Höhlengleichniss?

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Bei Platon ist das Höhlengleichnis mit einer großangelegten erklärenden Theorie verbunden, die dahinter steht. Das berühmte Höhlengleichnis, das Platon in seinem Werk «Politeia» - im Zusammenhang einer näheren Erläuterung der Erziehung/Bildung (παιδεία [paideia]) der Philosophinnen/Philosophen - geschrieben hat (514 a – 517 a), ist nach anschließend gegebenen Hinweisen (517 a – 521 b und 532 a– 535 a) im Zusammenhang mit dem Sonnengleichnis (508 a – 509 d) und dem Liniengleichnis (509 d – 511 e) zu deuten. Die Aussagen sind mit einer Ideenlehre und einer diese weitergehnd erklärenden und begründenden Prinzipienlehre verbunden.

Das Höhlengleichnis verdeutlicht die Aufgabe, nach dem Aufstieg (der eigenen Befreiung) und einer Umwendung der Seele (ψυχῆς ττεριαγωγή Platon, Politeia 521 c) zur erhellenden Erkenntnis zu den noch in Unkenntnis befindlichen Menschen zurückzukehren.

Platon bezieht sich mit dem Höhlengleichnis auf:

a) die Beschaffenheit der Wirklichkeit/des Seienden (Ontologie), mit verschiedenen Seinsstufen/Wirklichkeitsbereichen

b) die Möglichkeit einer Erkenntnis der Wirklichkeit (Erkenntnistheorie)

c) ethische Gesichtspunkte, besonders auch pädagogische

Standpunkte Platons zur Möglichkeit von Bildung und Erkenntnis:

  • Vorhandensein von Anlagen zum Guten und Vernünftigen in den Menschen
  • Vorhandensein von Erkenntnisvermögen in der Seele und dadurch einer Fähigkeit zum Lernen (in einem gewissen Sinn als Wiedererinnerung verstanden)
  • eine Beschaffenheit der Wirklichkeit/des Seienden mit verschiedenen Seinsstufen/Wirklichkeitsbereichen
  • grundsätzliche Erkennbarkeit der Wirklichkeit für die Menschen auf der Grundlage von Ideen
  • Notwendigkeit einer befreienden Loslösung aus einer Fesselung an bloße Sinneswahrnehmung und von falschen Meinungen
  • Möglichkeit des Gelingen einer Befreiung allein auf sich gestellt nur bei philosophisch begabten wenigen Einzelnen mit besonders großen Fähigkeiten
  • Erforderlichkeit einer anstoßenden Initiative und einer Unterstützung von außen für die meisten Menschen

Seinsstufen/Wirklichkeitsbereiche

1) sinnlich wahrnehmbare Welt/Erscheinungswelt/Sinnenwelt/empirischer Bereich (von Platon genannt: ὁϱατὸς τόπος [horatos topos] = sichtbarer Bereich, auch τὸ ὁϱατόν [to horaton] = das Sichtbare, ὁϱατὸν γένος [horaton genos] = sichtbare Art)

a) Abbilder von durch Sinneswahrnehmung erfahrbaren Dingen (Gegenstände/Lebewesen)

b) durch Sinneswahrnehmung erfahrbare Dinge selbst (Gegenstände/Lebewesen selbst)

2) denkbarer Bereich/geistig erfaßbarer Bereich/durch Vernunft einsehbarer Bereich/intelligible Welt/Welt der Ideen (von Platon genannt: νοητὸς τόπος [noetos topos] = denkbarer Bereich, auch τὸ νοητόν [to noeton] = das Denkbare, τὸ γνωστόν [to gnoston] = das Erkennbare, νοητὸν γένος [noeton genos] = denkbare Art)

a) mathematische Gegenstände und Formen

b) Ideen, mit der Idee des Guten an der Spitze

Erkenntnisstufen

1) Meinung (δόξα [doxa]), bloß auf Sinneswahrnehmung beruhend

a) Mutmaßung (εἰκασία [eikasia])

b) Fürwahrhalten/Überzeugung (πίστις [pistis])

