Hat das "Leid" in Leidenschaft eine tiefere Bedeutung?

4 Antworten

So komisch es klingt: Leidenschaft ist wirklich nicht von leiden abgeleitet, oder zu­min­­dest nicht ganz. Und natürlich ist die beliebte Küchentisch-Erklärung „Es heißt Lei­den­­schaft, weil es Leiden schafft“ auch nicht zutreffend (also faktisch mag es ja stim­men oder auch nicht, aber etymologisch ist es falsch).

In Wahrheit ist Leidenschaft eine sogenannte Lehnprägung: Es ist ein aus deut­schen Bestandteilen gebildetes Wort, das aber die Eigenschaften einer fremden Spra­che nach­­ahmt. In diesem Fall ist es franz. passion, das sowohl „Leid“ als auch „Leiden­­schaft” be­deu­ten kann — diese breite Bedeutung steckt bereits im Vorläufer­wort, dem lateinischen passio ‘das Erleiden’, aber auch ‘das was man erlebt’ und spe­zi­ell ‘die Hingabe an jemanden’ (v.a. die Hingabe an Jesus), abgeleitet von patior ‘ich er­dul­de’.

Ver­mut­lich hat auch lat. passio seine Bedeutung unter dem Einfluß einer Fremd­spra­che ver­brei­tert, denn griech. πάθος páthos heißt fast alles, was einem Men­schen zu­sto­ßen kann (Elend, Unglück, Tod, jede Art von Emotion) und ist ebenfalls von einem Verb (πάσχειν ‘fühlen, leiden, erleiden‘) abgeleitet. In der Antike stellte man sich Ge­füh­le oft als externe Kräfte vor, die auf einen Menschen losgelassen werden, aber nicht aus seinem Inneren stammen.

P.S.: Weil in ein paar anderen Antworten auf das Leid verwiesen wird, möchte ich dar­auf hinweisen, daß das Substantiv Leid und das Verb leiden nicht oder allenfalls ex­trem weit­läufig miteinander verwandt sind.

  • Das Substantiv Leid stammt aus einer Sippe, die Haß, Feindschaft und Unrecht bezeichnet (ich bin es leid, das ständig sagen zu müssen).
  • Dagegen hatte leiden althochdeutsch die Bedeutung ‘weggehen’, und das Kom­po­si­tum erleiden hieß ‘erfahren, erleben’. (Das Verhältnis des Barons zu den Schau­spie­lern hatte seit ihrem Aufenthalte im Schlosse verschiedene Ver­ände­run­gen er­lit­ten, Goethe)

Die beiden unverwandten Wörter haben sich dann im Lauf der Zeit einander in ihrer Be­deu­tung angenähert, so daß heute näherungsweise ‘Leid=Unglück’ und ‘leiden=​Un­glück durch­machen’ gelten. Die älteren Bedeutungen scheinen nur manchmal ein bißchen durch.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

Doch, da gibt es schon einen sprachlichen Zusammenhang.

"Leidenschaft" oder auch seine Entsprechung "Passion" weisen auf die Heftigkeit des Gefühls hin. 
lat. passio = ‘Leiden’, spätlat. ‘Empfindsamkeit’.

https://www.dwds.de/wb/Leidenschaft

Aber das alles hat ja nicht besonders viel damit zu tun, zu "leiden".

Es gibt noch eine weitere Bedeutung von "leiden": "gernhaben; als sympathisch, angenehm o. Ä. empfinden". Darauf bezieht sich der Begriff "Leidenschaft".

Hateyall 
Fragesteller
 15.11.2021, 11:13

Aber ich leide ja nicht, wenn ich jemanden gern habe.

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Tannibi  15.11.2021, 11:16
@Hateyall

Du leidest auch nicht, wenn du leidenschaftlich
gerne mit deiner Eisenbahn spielst.

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Perpendikel  15.11.2021, 13:05
@Hateyall

Siehst du einen wesentlichen Unterschied zwischen "gern haben" und "gut leiden können"?

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Landkuh7  16.09.2022, 21:59
@Hateyall

Aber das Gefühl der Vergänglichkeit lässt dich leiden, weil du dir im klaren bist das diese Person jederzeit dich verlassen kann, dass du sie nicht besitzen darfst, sie kann machen und denken was sie will. Du musst damit klar kommen, es akzeptieren wenn sie dich verlässt, und deswegen leidest du. Das Prinzip sollte jeder Erwachsene verstehen. Oder das eine Person sterben kann, du mit ihr abschließen musst. Ich glaube genau das bedeutet Leidenschaft.

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Tamtamy  15.11.2021, 11:14

Nein, das hat nicht mit dem 'mögen' zu tun. (s. meinen Beitrag)

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Man sagt ja auch: "Das kann er gut leiden."

So ist nicht "Leid und Schmerz" gemeint, sondern Sympathie und Euphorie.

Tamtamy  15.11.2021, 11:24

Nein, das hat nicht mit dem 'mögen' zu tun. (s. meinen Beitrag)

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