Ist "Eurozentrismus" nicht eine ganz normale Entwicklung, wenn man in Europa aufwächst?
"Eurozentrismus" - das ist bei vielen im linksgrünen Millieu mittlerweile eine regelrechte Todsünde. Ich möchte Eurozentrismus keinesfalls propagieren, aber ist es nicht eine ganz normale Entwicklung, wenn man in Europa aufwächst?
Man wächst nunmal in Europa hauptsächlich mit europäischer Geschichte, europäischen Werten und europäischen Ansichten auf. Wir können uns eben am meisten mit unserer Heimat identifizieren. Wir lernen über Griechische Philosophen, römisches Reich, Gallier, Christentum, Mittelalter, Barock, Aufklärung, usw. Wir lernen über Bach, Beethoven und Mozart, über Bonifatius, Bismarck und Adenauer.
Deswegen ist es doch eigentlich ganz normal, dass wir uns zuallererst mit unserer Herkunft identifizieren. Heute ist die ganze Welt westlich geprägt. Selbst am anderen Ende der Welt nutzt man heute Erfindungen der westlichen Welt. Man kann also durchaus sagen, dass im letzten halben Jahrtausend Europa durchaus prägend für die Welt war. Davor gab es in Asien und im Orient Hochkulturen. In Asien gab es bereits sehr früh Papier und Porzellan. Die Stoffwebkunst und die Gewürzkultur, sowie großes Wissen der Medizin kam aus dem Orient. Diese Hochkulturen sind dann allerdings durch Religion und Staat unterdrückt worden. Und in den letzten 500 Jahren, seit Beginn der Reformation, war Europa und später die USA ganz entscheidend für die kulturelle Entwicklung der Welt prägend, weil eben im Westen Dichter, Denker und Forscher nicht unterdrückt wurden.
Ich habe ehrlich gesagt auch keine Ahnung, was zu Zeiten des Mittelalters in China abging. Man lernt über das alte chinesische Reich, ansonsten scheint sich da aber wohl nicht viel getan zu haben. Und über Afrika lernt man in der Schule höchstens was zum Thema Armut und Kolonialismus.
Wenn also jemand eurozentrisch ist, was wohl die meisten in Europa sein werden, dann liegt das doch weniger an einer vermeintlichen Überheblichkeit der jeweiligen Individuen, sondern vielmehr an unserem Bildungssystem. Wenn wir allerdings noch zusätzlich zur europäischen Geschichte die Geschichte aller anderen Kulturen lernen müssten, bräuchten wir wahrscheinlich 30 Schuljahre.
Ich persönlich werfe also niemandem seinen eventuellen Eurozentrismus vor, da ich in als normale Entwicklung ansehe, wenn man in Europa aufwächst.
Wie denkt ihr darüber?
5 Antworten
Es wird faktisch eine breit gefächerte Anwendung des Begriff geben, der dabei definitorisch eher verschwommen und nebulös erscheint.
Du z.B. definierst den ganz anders als ich das tun würde als spezifische europäische Sozialisationsbedingungen.
Für mich ist das eher eine bornierte Sicht auf die Problemlagen der Welt, die weitgehend ausschließlich europäische Interessen an Konflikte und Probleme heranträgt - und damit deren Ursächlichkeit und und tatsächliche Lösungsansätze verkennt.
Beispiel Mali: Das ist ein fragiler Staat an der Nahtstelle von schwach bis zerfallend. In Europa wird dessen Entwicklung maßgeblich nur unter europäischen Sicherheitsinteressen wahrgenommen. Man sorgt sich um ein lokales Erstarken terroristischer islamistischer Strukturen und schickt da Militär hin.
Aber hinter dem Erstarken des Islamismus stecken dort manifeste Auswirkungen des Klimawandels, die zu wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen führten und den Viehzucht treibenden Halbnomaden die Existenzgrundlage zu entziehen drohen.
Eine rein militärische Reaktion aufgrund einer beschränkten, eben eurozentristischen Wahrnehmung der Situation, vertieft eher die Probleme, als sie einer sinnvollen Lösung zuzuführen.
Insofern taugt der Begriff nicht wirklich zur vordergründigen Polemik gegen "linksgrün", sondern verbaut so nur die weitwinkligere Sicht auf relevante Probleme
So lange du dich nicht gleichzeitig für universalistisch hältest, ist "euro-zentrismus" ja OK.
Das Problem ist, dass das Christentumm sich als "universelle" Religion sah, und in ihrer Folge auch die Aufklärung als "universelle" Philosophie.
Damit ging einher, dass man alles, was anders war, als "primitiv" "unterentwickelt" und "falsch" betrachtete, und damit hat man viel Schaden angerichtet, insbesondere im Zuge der Kolonialisierung, Missionierung und "Entwicklungshilfe".
Man hat sich nicht vorgestellt, dass jemand, der an einem Ort lebt (Urwald, Steppe, Savanne,Wüste) vielleicht Techniken benützt, die über Jahrhunderte in diesem Kontext entwickelt wurden, und die daher im Detail an die entsprechende Umwelt angepasst sind. Sondern man hat gedacht, man wisse es besser, und hat somit wertvolles traditionelles Wissen über den Haufen geworfen und Techniken eingeführt, die an dieses Umfeld weniger gut angepasst sind.
Daran leidet die "Entwicklungshilfe" bis heute.
Die meisten denken bis zum Ende ihrer Strasse. Der Nachbarort ist fremd und die Einwohner Idioten.
Und du spricht von ganz Europa... viel zu groß.
Ich denke, dass in dem Politischen Milieu die gleichen Worte mit andere Bedeutung genutzt werden und mit oder in einem anderen Kontext, was die Kommunikation zwischen Links und Rechts oder auch nur zwischen der Mitte und einer der beiden Seiten extrem erschwert....
Gehören die Jahre 1933-1945 eigentlich auch zum Eurozentrismus? Und wie sah das da so mit der europäischen Hochkultur, der Unterdrückung und der kulturellen Entwicklung aus? Den Part sparst du in deiner Frage irgendwie aus.
Und in den letzten 500 Jahren, seit Beginn der Reformation, war Europa und später die USA ganz entscheidend für die kulturelle Entwicklung der Welt prägend, weil eben im Westen Dichter, Denker und Forscher nicht unterdrückt wurden.
Lies mal den Wikipedia-Artikel von Alan Turing. Was der so geleistet hat und wann/wie er gestorben ist. Und dass in den USA innerhalb der letzten 500 Jahre (oder von mir aus auch nur der letzten 100 Jahre) niemand unterdrückt wurde (um etwa überhaupt erstmal Dichter, Denker, Forscher oder gleichwertiger Mensch zu werden), meinst du hoffentlich nicht ernst.
Falls du das doch ernst meinst, dann beantwortest du dir deine Frage unbewusst schon selber. Klar sollte sich der Geschichtsunterricht um Europa drehen, ein grober Überblick, was so Bedeutsames im Rest der Welt los war, kann nicht schaden. Andernfalls glaubt man halt solch einen Quark wie
Und in den letzten 500 Jahren, seit Beginn der Reformation, war Europa und später die USA ganz entscheidend für die kulturelle Entwicklung der Welt prägend, weil eben im Westen Dichter, Denker und Forscher nicht unterdrückt wurden.