2) Erkenntnis/Wissen der Vernunft (νοῦς [nous] = Vernunft, Geist, Denkkraft, Einsicht)

a) Verstand/hin- und herlaufendes (diskursives) Denken (διάνοια [dianoia])

b) einsehendes/geistig erfassendes Denken (νόησις [noesis]), mit Hilfe von begrifflichem Denken - von Platon Dialektik/dialektische Kunst genannt (Politeia 532 – 534) - Erkenntnis der Ideen

Die Wirklichkeitsbereiche und Erkenntnisstufen können auch von 1 - 4 durchgezählt werden, nämlich 1) a) = 1; 1) b) = 2) ; 2) a) = 3; 2) b) = 4).

Zu einer echten Erkenntnis kommt ein Mensch nur durch Denktätigkeit.

Mangelhaftigkeit eines Stehenbleibens bei einem bloßen Anschein, den Sinneswahrnehmung gibt

Die Menschen sind gewöhnlich dem, was sie sehen (allgemeiner genommen: der bloßen Sinneswahrnehmung) verhaftet und glauben, die Dinge seien so, wie sie erscheinen. Dies führt zu einer Beschränktheit und Mangelhaftigheit (nur ein Ausschnitt/Teil des Ganzen und an eine bestimmte Perspektive gebunden) der Erkenntnis, die durch Fixierung/fehlende Bewegungsmöglichkeit entsteht. Es gibt eine Unvollkommenheit von Abbildern im Vergleich zur wahren Wirklichkeit. Wer auf einen einzelnen Augenschein beschränkt bleibt, erkennt nicht die wahre Wirklichkeit.

Es gibt nach platonischer Auffassung bestimmte Schwächen/Anfälligkeiten der Sinneswahrnehmung:

a) Bei der Sinneswahrnehmung können Sinnestäuschungen vorkommen.

b) Bei einer einzelnen Sinneswahrnehmung kann eine Blickverengung/eine Fixierung auf eine einzige Perspektive zu einer falschen Gesamtbeurteilung führen.

c) Die Sinneswahrnehmung kann etwas an Einzeldingen erfassen, aber sie neigt zu unmittelbarer Verallgemeinerung, ohne einen Sachgehalt (etwas Bestimmtes in seiner Sacheinheit) richtig zu erfassen. Dies leistet erst begriffliches Denken. Bei den Dingen gibt es etwas, das seinem Wesen nach zur Sache selbst gehört, und etwas, das nicht dazugehört (bei einem Tisch können z. B. Form und Material unterschiedlich sein, aber es gibt eine Grundfunktion bei jedem Tisch, etwas daraufstellen zu können). Die Sinneswahrnehmung gewährleistet keine angemessene Unterscheidung dazwischen (zwischen Idee und Nicht-Idee).

Platon will nicht die Sinneswahrnehmung als Mittel beseitigen und empirische Wissenschaft abschaffen, sondern auf die Beschränktheit eines einzelnen Sinneseindruckes hinweisen. Die Sinne sind für das Unterscheiden in der Wahrnehmung zuständig. Es geht ihm darum, für Erkenntnisse die Sinneswahrnehmung durch Denken zu erweitern. Der Aufstieg aus der Höhle steht für den Schritt dazu.

Bedeutung und Ermöglichung von Lernen/Erziehung/Bildung

Es gibt in den Menschen Anlagen zum Guten und Vernünftigen. Ein Aufstieg zum Besseren (aus der Höhle hinaus) ist für sie nicht unmöglich. Menschen haben die Fähigkeit zum Lernen. Die Vernunft kann den Menschen leiten.

