Karl Marx Religionskritik!

10 Antworten

Ich beschränke mich für heute auf den Satz "Das Sein bestimmt das Bewusstsein“.

Diese Phrase bezieht sich - z.T. als missverstandene Verkürzung - auf Marx' Vorwort in seinem Werk "Zur Kritik der politischen Ökonomie".

„Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“

Entgegen allen weit verbreiteten anders lautenden Gerüchten postuliert Marx hier keinesfalls eine anthropologische Naturkonstante in dem Sinne, dass das Bewusstsein dem Sein zu folgen habe, ganz im Gegenteil:

Marx kritisiert hier das bürgerliche Bewusstsein, das sich - blind für das Wesen der Dinge - vom objektiv verkehrten Schein der Verhältnisse leiten lässt. Anstatt mit Bewusstsein ihre gesellschaftlichen Verhältnisse, mithin ihr Sein, zu gestalten, lassen die Bürger ihr Bewusstsein von der Erscheinungsebene ihres gesellschaftlichen Seins gestalten.

dompfeifer  28.12.2012, 17:50

Und jetzt schließlich zur Religionskritik:

“Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend.“

Da brauchst Du nur einige Sätze weiter die Auflösung zu lesen:

“…….Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks: Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.“

Klarer kann ich das selbst auch schwerlich sagen. Die Menschen protestieren gegen ihr Elend mittels Illusionen, die ihr Elend widerspiegeln. Die Kritik dieser Illusionen richtet sich zunächst gegen das reale Elend. Dieses Elend bringt zwei Gegensätze hervor: Kritik der materiellen Verhältnisse einerseits und die Bildung von Illusionen andererseits, wobei sich die Menschen mittels der Illusionen mit den materiellen Verhältnissen aussöhnen. Da schließt sich ein Kreis.

Wenn ich nun die bürgerlichen Illusionen ihres religiösen Gewandes entkleide, stoße ich auf eine real existierende Tautologie: Die bürgerlichen Illusionen materialisieren sich in gesellschaftlichen Institutionen, die immerzu selbst die Illusionen nähren. Diese Tautologie gilt es aufzubrechen.

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dompfeifer  31.12.2012, 16:29
@dompfeifer

Übrigens habe ich herausgefunden, dass Donald Duck gar nicht der Schöpfer von Walt Disney ist!

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Zu "Das Sein bestimmt das Bewußtsein": Damit ist gemeint, dass die eigene gesellschaftliche Stellung die Denkweise bestimmt. Ein König wird zumeist denken, er sei zu recht König und das sei seine ihm zustehende Rolle in der Gesellschaft. Er mag sich nicht mal ausdenken, wie es als Untertan ist und verhält sich auch dementsprechend. Ein Untertan dagegen wird auch als Untertan erzogen und denkt und handelt auch so. Er wird selten der Meinung sein, eigentlich sollte er König sein, sondern sieht die Rolle des Untertans als seine ihm zubestimmte Stellung und verhält sich auch dementsprechend unterwürfig.

Das gleiche lässt sich immer noch in unserer Gesellschaft beobachten. Die Kleinen denken klein, die Großen groß. Die wirtschaftlich Abhängigen denken nur das, was sie dürfen, die wirtschaftlich Unabhängigen denken, was sie wollen.

Kaimosi  28.12.2012, 18:48

Benutzt Du jetzt den Dialektischen Materialismus als Worthülse wie das die Stalinisten getan haben, um die Zustände in Ihren eigenen Reihen zu verschleiern oder hast Du den Marx nicht gelesen/verstanden?=!

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Demandanto  28.12.2012, 19:08
@Kaimosi

Ich hab ihn gelesen und verstanden. Welchen Teil davon soll ich dir denn noch mal erklären? Wahrscheinlich keinen, du willst nur mit schlauen Worten um dich werfen, sonst hättest du ja geschrieben, was an meiner Ausführung angeblich falsch war. So zeigst du aber nur, dass du nur stänkern willst. Schade, das Thema ist nämlich wirklich spannend!

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Kaimosi  28.12.2012, 19:39
@Demandanto

Das Sein bestimmt das Bewußtsein...

Ist die Kernthese des Dialektischen Materialismus...ich habe das gelesen als ich nach Schlagwörtern gegen das Establishment suchte und kurz nachdem die Hauptprotagonisten dieser Thesen die Fahne strichen...es war eine unglaubliche Erfahrung, so wie die Bardot als junges Mädchen und später als ungepflegte, alte Tiermama...

