Mit Berufswahl überfordert. Kennt jemand Hilfe?

4 Antworten

Ich bin Fluglotse, also wenn du spezifische Fragen hast, immer her damit.

Ansonsten kann ich nur sagen, dass du wirklich überlegen musst, welchen Beruf du dir am ehesten vorstellen kannst. Alle drei Berufe sind ja wirklich komplett unterschiedlich. Bis auf die Gemeinsamkeit, dass Piloten und Lotsen etwas mit Luftfahrt zu tun haben, sind sie sonst auch komplett unterschiedlich.

Vorteile und Nachteile haben alle drei Berufe. Diese kannst du entweder gegeneinander abwägen und deinen "Gewinner" ermitteln, oder du überlegst dir erstmal ganz genau welcher dieser völlig verschiedenen Berufe am ehesten was für dich sein könnte. Falls Du dich für Lotse oder Pilot entscheidest, musst Du bedenken, dass die Chancen auf ein erfolgreiches Auswahlverfahren nicht sonderlich hoch sind, dann ist Architekt immer noch ein guter Plan B.

Hier sind aus meiner Sicht die wesentlichsten Vor- und Nachteile beim Fluglotsen;

- Standortzuweisung
Man kann sich nicht aussuchen, ob man Towerlotse oder Centerlotse wird, das wird nach Bedarf entschieden. Centerlotsen sind auch nochmal unterteilt in Lotsen des oberen oder unteren Luftraums. Wenn man Lotse des oberen Luftraums wird, arbeitet man später zu 100% im Center Karlsruhe, das steht dann fest. Center für unteren Luftraum sind Bremen, Langen, München. Je nachdem wie der Bedarf aussieht, kann man da vielleicht Wünsche äußern, aber auch da kann es vorkommen, dass man irgendwo landet, wo man nicht hinwill. Im Tower gibt es noch mehr Standorte, ich zähle jetzt nicht alle Flughäfen der DFS auf. Auch hier kommt es in erster Linie auf den Bedarf an, und es kann immer sein, dass der Traum-Standort nicht in Frage kommt und man ganz woanders landet. Das muss man vorher wissen. Wenn du aus München kommst und unbedingt dahin zurückwillst und sehr heimatgebunden bist, kann es sein, dass du in Berlin/Bremen/Hamburg landest.

-/+ Schichtdienst
Ist Fluch und Segen zugleich. Das bedeutet einerseits Arbeit an Wochenenden, Feiertagen, Nachtschichten und teilweise wild durcheinander wechselnde Schichten. Das ist nicht für jeden was. Ob man das gut wegsteckt oder nicht, also physisch, merkt man erst, wenn man es ein paar Monate/Jahre gemacht hat.
Auf der anderen Seite finde ich es sehr cool, auch immer mal wieder zu ganz unterschiedlichen Zeiten frei zu haben. Man macht eh erfahrungsgemäß viel mit den Kollegen in der Freizeit, und die haben ja auch alle Schichtdienst.
Problematisch wird das, wenn die Arbeit des Partners unflexibel ist oder man in der Freizeit immer feste Uhrzeiten und Tage für irgendein Hobby hat.

+ Gehalt
Dass Lotsen extrem gut verdienen ist kein Geheimnis. Schon in der Ausbildung bekommt man sehr gutes Gehalt und Wohngeld, nach der Grundausbildung steigt man direkt mit ca. 4000,- ein und befindet sich an der zugeteilten Niederlassung weiter in der Ausbildung bis man nach 1-2 Jahren seine volle Lizenz hat und dann kommt nochmal ein enormer Sprung.

