dass das irgendwann was wird, aber das wird sicher noch zig Jahre dauern. Selbst, wenn die Technologie existiert, um hochfeste Seile aus Kohlenstoffnanoröhren herzustellen, dauert es Jahre, bis ein Seil mit zigtausenden Kilometern Länge hergestellt ist. Das Seil müsste ja nicht nur bis in einen geostätionären Orbit reichen (die Lagrange-Punkte sind für das Projekt eh unsinnig), sondern es müsste noch weit darüber hinaus reichen, damit es von einem Gegengewicht straff gehalten werden kann. Ich hab bisher immer was von ca. 120.000 km gelesen.
Stellen wir uns mal vor, dass die Seilherstellungsmaschine einen Meter pro Sekunde schafft (was schon deutlich schneller ist, als die Maschinen für Stahlseile oder Hanfseile), dann würde es 120 Millionen Sekunden dauern, bis das Seil fertig ist. Das sind alleine schon fast vier Jahre.
Und es gibt keine Rakete, die stark genug wäre, das fertige Seil in den Weltraum zu transportieren. Man müsste also erstmal ein Seil herstellen, was vielleicht so dick wie ein Bindfaden ist, dann damit ein dickeres Seil in den Weltraum bringen, dann wieder ein dickeres etc. bis das Seil stark genug ist, um einen Weltraumaufzug zu transportieren. Das würde einige Jahrzehnte dauern.
Und wenn es dann z.B. mal einen Angriff gibt und jemand das Seil oder die Bodenstation zerstört, ist die ganze Mühe vergebens.
Hallo
1.) bisher gibt es noch kein Aufzugseil. Es gib zwar die endlosen C60 Mehrschalen Nanoröhenbündel aber bisher kann man perfekte C60 Nanoröhrenseilbündel nur im Meterbereich erzeugen. Zudem will man ja dann Wasserstoff durch die Röhren leiten man braucht im Lift einen Reissverschluss der das Röhrenbündel öfnet und wieder verschliesst. Man arbeitet auch immer noch an künstlicher Spinnenseiltechnik.
2.) der Antrieb ist auch noch in der Findungsphase die Laserrückstosstechnik funktioniert bisher nur in der Teilchenphysik.
Also erst mal braucht man mal Kernfusion zur Abdeckung dar Antriebsenergie für Weltraumlifte die auch grosse Lasten transportieren können.
bevor man als astro-laie für solche fantasie-projekte einen lagrange-punkt als "aufhängepunkt" ins spielt bringt, sollte man sich erst erkundigen, wo sich der nächstliegende der 4 punkte (L1 bis L4) befindet.
L1 hat einen abstand von 1,5 mio km von der erde, also das fünffache der entfernung zum mond.
geile idee, einen 1,5 mio km langen "aufzug" bauen zu wollen. da wäre es doch besser, superman als "pendelverkehr" zu engagieren.
Nein, technisch komplett unmöglich und sinnlose Phantasie. Absolut störanfällig sollte es sogar fertig gestellt werden.
Ist das so?
Wie ich das verstehe, müsst der Massenmittelpunkt des ganzen Systems stabil im Lagrange-Punkt gehalten werden. Bei einem sich bewegenden Aufzug dieser Länge mit variierender Masse für sich schon eine herausfordernde Aufgabe.
Wenn dann auf den unteren Teil der Konstruktion dann noch atmosphärische Einflüsse wirken, kann nach meinem Verständnis der Aufzug nicht mit vertretbarem Energieaufwand "in Position" gehalten werden.
Das Material scheint mir also nicht die einzige Hürde zu sein.