Die innere Ausrichtung ist nach Platon wichtig. Gegenüber einem unkritischen Verhaftetsein am Schein ist zur Befreiung eine Neuorientierung nötig. Das Entdecken der Welt ist eine Erfahrung und Denkleistung, die von den einzelnen Personen selbst zu vollziehen ist. Das Gewinnen von Erkenntnis, echter Einsicht, kann mühsam und schwierig sein. Hilfe durch andere kann weiterführen, erfordert aber Bereitschaft zum Einlassen auf andere Sichtweisen und zum Umdenken. Platon nimmt bei gewöhnlichen Menschen/den meisten keine Befreiung aus bloßer Eigeninitiative an. Einzelnen mit besonders großen Fähigkeiten kann eine Neuorientierung aus eigener Kraft gelingen. Die meisten Menschen sind nicht so begabt und bedürfen eines Anstoßes und einer Unterstützung von außen. Der Übergang erfordert in beide Richtungen Vorsicht und Behutsamkeit, weil die Menschen ohne richtige Erkenntnis sich an ihren Zustand gewöhnt haben und erst einmal kaum etwas verstehen (der Gewinn, den Philosophie bringen kann, ist für sie nicht offensichtlich) und die Umgewöhnung anstrengende und unangenehme Seiten haben kann, auch für die zu Einsichten Vorgedrungenen bei einer Rückkehr zu Verhältnissen ohne ausreichende Erkenntnis, in die Welt des Scheins.

Die Seele hat nach einigen Darstellungen Platons vor ihrer Existenz in einem einzelnen Menschen Ideen geschaut. Dieses Wissen ist beim Aufenthalt der Seele im Körper nur noch verborgen, der Möglichkeit nach vorhanden, kann aber durch einen geistigen Anstoß aktiviert werden. Daher sind Lernen und Erkennen in gewissem Sinn Wiedererinnerung/Anamnesis (ἀνάμνησις).

Verbindung von Theorie und Praxis

Der philosophische Weg ist zunächst der Aufstieg in den Bereich des Denkbaren, in die Welt der Ideen, und das Gewinnen von Erkenntnis, dann die Rückkehr/der Abstieg in die Höhle zu den ehemaligen Mitgefangenen, die noch an den bloßen Anschein des Gesichtssinns gefesselt sind, und ihre Befreiung durch Vermittlung des Wissens. Das Höhlengleichnis verdeutlicht die schwierige Aufgabe, nicht in reiner Ideenschau zu leben, sondern nach dem Aufstieg - der eigenen Befreiung und einer Umwendung der Seele (ψυχῆς ττεριαγωγή Platon, Politeia 521 c) zur erhellenden Erkenntnis - zu den noch in Unkenntnis befindlichen Menschen zurückzukehren und für ihre Befreiung tätig zu sein. Eine Philosophenherrschaft ist nach Auffassung Platons der einzige Weg, einen Staat größtmöglicher Gerechtigkeit zu verwirklichen. Der Aufstieg philosophisch Veranlagter zu den Ideen bis hin zur Idee des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα Politeia 517 b) ist für Platon die Bedingung der Möglichkeit der Befreiung von Staaten als ganzer aus Übeln/einer schlechten Lage (Politeia 473 c - 473 e) und einer Umsetzung des von ihm in einem Entwurf dargestellten gerechten Staates. Diese (nach Platons Annahme eine eher kleine Anzahl, eine Elite) sollen die Lenkung des Staates erhalten. Nach dem Aufstieg zum Licht der Sonne (steht für die Idee des Guten) sieht Platon nicht eine rein theoretische Lebensweise vor, sondern eine Hinabsteigen zurück in die Höhle zu den anderen, eine Hinwendung auch zur Praxis. Platon begründet diese Aufgabe auch mit dem Glück der Gesamtheit, auf das es ankommt die schon zur Erkenntnis Gelangten werden nach seiner Meinung eventuell eigentlich wenig Neigung haben, die mühsame, schwierige und gefährliche Aufgabe zu übernehmen und damit zumindest ein Stück weit auf eine ungestörte Zuwendung zur Ideenwelt zu verzichten).

