Wie kann jemand - rein sachlich gesehen - richtig minderwertige Musik präsentieren und sich dabei auch noch toll fühlen?
Hallo,
wir waren neulich auf einem kleinen Schlager-Event, auf das wir zufällig aufmerksam wurden. Stehen Schlagern nicht ablehnend gegenüber, wir haben selber CDs von Udo Jürgens, Howard Carpendale, Karel Gott und Milva zuhause und es gibt auch gute "neue" Schlager. Die Sängerinnen Isabel Varell und Susan Ebrahimi finde ich gut.
Aber dieses "Event" brachte völlig unbekannte, drittklassige Interpreten mit sich, wo man sich echt gefragt hat, wie man so debile Texte anstimmen und auf diese dürftige Weise präsentieren kann - das war im wahrsten Sinne des Wortes richtig schlechte Musik. Wir sind nach etwas mehr als einer Stunde gegangen, weil es einfach zu viel geworden war. Haben die hinterher gegoogelt, diese Akteure sind bei kleinen Firmen unter Vertrag und völlig unbekannt. Die Musik wirkte selbst für uns als neutrale Besucher total minderwertig, wenn man sie mit Carpendale oder meinetwegen auch den Flippers vergleicht.
Es ging in eine Richtung, bei der man sich fragte, wann die versteckte Kamera auftaucht oder es als Comedy-Falle entlarvt wird, die Schlagersänger parodieren soll.
Frage: Wie kann jemand rein sachlich gesehen richtig minderwertige Musik präsentieren und das bzw. sich selbst dann auch noch toll fühlen und vor ein Publikum stehen, das nur isst und trinkt, aber an der Musik kaum Interesse zeigt?! Ich verstehe es nicht - damit macht sich doch eigentlich lächerlich. Über Geschmack kann man sich streiten, aber ... ihr wisst schon!
Ich meine, wenn irgendein Andi Borg oder die Flippers sich hinstellen, ist das auch nicht direkt gut, aber zumindest ist alles sauber arrangiert und relativ professionell.
3 Antworten
Viele Menschen trällern gerne mal unter der Dusche oder beim Autofahren herum und denken von sich, dass sie ja den Ton recht passabel treffen und professionelle Sänger auch nur mit Wasser kochen.
Dann kommen noch Verwandte und Freunde und sagen "das kannst Du auch".
Natürlich gehört noch ein übersteigertes Selbstwertgefühl dazu. Schließlich hat die Welt exakt auf diese Darbietung gewartet.
Weiterhin lockt natürlich auch ein Verdienst von mehreren 100 €, wobei nicht die Begeisterung des Publikums bezahlt wird (der Vertrag über das Engagement erfolgt vor dem Auftritt, so dass der Veranstalter noch gar nicht weiß, wie das Ganze endet), sondern lediglich die pünktliche Anwesenheit und die Darbietung.
Ob die gut ist, stellt man oft erst nachher fest. Ich kenne mehrere halbprofessionelle Bands und Künstler.
Die Meisten sind toll.
Einige jedoch sind einfach durch die richtigen Kontakte in solche Veranstaltungen gerutscht. Oft bevorzugen diese einen lokalen Sänger und können dann sagen, wir präsentieren jemanden aus unserer Nähe..das wirkt so heimelig und nach Lokalpatriotismus.
Einige Möchtergern Künstler werben ja auch mit selbst produzierten CDs, auf denen viel nachbearbeitet und geschönt wird und der Gesang nichts mit der Realität zu tun hat.
Das mit den CDs stimmt - da wird im Studio nachgeholfen. Es gibt nur wenige Stars, die auch live richtig überzeugen. Eine Sängerin ist Regina Thoss aus der ehemaligen DDR. Nicht jedermanns Sache, aber super sympathisch und eine ausgebildete Sängerin, die wirklich was drauf hat.
Kann man gelegentlich hören, die Stimme ist "freundlich" im eigentlichen Sinn. Meine Freundin/Frau meint aber immer, Hape Kerkeling hätte hier die Idee zu seiner Uschi Blum gehabt ;-)
Geht mir auch so, es gibt aber vertretbare Sachen. Das meiste ist jedoch wirklich Schrott.