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dompfeifer  28.12.2012, 19:57
@Demandanto

Hallo Demandanto, die Art, wie Marx bei den Apologeten des Dialektischen Materialismus (z.B. in der DDR) verdreht wurde, hat hier Kaimosi offensichtlich begriffen.

Mit dem Satz „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“ beschrieb Marx alles andere als divergierende Bewusstseinsinhalte infolge der jeweiligen individuellen materiellen Lage. Augenscheinlich begegnen sich doch selbst im Sonntagsgottesdienst die Angehörigen beider Klassen im vereinten Gebet: "Maria, hilf uns alle, in diesem Jammertal!"

Als Literatur, ggfs. zur Erinnerung und Vertiefung empfehle ich Dir u.a.:

K. Marx, Kritik der politischen Ökonomie

Kapital I, 1, 4, Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis .

Nebenbei Marx: "Ein König ist ein König, weil ihn seine Untertanen wie einen König behandeln."

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Kaimosi  28.12.2012, 20:22
@dompfeifer

Hallo Demandanto, die Art, wie Marx bei den Apologeten des Dialektischen Materialismus (z.B. in der DDR) verdreht wurde, hat hier Kaimosi offensichtlich begriffen.

Fast ein Ritterschlag...oder überwiegt da das Zynisch-Ungläubige?

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dompfeifer  28.12.2012, 22:43
@Kaimosi

Ich habe Dich zum Ritter geschlagen! Zynismus habe ich mir hier ausnahmsweise erspart, und Gläubigkeiten überlasse ich den Anhängern der (entgegen der dort gepredigten Gestzmäßigkeit von Sein und Bewusstsein) versunkenen DDR, auf die ich schon 1980 fast punktgenau gewettet hatte.

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Kaimosi  29.12.2012, 08:36
@dompfeifer

Ja sicher...

Das mit der DDR ist eine wunderschöne Randnotiz, ich denke nicht, dass man in der DDR oder UDSSR den Marx wirklich interpretierte, deswegen auch meine nonchalante Formulierung bezüglich meines 'Fans' demandanto'...:-)

Über Marx Religionskritik könnte man Bände schreiben, nur wird man hier immer nur die 2 Sätze zitieren, die zum Populärwissen gehören. Ich finde seine Empirik nicht nachvollziehbar, denn weder die politischen noch sozialen Entwicklungen zum Ende des 19. Jh. sehe ich in irgendeinem vordergründigen Zusammenhang mit Religion...

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dompfeifer  29.12.2012, 15:39
@Kaimosi

Kaimosi, willkommen im geistigen Kreis der Tafelrunde von King Arthur!

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dompfeifer  29.12.2012, 16:05
@Kaimosi

Ich denke im Gegensatz zu Dir durchaus, "dass man in der DDR oder UDSSR den Marx wirklich interpretierte", und zwar entsprechend dem Herrschaftsinteresse. Da wurde eben das inhaltliche Verständnis mit Interpretationen überdeckt. Diesem geistigen Feldzug, dem Antimarxismus im marxistischen Mäntelchen, folgte die reale Gewalt auf den Fuß. Stalin war der größte Kommunistenschlächter aller Zeiten, von Russland bis zum spanischen Bürgerkrieg. Dort machte er sich (formell auf republikanischer Seite) Generalissimus Francisco Franco nützlich, beinahe in Brüderschaft mit der deutschen Legion Condor.

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Kaimosi  29.12.2012, 16:16
@dompfeifer

Klar, ich meinte das eher im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen Anspruch Wirkung seiner Schriften, man konnte in ein wirkliches Dilemma geraten wenn man die Entfernung von Marx/Engels erwähnte, nur war Marx ja eh nicht der Praktiker...ein Grund - nach meiner Einschätzung - warum vieles seiner Aussagen eben nur an der Oberfläche kratzt...

Stalin und Spanien bringen nur sehr wenige hier zusammen, dazu muss man sich auch wirklich mit dem Thema beschäftigt haben...:-)

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Kaimosi  29.12.2012, 16:17
@dompfeifer

Ein schönes Bild...ist der Parzival noch frei? Mich dünkt es zu versuchen...:-))

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helmutwk  29.12.2012, 19:22
@Kaimosi

Stalin und Spanien bringen nur sehr wenige hier zusammen

Hoffentlich mehr als du denkst. Das ist ja u.a. auch von Hemingway in For whom the Bell Tolls ()Wem die Stunde schlägt), wo zwei Trotzkisten (? oder so ähnlich, weiß nicht mehr genau) von dem Stalinisten der Kampfgruppe erschossen werden.

