Kennt sich jemand mit den Sozialdemokraten /den liberalen im Kaiserreich aus?

2 Antworten

Als Info kann ich noch anbieten, dass 1893 Caprivi Reichskanzler war.

https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_von_Caprivi

Der Reichskanzler hatte damals eigentlich keine demokratische Legitimation, sondern sollte die politischen Wünsche des Kaisers gegenüber dem Reichstag vermitteln. Bismarck war 1890 von Wilhelm II gefeuert worden, weil Bismarck mal wieder die Sozialistengesetze (Gesetze gegen SPD und Gewerkschaften) verschärfen wollte. Wilhelm II war ein Sympathisant der SPD.

https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_II._(Deutsches_Reich)

Bismarck wollte das Sozialistengesetz verschärfen, Wilhelm II. es abschaffen: „Ich will meine ersten Regierungsjahre nicht mit dem Blut meiner Untertanen färben!“ Als der Reichskanzler hartnäckig blieb, schickte der Kaiser am Morgen des 17. März 1890 den Chef seines Militärkabinetts, General von Hahnke, in die Reichskanzlei: Der Kanzler solle am Nachmittag ins Schloss kommen und sein Abschiedsgesuch mitbringen.

---

Wilhelm II. weigerte sich 1889, Soldaten zur Niederschlagung eines Bergarbeiterstreiks im Ruhrgebiet zu schicken. Zur Begründung erklärte er:

„Die Unternehmer und Aktionäre müßten nachgeben, die Arbeiter seien seine Untertanen, für die er zu sorgen habe; wollten die industriellen Millionäre ihm nicht zu Willen sein, so würde er seine Truppen zurückziehen; wenn dann die Villen der reichen Besitzer und Direktoren in Brand gesteckt, ihre Gärten zertreten würden, so würden sie schon klein werden.“

– John Röhl: Wilhelm II. Der Aufbau der Persönlichen Monarchie[16]

Bismarck, der dieses Zitat überliefert, nannte Wilhelms Haltung „patriarchalischen Absolutismus, für die Zeit von 1888 ein Anachronismus“ und „sentimental“. [17] In der Arbeiterschaft aber weckten solche Aussagen des jungen Kaisers und die Februarerlasse von 1890 in den ersten Jahren seiner Regentschaft zeitweilig Hoffnungen auf einen sozialen Wandel im Reich.

Siehe auch

https://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus_und_Sozialdemokratie

Unter dem Titel „Antisemitismus und Sozialdemokratie“ hielt August Bebel am 27. Oktober 1893 auf dem Kölner Parteitag der Sozialdemokratischen Partei ein Grundsatzreferat zur Stellung der Partei dem Antisemitismus gegenüber. 

Die SPD zog damals eine klare Trennung zwischen der Kritik am internationalem Finanzsystem und der allgemeinen Kritik an Juden aus rassischen Gründen.

Siehe auch im selben Link.

Die Haltung der Sozialdemokraten in dieser Phase war uneinheitlich. Während sich sozialdemokratische und fortschrittliche Arbeiter am 11. Januar 1881 bei einer Versammlung in den Reichshallen zusammenfanden und gemeinsam die antisemitische Bewegung als „ Demokraten“ verurteilten, [4] gab es auch Annäherungsversuche an die Antisemiten. So veröffentlichte der vormalige Parteivorsitzende der SPD Wilhelm Hasenclever 1881 unter dem Pseudonym Wilhelm Revel das Buch Der Wahrheit die Ehre. Ein Beitrag zur Judenfrage in Deutschland, in dem er zwar die Antisemiten kritisierte, aber deren Thesen wohlwollend aufnahm. [5] Im Parteiorgan Der Sozialdemokrat wurden demonstrativ antijüdische Passagen der Frühschrift von Karl Marx Zur Judenfrage nachgedruckt, um zu zeigen, dass die SPD hier keiner Nachhilfe durch die Antisemiten bedurfte. [6] Als die Antisemiten den Sozialdemokraten ein Angebot unterbreiteten, sie bei der Aufhebung des Sozialistengesetzes zu unterstützen, wenn sie auf eine revolutionäre Umgestaltung verzichteten, kam es zu Verhandlungen, die von der Parteileitung dann aber zugunsten einer neutralen Haltung im Kampf zwischen Fortschrittspartei und Antisemiten abgebrochen wurden. 

