Körperliche, geistliche, gesundheitliche und persönliche Vorteile mit kampfsport anzufangen?

4 Antworten

Ich denke, zunächst einmal muss man zwischen Kampfkunst, Kampfsport und reinen Selbstverteidigungssystemen unterscheiden, weil die Zielsetzungen bereits unterschiedlich sind.

Traditionelle Kampfkünste konnten potentiell tödliche Techniken beibehalten, da es keine Wettkämpfe gibt, sondern die Entwicklung der Persönlichkeit im Vordergrund steht.

Beim Wettkampfsport wurden Techniken teilweise entschärft. Hier besteht der Zweck in der Pädagogik und dem Umgang mit Erfolgen und Niederlagen.

Bei Selbstverteidigungsmethoden geht es um die Vermeidung gefährlicher Situationen, Deeskalationsstrategien und schnelle Selbstverteidigung, um entkommen zu können.

Ich selbst trainiere die japanische Kampfkunst Aikido und kann daher aus dieser Sicht heraus beschreiben, was ich im Training erlebe.

Selbstbewusstsein

Bei regelmäßigem Training wird das Selbstbewusstsein gefördert - auch dadurch, dass man Dinge lernt, die man sich vorher nie zugetraut hätte.

Ausgeglichenheit

Das Training fördert den konstruktiven Umgang mit Stress, Anspannung und Aggression, so dass man mehr zur inneren Mitte findet.

Konzentrationsfähigkeit

Die Techniken verlangen die volle Aufmerksamkeit des Übenden, wenn er dem Angriff ausweichen will, was geistige Präsenz und Aufmerksamkeit fördert

Sozialkompetenz

Wir sind nicht alleine auf der Matte, sondern haben es mit vielen verschiedenen Persönlichkeiten zu tun, so dass wir aufeinander eingehen müssen.

Körperbewusstsein

Das Bewusstsein für die eigene Haltung und Bewegungen wird geschult. Dadurch wird der Körper zum Hinweisgeber auf unsere ganze Verfassung.

Motorik

Wie man beobachten kann, verbessert sich die Motorik, etwa die Auge-Hand-Koordination, was man auch im Alltagsleben bemerken kann.

Selbstakzeptanz

Durch das Training finden die verschiedenen Aspekte der Persönlichkeit zu einem besseren Miteinander, so dass Selbstakzeptanz gefördert wird.

Fitness

Natürlich kann man durch körperliches Training auch Gewicht reduzieren, mehr Ausdauer entwickeln, oder Muskeln aufbauen, abhängig vom Stil.

Beispiele

Ich habe schon mit unterschiedlichen Menschen gemeinsam trainiert und dabei einige interessante Erfahrungen machen dürfen.

So konnte etwa jemand, der neurologische Probleme hatte und dem Aikido empfohlen worden war, zunächst nicht einmal gerade gehen - später rollte er geschmeidig über den Boden.

Hyperaktive und eher aggressive Kinder wurden, durch die festen Strukturen des Unterrichts, gute Pädagogik und das soziale Miteinander viel ruhiger.

Eher schüchterne und wenig körperorientierte Personen entdeckten ihre Freunde an der Bewegung und entwickelten mehr Selbstbewusstsein.

Ich selbst war früher eher linkisch und ungeschickt und stieß überall an. Mittlerweile kann ich mich problemlos durch enge Verhältnisse schlängeln.

Wie erreicht man diese Fortschritte?

Die Antwort lautet: Üben, üben, üben...

Den besten Stil für alle Menschen gibt es nicht, da jeder andere Voraussetzungen und Wunschvorstellungen mit sich ins Training bringt.

Entscheidend für positive Veränderungen ist daher nicht der Stil, sondern die Kompetenz und pädagogischen Fähigkeiten des Lehrers.

Gerade in den Kampfkünsten ist der Lehrer nicht einfach nur ein "Vorturner", sondern er steht für all das, was der Schüler erreichen will.

Er verkörpert das Wissen, die Erfahrung und die Philosophie des Stils. Daher sollte er auch charakterlich ein Vorbild für die Übenden sein.

Gute pädagogische Fähigkeiten sind wichtig, weil auch immer wieder die "Grundschule" geübt wird - Stehen, Fallen, Standardtechniken - bis sie in Fleisch und Blut übergeht.

Wer da nicht in der Lage ist, Abwechslung rein zu bringen, das Training durch Erklärungen interessant zu machen und zB Parallelen zu zeigen, wird es schnell mit gelangweilten Schülern zu tun haben.

Japanische Lehrer sind übrigens mit einem ganz anderen Konzept groß geworden. Dort heißt es eher "Lernen durch genaues Abgucken und Nachahmen" statt "Lernen durch viele Erklärungen".

Jetzt kommt das "aber"...

Selbst beim besten Lehrer der Welt stellt sich der Erfolg nicht von heute auf morgen ein, sondern Erfolge sind das Produkt langfristiger Anstrengungen.

Gerade traditionelle Kampfkünste mit einer stärkeren Betonung der persönlichen Entwicklung, stellen die Verteidigungsfähigkeit eher hinten an.

Das führt teilweise dazu, dass Schüler enttäuscht feststellen, dass sie nach einem Jahr Training immer noch nicht "effektiv" kämpfen können.

Doch in den Kampfkünsten ist Effektivität einfach das Nebenprodukt einer geistig-körperlichen  Entwicklung und nicht automatisch das ultimative Ziel.

Wichtig ist also, wirklich so motiviert zu bleiben, dass man
langfristig dabei bleibt, sonst wird man viele Dinge nie verstehen lernen.

