"In den 1960er Jahren wurde die Milch noch in den Milchkannen geholt." - Wie genau lief das dann eigentlich ab!?

18 Antworten

Ich erblickte das Licht der Welt 1948, also begann mein Leben bereits mit Milch und irgendwann wurde ich mit einer Kanne zum Milchwagen geschickt und musste Milch holen. Doch sind die Städte verschieden alt und bieten ganz unterschiedliche strukturelle Möglichkeiten.

Wenn z.B. in den Innenstädten die Untergeschosse große Schaufenster und größere Ladenflächen boten, dann gab es in den Außenstädten keine solchen Möglichkeiten, denn das waren alles Wohnungen, die zwar auch vereinzelte kleine Läden boten, aber grundsätzlich nur von kleinen Geschäften belegt waren, die weniger verderbliche Waren verkauften.

Denn es gab noch keinen Kühlschrank!

Erst zum Ende der 50er Jahre und im Laufe der 60er Jahre wurde der Kühlschrank publik. Daher hatten wir im Keller einen mit Zinkblech ausgeschlagenen kleinen Holzschrank, in den man hinten Eis einfüllte. Und jenes Eis musste man ja auch irgendwoher holen. Und vor allem musste dieses Eis hergestellt werden und das geschah in der Molkerei.

So kam jeden Tag der Milchwagen, der noch von einem Pferd gezogen wurde, und brachte Eis, Quark und Milch, die der Milchmann jeden Morgen von der Molkerei abholte und in den Außenbereichen der Stadt feilbot, denn die Innenstadt hatte bereits Läden, in denen man zeitlich begrenzt Milch kaufen konnte.

Somit kam die Milch noch „zu Fuß“ in die äußeren Außenstädte und somit konnte ich sie abholen. Wenn jedoch Eis gebraucht wurde, dann musste meine Mutter zum Milchwagen, denn für mich waren die Eisstücke zu groß.

Daher war auch immer ein Mann beim Milchmann oder der Milchfrau, der für einen Obolus das Eis in die Keller der Häuser brachte.

Diese und noch viele andere Umstände bestimmten auch, warum die Frauen zu Hause gebraucht wurden und nicht arbeiten gehen konnten, doch als immer mehr Annehmlichkeiten der Frau freie Zeit boten, wurde einfach ein Kühlschrank gekauft und die Milch war zu jeder beliebigen Zeit verfügbar.

Und dennoch aber wollten die Männer weiterhin bestimmen, dass die Frauen an Kinder, Küche und Herd gebunden blieben, was den Frauen nicht gefiel. Denn sie wollten frei von häuslichen Sachzwängen sein, die damals noch absolut notwendig waren. So endete das Milchzeitalter und niemand weiß heute mehr, wie viel Milch er eigentlich unbemerkt verzehrt, denn inzwischen muss schon extra „laktosefrei" draufstehen, womit ihm dennoch nicht bewusst wird, dass Milch eines der häufigsten eingesetzten Lebensmittel ist.   


schelm1  19.03.2025, 14:49
Ich erblickte das Licht der Welt 1948, also begann mein Leben bereits mit Milch und irgendwann wurde ich mit einer Kanne zum Milchwagen geschickt und musste Milch holen.

Das waren noch Zeiten!

Der Metzger reichte einem noch eine Scheibe Fleischwurst über den Tresen, vom Sauerkraut aus dem Blecheimer hatte man einen guten Teil auf dem Weg nach Hause verzehrt und selbst das herrlich frisch duftende Brot vom Bäcker wurde in Teilen als Wegzehr nicht verschmäht; einzig die Salzheringe in eine alte Tageszeitung eingewickelt blieben im Einkaufnetz unberührt.

Zur Belohnung durfte man dann zu Hause die Rabattmarken einkleben.

Die alte Aluminiummilchkanne mit Deckel und Holzgriff existiert nach mehr als 70 Jahren immer noch im Haushalt!

Physikraxi  19.03.2025, 18:02
@schelm1

Ja, lang, lang ist es her.... es war ein großes Haus und wurde 1463 schon für zwei Familien gebaut. Auf dem Hof gab es ein Plumpsklo, sogar mit einem kleinen und einen großen Loch, und keiner schrie hinterher: Mach den Deckel runter und vergiss nicht zu spülen, denn im Flur war der einzige Wasserhahn für drei deutsche Familien sowie drei englische Notquartiere, denn die große Kaserne musste noch repariert werden. Ansonsten gab es hier keine Bombenruinen, denn die waren explizit vom Generalbombardement ausgeschlossen, weil das Schloss hier der englischen Königin gehörte.

Nun rate mal, welche der ältesten deutschen Städte das ist, wo das Hauptquartier der Engländer war.

Ich hab in der Stadt gelebt, war damals noch ein Volksschulkind.

Meine Tante hat mir eine Kanne (ca. 2l etwa) gegeben und ein bischen Geld, und dann bin ich zum Milchladen um die Ecke gegangen, dort wurde die Kanne von der Verkäuferin am Milchhahn gefüllt (ein Zapfhahn ähnlich wie für Bier) und dann hab ich gezahlt und bin wieder heimgedackelt (etwa 180m einfach ...)

