Ist es korrekt Christen als Sektenanhänger zu bezeichnen?

18 Antworten

Naja. Du benutzt die Definition von den etablierten Kirchen gegen sie selbst. Ist jetzt sicherlich nicht in deren Sinne, finde ich aber nicht passend.

Ich verstehe unter Sekte eine religiöse Gruppe, die sich durch ihre Dogmen ("propria") deutlich von einem Mainstream abgrenzt. Dass muss für sich nichts schlechtes sein, kann aber ungesunde Auswüchse annehmen.

Ich hätte als Christ nichts dagegen, wenn man das Christentum als jüdische Sekte bezeichnet. Das ist historisch korrekt, schließt aber nicht die vielen negativen Aspekte, die oft mit dem Begriff "Sekte" verbunden werden, ein.

Nachtrag: Man muss aufpassen, hier keinen Fehlschluss der Doppeldeutigkeit zu begehen, da der Begriff "Sekte" ja auch eine sehr negativ belegte Bedeutung hat, die von deiner neutralen Definition abweicht.

Hallo Dermaskus,

zu Deiner guten Frage einige Bibelübersetzungen:

Was sagten die Feinde von Jesus, dem größten aller je geborenen Juden:

Lutherbibel Apg 24,5 Wir haben erkannt, dass dieser Mann schädlich ist und dass er Aufruhr erregt unter allen Juden auf dem ganzen Erdkreis und dass er ein Anführer der Sekte der Nazoräer ist.

(Sprich "Nazarener", der Nazarener ist Christus).

Einheitsübersetzung: Apg 24,14 Das allerdings bekenne ich dir: Dem Weg entsprechend, den sie eine Sekte nennen, diene ich dem Gott meiner Väter. Ich glaube an alles, was im Gesetz und in den Propheten steht,

Einheitsübersetzung: Apg 28,22 Wir wünschen aber von dir zu hören, was du denkst; denn von dieser Sekte ist uns bekannt, dass sie überall auf Widerspruch stößt.

Du siehst: Nichts neues unter der Sonne!

Denn:

Johannes 15:20 Behaltet das Wort im Sinn, das ich euch gesagt habe: Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; . . .

So wurde aus dem Begriff "Sekte" inzwischen ein negativ belastetes Schimpfwort. Dazu die Enquete-Kommission BRD 1996 (Bundestag, Endbericht) Seite 26, Beispielhaft:

Der umgangssprachliche Sektenbegriff leidet damit an einer erheblichen inhaltlichen Undifferenziertheit. Die Enquete-Kommission hält ihn aus diesen Gründen für in hohem Maße kritikwürdig und verwendet ihn im folgenden nicht. 

Heute werden auch Glaubensgemeinschaften mit staatlicher Anerkennung Umgangssprachlich als Sekte bezeichnet und nicht von z.B. Psychogruppen unterschieden.

Christus lehrte wie Christen leben sollten. Diese Lehre ist heute weltweit in tatsächlich mehr als 10tausend christliche Glaubensgemeinschaften zersplittert. Wenn die eine oder Andere kleiner oder größer ist - es handelt sich immer um eine Spaltung von etwas das ursprünglich einheitlich war.

Auch im Islam ist die Zersplitterung der Glaubensansichten bekannt (Sunniten, Schiiten, Aleviten und noch mehr). Auch hierbei handelt es sich meiner Ansicht nach um Glaubensgemeinschaften. Niemals sollte man auch hier den begriff wie in der Frage angeführt verwenden. Das hat sehr viel mit der Achtung der Willens- und Glaubensfreiheit und Menschenwürde zu tun (ich spreche nicht von kriminellen Vereinigungen die es zweifellos gibt).

UND, GANZ WICHTIG:

Christen hängen keiner Sekte an sondern bemühen sich ihrem Vorbild Jesus Christus zu folgen. Auch aus dieser Sicht ist es Falsch Christen pauschal als Sektenanhänger zu titulieren - selbst wenn es welche geben sollte die das tun und ihnen ihre Glaubensgemeinschaft wichtiger ist als die korrekte Form der Anbetung, die den Vorgaben Christi entspricht.

Beste Grüße

Jens

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JensPeter  15.09.2022, 23:14

Nachtrag zur Historie, Zitat von der Enquete-Kommission BRD 1996 :

Sprachlich kommt das Wort von lateinisch sequi, folgen, und ist die Übersetzung von griechisch hairesis, Wahl, Gefolgschaft. Mit ihm wurden in der Antike zunächst diejenigen bezeichnet, die einem bestimmten Philosophen in seinen Anschauungen folgten. In der Geschichte des Christentums wurden damit die Gruppen bezeichnet, die außerhalb der Kirche einem bestimmten Glaubensführer und für abweichend erklärten Glaubenslehren oder Praktiken anhingen. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit (vgl. z. B. die Konstitution Ad Deus des Kaisers Friedrich II von 1220) wurde das „widerspenstige Anhängen“ an eine „Sekte“ in Acht getan und mit dem Tode bestraft (vgl. z. B. Bamberger Halsgerichtsordnung von 1507, Artikel 30).

Diese Kriminalisierung der Sektenzugehörigkeit im Mittelalter folgte daraus, daß jede Form abweichenden Glaubens als gesellschaftlich und staatlich nicht hinnehmbares Delikt verstanden wurde. Dadurch wurde aus einem religiösen Abweichen ein kriminelles Delikt, wie der protestantische Theologe P. Tillich schrieb: „Wer gegen das kanonisierte Dogma verstößt, (ist) nicht nur ein Häretiker, der den Grundlehren der Kirche widerspricht, sondern auch ein Verbrecher gegen den Staat“ .

Daneben gab 4 es freilich auch ein neutrales Verständnis von „Sekte“, so wenn Roger Bacon (im 13. Jhd.) und Nikolaus von Kues (im 15. Jhd.) von „secta Christiana“ sprechen. Eine eindeutig negative Zuspitzung scheint der Begriff „Sekte" im 16. Jahrhundert erhalten zu haben, besonders als er zur Bezeichnung derjenigen christlichen Gemeinschaften verwendet wurde, die ohne reichsrechtliche Legitimation neben den anerkannten Religionsparteien sich bildeten. Solche Auffassungen und 5 Einrichtungen wurden mit der Erklärung der Religionsfreiheit in den europäischen Staaten überwunden.

Das Grundgesetz (GG) kennt nur religiöse Vereine (Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Weimarer Reichsverfassung — WRV — ), Religionsgesellschaften (Art. 140 GG) und Religionsgemeinschaften (Art. 7 GG), wobei zwischen Religionsgemeinschaften und Religionsgesellschaften kein inhaltlicher Unterschied besteht; eine Staatskirche besteht nicht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV).

Staatsrechtlich gibt es mithin in dieser Beziehung keinen Unterschied zwischen Kirche und anderen religiösen Organisationsformen. Der Begriff der Kirche ist dadurch auch nicht mehr „geschützt", so daß sich nun

  • j e d e Organisation als Kirche bezeichnen und ihn irreführend verwenden kann.
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DsGInsta  16.09.2022, 00:03

Das ist nicht hilfreich. Denn jeder Sektenanhänger behauptet keiner Sekte anzugehören. Das Wort „Sekte“ wird gerne abwertend gegenüber anderen Religionsgemeinschaften verwendet. Entweder alle Religions- bzw. Glaubensgemeinschaften sind Sekten, oder keine.

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Nein, das wird als Beleidigung empfunden.

Da die Kirche definiert, wer eine Sekte ist, werden sie es wohl kaum Übersicht selbst sagen. Aber Recht hast du