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/innenpolitik/nationalliberale-partei.html

Nach der Entlassung Bismarcks 1890 entwickelten sich die Nationalliberalen zur führenden Partei der deutschen Großindustrie und der Großbanken. Sie unterstützten die offensive Ausrichtung der deutschen Militär-, Flotten- und Kolonialpolitik und hatten enge Beziehungen zum Alldeutschen Verband und dem Deutschen Flottenverein. Innenpolitisch vollzog sich in der Partei jedoch unter Ernst Bassermann und Gustav Stresemann seit der Jahrhundertwende eine langsame Öffnung zu den links von den Nationalliberalen stehenden Parteien. Mit den Jahren sank der Stimmenanteil der Nationalliberalen von 30 Prozent (1871) auf 14 Prozent (1912).

https://www.grin.com/document/175547

[12] Berlin befand sich in den Händen der Sozialdemokraten und der Juden. Es drohte die Gefahr dass die Hauptstadt entchristlicht und entdeutscht werden würde. Viele Ehen waren ungetraut und noch mehr Kinder ungetauft. Siehe Brakelmann, Günter: Adolf Stoecker und die Sozialdemokratie, in: Brakelmann, Günther/ Greschat, Martin/ Jochmann, Werner (Hg.): Protestantismus und Politik. Werk und Wirkung Adolf Stoeckers, Hamburg 1982, S.84-122, hier S.90

Hier eine Rede von Stoecker zur "Judenfrage".

https://de.wikisource.org/wiki/Das_moderne_Judenthum_in_Deutschland_(Erste_Rede)

Adolf Stoecker (nicht Stöcker) war ein rechtsextremer, antisemitischer Politiker. Er intrigierte gegen Bismarck und kämpfte auch gegen die SPD, die er als "verjudet" diffamierte, also als eine Partei, in der Juden einen großen Einfluss hatten. Das war Unsinn.

Ichbinszoe 
Fragesteller
 26.03.2023, 21:14

Danke . Aber warum meinte er dass die Sozialdemokraten verjuxet waren ? Waren viele Juden Sozialdemokraten ? Setzten sich viele Juden für Arbeiterbewegungen ein ? Oder wie genau war das

0
FabianPavian  27.03.2023, 00:34
@Ichbinszoe

Die SPD war für die Arbeiter und Angestellten. Viele Juden waren aber damals für Kapitaleinkommen und das Bankensystem. Das passte irgendwie schlecht. Deshalb wirft man bekanntlich Karl Marx bis auf den heutigen Tag Antisemitismus vor.

https://brill.com/display/book/edcoll/9783846749036/BP000011.xml

https://www.grin.com/document/42618

„Es ist mir jetzt völlig klar, daß er, wie auch seine Kopfbildung und sein Haarwuchs beweist, - von den Ne# ern abstammt, die sich dem Zug des Moses aus Ägypten anschlossen (wenn nicht seine Mutter oder Großmutter von väterlicher Seite sich mit einem ni# ger kreuzten). Nun, diese Verbindung von Judentum und Germanentum mit der ne# erhaften Grundsubstanz müssen ein sonderbares Produkt hervorbringen. Die Zudringlichkeit des Burschen ist auch ni# gerhaft.“[1]
Diese vor Antisemitismus und Rassismus geradezu strotzende Aussage stammt nicht, wie man es vielleicht vermuten könnte, aus der Zeit des Nationalsozialismus, es war eine Meinung des ideologischen Todfeindes der Nationalsozialisten, Karl Marx. Die Person, der dieser Angriff galt, war Ferdinand Lassalle, neben Marx einer der großen sozialistischen Revolutionäre des 19. Jahrhunderts, Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins 1863 und Zeitgenosse von Karl Marx.

Stoecker war CSU, als evang. Theologe gegen die Juden als Religion und als Sozialdemokrat gegen übermäßige Kapitaleinkommen und auch aus dieser Richtung gegen große Teile des normalen jüdischen Lebens.

1
neinxdochxoh  27.03.2023, 07:15
@Ichbinszoe

Marx, der starken Einfluss auf die spätere SPD hatte, war Jude, ebenso Lassalle der MItgründer der Sozialdemokratie. Auch einige weitere Funktionäre waren Juden. Juden erhofften sich von der SPD eine Verbesserung ihrer rechtlichen und sozialen Lage. Dennoch sind die allermeisten führenden Köpfe und Funktionäre der SPD keine Juden gewesen: Wilhelm Liebknecht, August Bebel, die beiden Vorsitzenden, Wilhelm Hasenclever usw.

0