+
Freizeit und Urlaub
Man hat super viele freie Tage im Jahr und mehr Urlaubstage als "normale" Arbeitnehmer. Durch verschiedene Schicht-Rhythmen kann man sich mit wenig Urlaubstagen schon sehr lange zusammenhängende freie Stücke basteln. Durch die verschiedenen Arbeitszeiten kann man je nach Dienst zu jeder Tageszeit mal irgendwelchen Aktivitäten nachgehen.
Was auch viel wert ist, ist dass man den Job nicht mit nach Hause nimmt. Man muss nichts vorbereiten und muss Zuhause keine weitere Arbeit erledigen und hat eigentlich auch kein Kopfzerbrechen. Man kommt zur Arbeit, arbeitet, und wenn man fertig ist nimmt man nichts mit nach Hause. Wenn irgendwas schlimmes passiert, was zum Glück sehr selten mal vorkommt, dann nimmt man vielleicht davon was mit, das ist klar.
Ansonsten noch zu Freizeit; man arbeitet nur bis etwa Anfang-Mitte 50, dann geht man in eine sog. Übergangsversorgung mit nahezu dem gleichen Gehalt bis zum Renteneintritt.

+ Ausbildungsdauer
Die Ausbildung ist sehr kurz und man ist nach insgesamt 2,5 - 3 Jahren komplett fertig ausgebildet und startet dann sofort mit einem mega Gehalt und einen wahnsinnigen Beruf in's Arbeitsleben.

+ Der Beruf
Der Beruf selbst ist einfach der Hammer. Extrem abwechslungsreich, kein Tag ist wie der andere. In der Regel macht es sehr viel Spaß, manchmal kommt man echt an seine Grenzen und muss richtig konzentriert arbeiten, vorausplanen und kreativ Lösungen finden im Rahmen verschiedener Vorschriften mit Hilfe von viel Technik und Geräten. Für mich der beste Beruf der Welt. Auch die Kollegen sind eigentlich ausnahmslos alle super familiär und man versteht sich gut und macht viel privat, so kenne ich es von allen Niederlassungen.
Außerdem arbeitet man höchstens 2-3 Stunden am Stück und muss dann eine Pause machen, insgesamt 1,5 - 2 Stunden Pause pro ca. 8 Stunden Schicht, das ist auch sehr angenehm.

+ Arbeitgeber und Gewerkschaft
Die DFS ein unvorstellbar guter und netter Arbeitgeber, ich wüsste nicht wo man als Mitarbeiter besser aufgehoben ist. Unfassbar viele Leistungen und Absicherungen. Dazu ist die Gewerkschaft der Flugsicherung enorm stark und handelt stets sehr gute Bedingungen und Verträge aus.

Das sind so die wesentlichsten Punkte, falls Du Fragen hast, sag Bescheid.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Fluglotse
Nils0108 
Fragesteller
 17.01.2023, 11:20

Vielen Dank für diese sehr ausführliche und hilfreiche Antwort! Ich habe noch 3 Fragen;

-Wie gut muss man Englisch können? Ich habe ein Zertifikat für C1. Einreichen kann man dies ja bestimmt nicht. Aber wie sieht es so mit dem Level aus? Reicht das oder muss man wirklich fließend, auf Muttersprache reden können?

-Wie sehr ist man auf sich alleine gestellt? Falls es mal brenzlich wird, kann man sich dann Hilfe oder Unterstützung von den Kollegen holen?

-Ist der DLR Test für Piloten derselbe wie der für Lotsen?

0
LFFL321AA  17.01.2023, 21:45
@Nils0108

Sehr gerne!

1) Nur wenn Du nicht bis zum Abitur Englisch als Schulfach hattest wird das C1 Zertifikat relevant. In diesem Fall musst de es sogar mit dem Zeugnis einreichen. Und Abitur ist ja eine Grundvoraussetzung. Ansonsten reicht das Abizeugnis mit Englisch bis zum Ende. Ganz normales Englisch was man in der Schule lernt ist völlig ausreichend. Solange man sich einigermaßen normal auf Englisch unterhalten kann reicht das. Später im Beruf spricht man eh nur noch "Luftfahrtenglisch" in fester Phraseologie. Alle Luftfahrtspezifischen Vokabeln und Begriffe lernt man ganz am Anfang der Ausbildung, da gibt's zwei Wochen lang nur Luftfahrt-Englisch. Sprechfunk-Englisch lernt man dann später mit der Zeit wenn es mehr ins praktische geht, das kommt ganz von allein. Also wegen Englisch hatte noch nie einer Probleme, da bin ich mir sehr sicher. Englisch ist auch das einzige, was man bei nicht-bestehen beim Auswahlverfahren in Hamburg später wiederholen darf, dann bekommt man zum Beispiel schon eine Zusage und muss den Test nach einem Englischkurs wiederholen.