Ideenlehre

Die Erkenntnisse sind auf Ideen bezogen. Ein Idee ist nach der Lehre Platons ein durch Denken einsehbares wahrhaft Seiendes, etwas Bestimmtes (nämlich rein die Sache selbst), das besondere und in sich selbst immer gleiche Wesen einer Sache. Eine Idee kann als innere Form, das Wesen einer Sache verstanden werden. Eine Idee ist wie ein Urbild, zu dem Gegenstände der wahrnehmbaren Welt nach diesem Muster geformte Abbilder sind.

Lernen und Erkennen beruht auf etwas, das Platon als Wiedererinnerung (Anamnesis; griechisch: ἀνάμνησις) bezeichnet. Zu einer Wiedererinnerung ist etwas nötig, das vorher etwas schon wahrgenommen oder als Gedankeninhalt gehabt hat (Ideenschau). Die Seele hat nach einigen Darstellungen Platons in einem früheren, jenseitigen Dasein, vor ihrer Existenz in einem einzelnen Menschen, Ideen geschaut. Dieses Wissen ist beim Aufenthalt der Seele im Körper nur noch verborgen, der Möglichkeit nach vorhanden, kann aber durch einen geistigen Anstoß aktiviert werden.

Dies sollte aber nicht verdecken, dass am Erkennen der Ideen begriffliches Denken beteiligt ist, das rational etwas erschließt. Erkennbar ist, was etwas Bestimmtes ist. So etwas Bestimmtes an einem Ding gilt es unterscheidend zu erfassen, um zur Erkenntnis von Ideen zu gelangen.

Es gibt in der Erkenntnissuche ein Allgemeines, das ein Zusammenfassen verschiedener Merkmale zu einer Einheit darstellt, unter Fernhalten dessen, was nicht dem Wesen nach zu dieser Sache gehört. Dieser Weg zu den Ideen entspricht einer natürlichen Bestimmung des Menschen.

Echte, also auf Ideen bezogene Erkenntnisse sind nur mit Hilfe der Vernunft möglich. Zum Erkennen der Ideen ist es erforderlich, sich von einer Beschränkung auf bloße Sinneswahrnehmung zu lösen. Das Erfassen der Idee als Ganzes, als Sacheinheit, leistet die Vernunft. Eine Idee voll zu erkennen, bedeutet, eine Sache in der Fülle ihrer Bestimmungen zu erkennen.

Rolle der Idee des Guten

Im denkbaren Bereich verleiht die Idee des Guten Wahrheit und Sein/Existenz und gibt insofern als Ursache dem Subjekt (eine Person mit Erkenntnisvermögen in der Seele) die Fähigkeit zu Wissen/Erkenntnis.

Die Idee des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα [he tou agathou idea]) gilt für Menschen als kaum/mit Mühe (geistig) zu schauen (Platon, Politeia 517 b – c).

Die Idee des Guten verursacht als begründende Kraft:

1) Erkennen der Seele

2) Erkanntwerden des Denkbaren/Einsehbaren

3) Einheit von Denkendem und Gedachtem (den Ideen), Denken und Sein, im Erkenntnisvorgang

In Wahrheit und Erkenntnis wie auch im Erkenntnisvermögen in der Seele (Geist/Vernunft) ist etwas von der Art der Idee des Guten enthalten. Dem Erkannten wird von der Idee des Guten Dasein und Wesen zuteil, die Idee des Guten übersteigt aber noch Wesen/Seinendheit/wesenhafte Bestimmtheit (οὐσία) und überragt sie an Alter und Kraft.

Google mal - da gibt es jede Menge Stoff.

Auch ganz einfache zusammenfassende Deutungen.

Du müsstest allerdings die gefundenen Deutungen nochmal mit dem Text vergleichen, um dir selbst ein Bild zu machen.