Die Kommunisten haben so einige Niederlagen der Linken auf dem Gewissen - ohne Lenin hätte z.B. die USPD 1918 eine Chance gehabt, sich durchzusetzen. Stattdessen haben die Spartakisten die USPD gespalten, und die (M)SPD gewann ...

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Kaimosi  29.12.2012, 22:38
@helmutwk

Darüber habe ich eine lange Hausarbeit geschrieben, ich führte in 1988 eine Gruppe von Amis zu den Schauplätzen der Spartakisten in den West-Berliner Arbeiterbezirken...

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Er will keine Kampfansage an die Religion machen, auch keine Verfolgung soll stattfinden (wird ja oft behauptet)

Die Religion stellt das Selbstbewusstsein, -und Gefühl eines Menschen, sich selbst noch nicht erworben und schon verloren, dar. Der Mensch, das ist aber kein abstraktes, außerhalb der Welt stehendendes Wesen.Er ist das was die Welt des Menschen, Staat, Gesellschaft ausmacht. Der Staat, und die Gesellschaft aber erstellen der Religion, ein falsches Weltbewusstsein ,weil sie eine verkehrte Welt sind.

Das Elend liegt auch an der Zeit in der Marx lebte. Karl Marx lebte. Von ökonomischen, sozialen, politischen Umwälzungen. Die Wirkung auf Leben und Bewusstsein der Menschen waren anfängliche Umschichtungsprozesse.

Das Sein bestimmt das Bewusstsein

Das Sein= Das Bewusstsein/ Selbstbewusstsein des Menschen und somit des Glaubens und der Gesellschaft als Gemeinschaft da der Mensch höchstes Wesen ist. (Im eigenen Sein)

Außerdem war er geborener Jude^^

„Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend“

Wenn Mensch die ganze Religionskritik liest wird das sehr einfach verständlich.

Aber wir wollen uns erst einmal nur für den für das Zitat relevanten Teil beschäftigen.

"Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen, das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks. Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks: Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf."

Hieraus wird klar das religiöse Menschen das Leid das durch die kapitalistische Welt verursacht wird versuchen mit Religion (vor sich selbst) zu verschleiern.

In Wirklichkeit ist es aber nur ein Protest gegen das wirklich Elend (das kapitalistische Elend).

Es ist also in einem der Ausdruck der kapitalistischen Gesellschaft die der Religionen Bedarf um sich aufrecht zu erhalten und der Hilferuf der religiösen selbst weil sie diese Gesellschaft nicht ohne Religion ertragen.

Folglich muss also "illusorischen Glücks des Volkes" (also die Religion) durch das " wirklichen Glück" (des Volkes [die klassenlose Gesellschaft]) ersetzt werden.

Es empfiehlt sich, den Originaltext zu lesen, dem die Zitate entnommen sind. Das ist die Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Relativ kurz und leicht zu lesen. http://www.humboldt-studienzentrum.de/typo3/uploads/media/Karl_Marx_Einleitung_Kritik_an_Hegels_Rechtsphilosophie_01.pdf

Marx stellt hier fest, dass die Philosophie die Phase der reinen Religionskritik hinter sich lassen sollte, welche die Religion lediglich als im doppelten Sinne "verkehrte" Widerspiegelung der Vorstellungen, Wünsche, Hoffnungen usw. "des Menschen"  entlarvt hat und die das Verkehrte durch das richtige Bewusstsein des Menschen ersetzen wollen.

Er wendet ein, dass die verkehrte Weise, in der die Menschen ihr Zusammenwirken zu gestalten haben, das Verkehrte sei und notwendig die verkehrten Vorstellungen vom richtigen Leben hervorbringen. Daher, so stellt er später, in der (Kritik der) "Deutschen Ideologie" fest, käme es darauf an, die (verkehrte Organisation der) Welt zu verändern, wenn man möchte, dass die Menschen die Phrasen vom Bewusstsein (die antirelegiöse Religion) hinter sich lassen und ihre Beziehungen mittels  "wirklichem Wissen" herstellen können - also nicht mehr in einem Zustand leben, in dem sich die (Produktions-) Beziehungen hinter den eigenen Rücken herstellen ohne dass man genötigt ist, sie sie sich durch den Kopf gehen zu lassen.