2) Sehr selten. In der Flugsicherung baut eigentlich alles auf einem 4-Augen Prinzip und man arbeitet nahezu ausschließlich im Team. An Flughäfen, die Nachts eingeschränkt weiter Betrieb haben, sitzt man Nachts die meiste Zeit alleine im Tower während ein Kollege in der Pause ist und schläft. Wenn es brenzlich wird oder ein Notfall passiert oÄ dann kann man sofort einen Alarm auslösen und den Kollegen holen oder einfach im Raum anrufen und um Unterstützung beten, wenn es nicht so eilig ist. Ansonsten kann es bei Personalmangel oder so mal kurzfristig zu einer Zusammenlegung von Arbeitspositionen kommen, so dass man alleine die Aufgabe von "beiden" Arbeitspositionen übernimmt, aber auch das passiert nur in Ausnahmefällen und dann wird dementsprechend die Arbeitslast gemindert.

3) Ich habe den Piloten Test nie gemacht, kann also nur sagen, was ich so gehört habe. Einige Dinge sind wohl ähnlich bzw. testen die gleichen "Fähigkeiten", aber sie sind schon ziemlich unterschiedlich. Der Test für die Lotsen ist umfangreicher und wird - zumindest Erzählungen zufolge - auch als schwieriger empfunden, von Leuten die beide gemacht haben. Ich habe auch oft gehört, dass die meisten, die den Pilotentest erfolgreich absolviert haben, den Lotsentest nicht geschafft haben. Also nein, sie sind nicht gleich.

Sag sehr gern Bescheid wenn Du weitere Fragen hast!

0

Es ist wichtig, beide Möglichkeiten sorgfältig zu prüfen, um sicherzustellen, dass du eine Entscheidung triffst, mit der du auf lange Sicht glücklich sein wirst. Einige Tipps, die dir helfen können, sind:

Informiere dich über die Anforderungen und Herausforderungen, die mit beiden Berufen verbunden sind. Schaue dir die Arbeitszeiten und die Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf an.

Wende dich an Architekten, Piloten und Fluglotsen und frage sie nach ihren Erfahrungen und Meinungen.

Überlege dir, wie du deine Leidenschaft für Luftfahrt auch in einem anderen Beruf ausleben kannst: z.B. als Freizeitpilot oder begeisterter Flugmodellbauer.

Eventuell gibt es auch Möglichkeiten, wie du deine Leidenschaft für Architektur und Luftfahrt miteinander verbinden kannst, z.B. durch den Bau von Flughäfen oder Luftfahrt-bezogenen Gebäuden.

Es gibt auch Beratungsstellen wie die Agentur für Arbeit, die dir dabei helfen können, Deine Entscheidung zu treffen und dir Tipps und Anlaufstellen für weitere Informationen geben können.

Ich als Architektin sage dir du solltest es in der Luftfahrt versuchen. Dort haben sie sehr hohe Anforderungen denen du vor allem in jungen Jahren gerecht werden kannst.

Außerdem werden die beiden genannten Jobs deutlich besser bezahlt und nachgefragt als Architekten.

Wenn Luftfahrt deine Leidenschaft ist mach das und verzichte nicht darauf. Du wirst Wege finden das mit deinen anderen Interessen, Familie und alle dem zu vereinen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Das Architekturstudium, bzw. die folgende berufliche Tätigkeit ist wahrscheinlich vielseitiger, als die eines Piloten oder Fluglotsen.

Als Pilot und auch als Fluglotse ist man ja heute eher Maschinenüberwacher und im Extremfall Problembewältiger. Aber die grundlegenden Handlungsabläufe sind dann schon sehr einseitig, finde ich.