Ich kann mit Rockmusik so gar nichts anfangen, aber damit verbinde ich auch einen Menschen, der wohl drauf stand und u.a. meine Mutter terrorisiert hat, bis es nicht mehr ging. Ich werde da aggressiv und traurig zugleich, male mir Situationen aus die möglicherweise so passiert sein könnten - und dann höre ich doch lieber Regina Thoss oder so Zeug.
Unser Haussender ist SWR 3, der ist okay.
Ich kann keine Musik hören, die jemand hört, unter dem viele Menschen gelitten hatte und unter dem ich persönlich auch Schaden genommen habe. Das lehnt das Herz irgendwie ab - zumal dieser Mensch das auf eine eigenartige Weise kultiviert und sich drüber definiert hatte; er sei der große Hobbyrocker, wobei echte Hobbymusiker meiner Heimat ihn als Schwachkopf abgetan haben, mit dem sie nix zu tun haben wollten.
Manchmal hatte ich schon das Gefühl, dass das purer Opportunismus ist, aber ich habe ein gutes Gefühl dabei :-)
But before you come to any conclusions
Try walking in my shoes
Try walking in my shoes
You'll stumble in my footsteps
Keep the same appointments I kept
If you try walking in my shoes
In den Schuhen dieses Menschen werde und möchte ich nicht laufen, aber der Text hat trotzdem eine tolle Aussage.
Ich glaube, meine Freundin/Frau ich wären für ihn die zwei größten Idioten, die es gibt - das stört mich zwar nicht, aber ich muss ihn einfach nicht sehen. Ein Mann, der Frauen, Kinder und alte Leute schlägt geht einfach nicht. Er muss schon als Kind auffällig und gewaltbereit gewesen sein.
Das sowieso, wir wollen alle aus berechtigtem Grund keine Kontakte. Er kam nie damit klar, über 40 zu sein und baute sich eine Luftblase aus, betrog meine Mutter und hielt sich für den Megahänger schlechthin ... er dachte, keiner merkt was, aber es blieb halt doch nicht verborgen. Na ja.
Das kann ich verstehen! Ich habe auch schon so manchen Anlauf bei mir neuer Musik gewagt, bin aber meist schnell zu Bewährtem zurückgekehrt, wenn die Erwartung einfach zu tief unterschritten wurde!
Da ist es nicht 'wie bei armen Leuten': ich bin seit den Beatles dabei und Musik war mein ständiger Begleiter, als ich jünger war. Meine Sammlung ist ziemlich mächtig (was sich bei Umzügen immer bemerkbar machte :-))
Im Berufsleben musste ich die Häufigkeit des Musikgenusses allerdings kanalisieren, zwangsläufig.
Mein Musikgeschmack ist breit gefächert und revoltiert erst, wenn sich die Auflösung dissonanter Sequenzen in Harmonie kaum noch erhoffen lässt (wie beim Jazz, den mein Bruders hört, z. B.).
In deinem Fall fiel mir - auf diese Schlagermusik bezogen - der Vergleich zwischen Fastfood und einem kulinarischen 5-Gänge-Menü ein: wer mit dem schlichten Billigkram vorlieb nimmt, ist von einem anderen Kaliber als der Kenner und Gourmet, dem Unterschiede überhaupt erst auffallen..
Aber: wichtig! Vielleicht kommt jetzt gerade eine neue Generation, die bedingt durch die lange Corona-Einsamkeit einfach nur glücklich ist, gerade mal kurz wieder miteinander Live-Musik hören zu können - und die gar nicht groß qualitative Anhaltspunkte kennt! Es wäre doch möglich, dass da eine Kluft besteht - das könnte ich mir zumindest gut vorstellen.
Du wirst es bestimmt auch wieder besser treffen. Dass du deine Ansprüche herabschrauben wirst, kann ich mir aber nicht vorstellen!
Das kann stimmen, vielen Dank!
Es war so eine Art Corona-Sommer-Event auf Abstand. Eventuell waren da auch Leute da, die sich so etwas - wie wir auch - sonst nie ansehen würde, aber wegen der "Feierabstinenz" trotzdem dort aufkreuzten.
Naja die Leute finden die Musik halt toll.
Die sind von ihrer eigenen Musik natürlich überzeugt
Genau - diese CDs konnte man da kaufen, wir zogen es aber vor, so etwas nicht zu kaufen...
Es schienen auch zumindest zwei "lokale Sänger" gewesen zu sein, die wir jedoch nicht kannte. Soooo lange wohnen wir hier auch noch nicht.
Danke!