Pronomen in verschiedenen Sprachgemeinden (LGBT)?
Ich habe eine Frage, die ich mir immer mal wieder stelle. Mich interessiert eure Meinung zu dem Thema.
Findet ihr es sinnvoller, wenn man in jeder Sprache, die man spricht, Pronomen mit ähnlichen Bedeutungen und Assoziationen wählt (Beispiel: er/ihn + he/him + il/lui), auch bei neutralen Pronomen oder mehreren Sets (Beispiel: she/they + elle/iel + sie/deren???)
Oder findet ihr, es geht auch neben der Semantik auch um die Phonetik bzw. Phonologie der Wörter und man kann in verschiedenen Sprachgemeinden variieren (Beispiel 1: she/they in Englisch, aber nur elle/lui und sie/ihr, weil neutrale Pronomen nicht wirklich passen? Beispiel 2: he/she/they in Englisch, aber nur sie/ihr in Deutsch, weil er/ihn weniger schön klingt, und vielleicht nur iel/lui in Französisch?)
Die Frage ist sehr linguistisch und queer-orientiert, sorry in advance ;)
Das Ergebnis basiert auf 4 Abstimmungen
1 Antwort
Was das ganze kompliziert macht, ist, das nicht alle Sprachen gleich aufgestellt sind, was Pronomen angeht.
Zum einen ist da das Problem, das manche Sprachen bereits eingebaute geschlechtsneutrale Pronomen haben (zb they im englischen), andere haben zwar kein geschlechtsneutrales Pronomen, aber da die anderen Pronomen einen klaren Wortstamm haben, ist die Erfindung eines Neopronomens sehr einfach herzuleiten (zb spanisch, da haben sowohl das männliche als auch das weibliche Personalpronomen el- am Anfang, und generell ist die geschlechtsneutrale Endung im spanischen -e, deshalb war die Herleitung elle für alle logisch)... Und andere haben weder geschlechtsneutrale Pronomen, noch einen gemeinsamen Wortstamm der anderen, weshalb man Neopronomen komplett neu erfinden muss.
Und der Ursprung eines Neopronomens ist für viele ausschlaggebend dafür, ob sie sich mit diesem beschrieben fühlen oder nicht. Ein paar Situationen, die passieren könnten:
- Jemand benutzt im deutschen das Neopronomen xier/xiem, weil die Person mag, dass es praktisch vom Klang her eine Mischung aus 'sie' und 'er' ist. Da die Person sich sehr mit der Mischung der binären Geschlechter identifiziert, fühlt xier sich nicht durch das englische 'they/them' beschrieben, weil They/them bedeutet "Wir wissen das Geschlecht nicht". Deshalb möchte die Person lieber andere Pronomen im englischen tragen.
- Jemand benutzt im englischen they/them, aber mag Neopronomen nicht, weil die Person damit nicht aufgewachsen ist und deshalb das Gefühl hat, ihre Identität hätte sich nicht entsprechend entwickelt, als das Neopronomen passen könnten. Deshalb greift die Person im Deutschen dann wieder auf binäre Pronomen zurück.
- Jemand benutzt im deutschen sie/dey, weil die Person sich auf dem Spektrum der Geschlechter als eher weiblich einordnet. Es ist nur eine Notlösung aber, da die Person sich ja eigentlich nur als ein Geschlecht sieht und keine zwei Pronomen will. Im englischen begegnet die Person den Pronomen fae/faer, die eben für Leute sind, die irgendwo zwischen nichtbinär und weiblich sind. Aber wirklich ins Deutsche übertragen kann man sie schlecht, deshalb nutzt die Person fae/faer nur im englischsprachigen.
Und dann ist da natürlich noch das Thema, das gar nicht alle Sprachen geschlechtsabhängige Pronomen haben. Zb Japanisch hat keine, auch wenn es ein paar Phrasen gibt, die vom Geschlecht abhängen. Man kann da geschlechtsabhängige Sprache aber wesentlich leichter umgehen.
Also... Ich würde trotzdem Leute immer fragen, was ihre Pronomen in anderen Sprachen sind, und nicht mit der Übersetzung raten.
Deshalb verstehe ich auch nicht, warum Leute in deutschsprachigen Unterhaltungen ihre Pronomen trotzdem auf englisch benennen. "Ich benutze she they" hilft mir halt nicht weiter, wenn ich über die Person auf deutsch reden will.