Zum Vergleich: meine Urgroßmutter (gest. 1900) hatte selbst einen Milchladen in der Vorstadt betrieben - die hatte damals noch einfach eine Kuh in/bei ihrem Laden.

Ich kenne es noch so dass man zwei Kannen hatte. Die eine wurde nachmittags nach dem Melken vom Bauern gefüllt. Und dann sind wir als Kinder gekommen, haben die volle Milchkanne gegen die Leere getauscht.

Da die Milch aber für eine Pension war dürften wir offiziell die Euterwarme Milch nicht so trinken sondern die musste erst abgekocht werden.

Man molk am frühen Morgen die Kühe. Oft noch vor dem Frühstück, als erste Aufgabe des Tages. Da die Kühe weniger Milchleistung brachten als heute, reichte das.

Die kam in große Kannen und man stellte sie an den Abholplatz. Das waren schwere Kannen, die man auf einen Bollerwagen transportierte oder rollte. Der Milchwagen der Genossenschaft kam und sammelte die vollen Kannen ein und stellte leere dafür hin. Der Fahrer schrieb auf, wie viele Kannen es waren. Oft hatten sie aufgemalte Zeichen, dann wußte man von welchem Hof welche Kanne war. Die Kannen kamen auf den offenen Pritschenwagen. Unserer hatte dafür eine Sackkarre und eine Rampe. Später, als die Höfe größer waren, wurde die Milch umgepumpt. Da fuhr der Milchwagen an den elektrisch gekühlten Sammelbehälter und pumpte die Milch nur rüber.

In der Genossenschaft wurde die Milch kurz geprüft. Meistens war es nur eine Sichtprüfung und man roch daran. Manchmal wurde sie gekostet. Dann kam sie in dem Sammelbehälter zum Erhitzen. Später kamen Labortest und Milchproben dazu.

Anschließend kam sie in den Milchwagen oder wurde abgefüllt in Flaschen.

In unserer Straße geb es noch bis in die 70er Jahre einen Milchmann. Der verkaufte Milch und Milchprodukte. Zu ihm gingen wir einmal täglich mit unserer Milchkanne. Der hatte im Laden eine Pumpe, wie man sie von Brunnen kennt und Meßbecher mit langem Griff. Der hing in einer großen Milchkanne. Die Milchfrau wußte genau wie sie pumpen musste, um genau 1 Liter in die Kanne zu pumpen. Ihr Mann brauchte dafür die Meßkelle. Man konnte die Milch auch in Flaschen kaufen, aber das war teurer, als die "lose" Milche, die man mit der Kanne holte. Zuhause wog meine Mutter die Kanne, bevor sie auf den Tisch kam.

Sahne bekam man fertig geschlagen in Schälchen, die man heutzutage für Pommes benutzt. Man hatte die Wahl zwischen gesüßter Sahne und ungesüßter. Bezahlt wurde sie nach Gewicht. Wenn die Michfrau nicht hinschaute, tunkten wir unseren Finger in die Sahnemaschine und "naschten" heimlich. Gekauft wurde von uns Sahne eher selten, die gab es nur für wichtige Anlässe. Verpackt wurde sie in "Seidenpapier". So ein eingepacktes Schälchen trug man feierlich heim und passte gut darauf auf.

Unsere Kanne hatte einen "Patentdeckel". Das war eine supermoderne Plastikkanne. Die alte aus Emaillie war mir lieber. Daraus schmeckte die Milch besser. Aber sie war schwerer und der Deckel war locker. Wenn man die Patentkanne schlenkerte oder damit hinfiel, lief nicht sofort die ganze Milch aus. Wenn man fix war, hatte man noch ein paar Sekunden um die Milch zu retten.

Salue

In der Schweiz gab es bei jedem Haus ein "Milchkästli" (Milchfach). Am frühen Morgen kam der Milchmann mit seinem Pferd vor seinem Wagen. Der Milchmann nahm eine grosse Milchkanne von seinem Wagen und füllte die bereitgestellten Milchkannen der Kunden auf.

Auf ein "Hüh" hin lief das Pferd bis zum nächsten Kunden. Die Kunden legten so genanntes Milchgeld zum ihrem Behältnis uns so wusste der Milchmann auch, wieviel Frischmilch der Kunde haben will. Das Milchgeld bestand aus billigen Münzen, die man im Laden kaufen konnte. So riskierte man nicht, dass jemand das Geld klaute.

Irgendwann ging der Milchmann und auch sein Pferd in die Pension. Es gab keine jungen Milchmänner mehr die mit einem Pferd umgehen konnten. Eine Weile lang gab es dann noch eine Lösung mit einem Elektrokarren. Schliesslich bezog kaum noch jemand Frischmilch und die Sache wurde beendet.

Ich habe heute noch das Klappern der Hufe des Pferdes in den Ohren.

Tellensohn