Schafft man das, merkt man nämlich auch irgendwann, wie viel Potential in den scheinbar so banalen Grundtechniken steckt.

Somit sollte man wissen, welche Erwartungen man hat und welche Richtung man verfolgen will - Kampfkunst, Wettkampfsport, oder Selbstverteidigung.

Persönliches

Wie schon gesagt, war ich früher eher motorisch ungeschickt und hatte kein gutes Körperbewusstsein, bevor ich Aikido für mich selbst entdeckte.

Mittlerweile habe ich eine brauchbare Haltung und kann mich deutlich besser bewegen, als zu Beginn meines Trainings. Gerade durch die Übung mit Waffen, wurde mein Distanzgefühl verbessert.

Ich habe Aikido nie als etwas kämpferisches, aggressives angesehen, sondern eher als Möglichkeit, sich selbst zu entwickeln.

Daher war ich sehr erstaunt, als ein Jugendlehrer plötzlich kämpferisches Aikido unterrichtete und ich verblüfft merkte "Wow, Aikido kann effektiv sein!"

Ich selbst sehe Aikido nach wie vor nicht als kämpferisch an, sondern eher als etwas ganzheitliches, auch wenn dieses härtere Training interessant war.

Wenn man mich nach dem größten Vorteil fragt, den ich durch Aikido gewonnen habe, dann ist es, Aikido nicht nur körperlich zu üben, sondern den Geist auch in den Alltag einfließen zu lassen

Da die Frage immer wieder mal aufkommt; Ja, ich musste mich leider schon drei mal in ernsthaften Situationen verteidigen, weil keine Flucht möglich war bzw ich mich und andere schützen musste.

Wenn dich Aikido näher interessieren sollte - hier habe ich schon etwas dazu geschrieben und mit Videos zu Techniken und Philosophie aufgelockert.

https://www.gutefrage.net/frage/welche-kampfsportart-gefaellt-euch-und-warum-welche-macht-ihr?foundIn=list-answers-by-user#answer-202694589

Ich hoffe, die Antwort war hilfreich. :-)

Woher ich das weiß:Hobby – Seit etwa 40 Jahren Training des Aikido
Enzylexikon  06.10.2016, 21:41

Da fällt mir ein, wenn dich ein Buch zum Thema "Kampfkunst und persönliche Entwicklung" interessieren sollte, kann ich dir eines empfehlen;

"Kampfkunst als Lebensweg" von von Uschi Schlosser-Nathusius und Florian Markowetz

https://www.amazon.de/Kampfkunst-als-Lebensweg-Uschi-Schlosser-Nathusius/dp/393233714X/

In dem Buch erzählen Lehrer unterschiedlicher asiatischer Kampfkünste, wie beides für sie zusammenhängt.

Für jemanden der Inspirationen für seinen eigenen Weg sucht, durchaus interessant, auch wenn einen nicht alle Beiträge ansprechen.

Gerade die Erfahrungen der beiden traditionellen Karatelehrer und die "Geographie des Schweigens" eines hochrangigen Aikidoka fand ich sehr inspirierend.

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Ja ich kann hier nur für mich sprechen, ich mache auch Thaibox.

Also ersteinmal macht es sehr fit, weil sehr viele Muskelgruppe und auch Ausdauer trainiert werden.

Dazu kommt die Koordination, schon am Anfang muss man koordinieren bei jedem Schlag, dass die Deckung bestehend bleibt, dass das Gewicht richtig verteilt ist, das die Hüfte sich mitdreht, und natürlich, dass der Schlag da landet wo er hin soll. Tritte, sind meiner Meinung nach, anfangs noch komplizierter als Schläge. Aber mit der Zeit lernt man alles!

Man kann beim Training sehr gut Alltagsstress ablassen, und hat nach dem Training wieder einen freien Kopf.

Selbstbewusst, keine Ahnung, ich war vorher nicht schüchtern, deshalb kann ich das nicht beurteilen. Vielleicht hat man ein anderes Gefühl in kritischen Situationen, weil man weiß, im Notfall wird es der Gegner auf jeden Fall nicht leicht mit mir haben.

Mach einfach mal ein Probetraining und guck ob es dir gefällt.

Ich mache seit 3 Jahren Taekwondo. Ich glaube es ist egal welche Kampfsportart du machst, du bekommst automatisch mehr Selbstbewusstsein. Und wenn du dich unzählige Stunden dazu überwunden hast ins Training zu gehen (glaub mir, die Zeit wird kommen wo du überhaupt keinen Bock hast aber trotzdem aus Gewohnheit irgendwie doch zum Training willst - Ist der innere Schweinehund ;) ) dann entsteht auch sowas wie eine Selbstdisziplin. Du wirst physisch und psychisch abgehärtet. Und ja, mukkis bekommst auch :D

Woher ich das weiß:Hobby – Trainiere seit mehreren Jahren Kampfsport (trad. Taekwon-Do)

Du bekommst ein neues Körpergefühl. Du lernst Möglichkeiten und Grenzen deines Körpers kennen. Wichtig ist nicht, welchen Kampfsport du anfängst, sondern, ob du einen guten Lehrer hast. 

Mit dem Kampfpartner (Gegner) zu interagieren wird schon noch kommen, da musst du dir keine Gedanken machen, ob du dich das traust, da wird man hingeführt. Es geht ja beim Sport auch schließlich nicht darum, den anderen zu verletzen.

Teddy600 
Fragesteller
 06.10.2016, 00:00

und wie ist das vom persönlichen her ?

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GunnarPetite  06.10.2016, 00:01
@Teddy600

Ganz klar, es wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach positiv auf Dein Selbstbewusstsein und deine Ausstrahlung auswirken. 

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