Gibt es überhaupt die Gegenwart?

14 Antworten

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ich sehe das ähnlich. Ich denke dass alles was je existiert hat oder existieren wird schon da ist und wir nur mit unserer Wahrnehmung scheinbar durch die Zeit bewegen. Man kann das ziemlich gut mit einem Film vergleichen der, wie es vor der Digitalisierung üblich war, von einer Rolle abgespielt wird. Der Film existiert schon als Ganzes, der Zuschauer sieht aber nur einen bestimmten Augenblick.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Masterstudium Physik
Tommyleinchen59 
Fragesteller
 13.07.2023, 14:27

Wow. Sehr coole Antwort, danke!

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Hallo Tommyleinchen59,

"Time flies", so sagen wir häufig - und doch gibt es Momente, wo die Zeit empfunden stehenbleibt.

In einem physikalischen Modell können wir im Rahmen der Relativitätstheorie die Zeit in einer quasi-räumlichen Bewegung (vierte Dimension) ausdrücken. Da würden wir uns mit Lichtgeschwindigkeit bewegen - was wir aber nicht wahrnehmen. Gerade in der Relativitätstheorie, wo wir uns mit der Raumzeit beschäftigen, gibt es so ein paar theoretische Effekte, die man auch in der Zwischenzeit experimentell beobachten kann.

Wir werden kaum einen Zeitpunkt - sagen wir mal T - wahrnehmen. Der Zeitpunkt, als ich den Buchstaben geschrieben hatte, ist jetzt schon vorüber. Er war noch nicht, als ich an den Satz dachte. Dennoch können wir eine Gegenwart uns vorstellen, indem wir um den Zeitpunkt T herum eine wie auch immer hinreichend große Umgebung ]T-dt .. T+dt[ vorstellen. Ich schreibe das mal mathematisch mit einem beliebigen nicht nur infinitesimalen dt (bin ja Physiker von Haus aus).

So dürfen wir dieses Intervall als eine Gegenwart um T herum betrachten. Da darf auch die Zeit quasi mal stehenbleiben, wenn wir etwas entsprechend wahrenehmen.

In der Physik wird man beides brauchen können: das Intervall wie den scharfen Zeitpunkt. Dort wird es um Modelle und Messungen gehen, wobei Messungen wieder dieser Unschärfe, also einem Intervall unterliegen mögen.

Die Vergangenheit ist vorbei, das ist Geschichte. Daran lässt sich nichts mehr rütteln - es sei denn, eines Tages gäbe es Zeitmaschinen und eine Überwindung eines Zeitparadoxons. Die Zukunft würde sich im Rahmen einer zeitlichen Entwicklung berechnen lassen - würde man nur alle Rahmen- und Anfangsbedingungen kennen und hätte hinreichend große Rechenleistung zur Verfügung. Dann wäre aber die Berechnung nur so gut wie die angewandten Modelle zur Zeit.

Wir können aber viele Dinge beeinflussen - und haben somit in einer Umgebung unseres Raums (auch so ein dreidimensionales Intervall) einen gewissen Vorgriff auf ein T+dt. Dabei können wir aus der Vergangenheit lernen und bekommen einen gewissen Determinismus da hinein.

Mit vielen lieben Grüßen
EarthCitizen

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Tommyleinchen59 
Fragesteller
 14.07.2023, 17:26

Sehr hilfreiche Antwort. Vielen Dank.

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EarthCitizen20  14.07.2023, 17:32
@Tommyleinchen59

Wir könnten noch die Veränderung von Entropie anführen, wo dies schon im Sinne von Vergrößerung von Entropie über ein sehr großes System - sagen wir: unser Universum - schon als mit Zeit verbandelt betrachtet wurde.

Wo sich Zustände verändern, einem mal mehr oder mal weniger Zustände selbst zugänglich werden, mögen wir einen Zeitverlauf beobachten. Bleibt ein Zustand erhalten, mag in dem Sinne auch die Zeit stillstehen.

Befinden wir uns in einem quasi-statischen Zustand - der ist Teil einer Zustandsveränderung aber selbst als stabil zu betrachten - so würde dieser Zustand eine Gegenwart darstellen können.

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Ich sehe das genauso. Die Gegenwart existiert gar nicht. Sie ist im selben Moment, wo sie geschieht, schon wieder Vergangenheit. Wir leben also praktisch in der Zukunft, die permanent zur Vergangenheit wird, und zwar in Sekundenschnelle. Dass wir in der Gegenwart leben, ist nur eine Einbildung unsererseits und unser Wunsch, die aus der Zukunft in die Vergangenheit stürzende Zeit gerne mal anzuhalten. Aber den Gefallen tut uns die Zeit nicht. Deshalb haben wir auch immer den Eindruck, alles sei flüchtig und nichtig und im Nu weg, unser Leben nämlich. Dass es sich dennoch mehr oder weniger ausdehnt, bilden wir uns nur ein. Erst das Alter ermöglicht uns die wahre Sicht auf die Dinge: das, was uns da als Vergangenheit erscheint, ist zu einem kleinen, lächerlichen Ding geschrumpft, bar jeglicher Ausdehnung, gewissermaßen geschrumpft zu einem Punkt.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Tommyleinchen59 
Fragesteller
 01.09.2023, 20:05

Wow! Sehr, sehr gut!

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Ich würde exakt das Gegenteil behaupten. Weder Vergangenes noch Zukünftiges existiert in jedem Moment. Alle Nachwirkungen der Vergangenheit sind in der Gegenwart enthalten und Zukünftiges entwickelt sich aus der Gegenwart.

Tommyleinchen59 
Fragesteller
 13.07.2023, 12:49

...falls sich überhaupt irgendetwas entwickelt. Hätten diese Wissenschaftler recht, gibt es gar keine Zeitabfolge.

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Enzi1  13.07.2023, 12:52
@Tommyleinchen59

Zeit ist ein Begriff, der aus der Thermodynamik kommt und kein fundamentales Prinzip ist. Erst duch die Wechselwirkung von vielen Teilchen lässt sich soetwas wie ein Zeitpfeil überhaupt definieren

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Prinzipiell ist die Gegenwart die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Dazu muss man beides definieren:

Die Vergangenheit ist eine Anreihung von Ereignissen die aufeinander passiert sind.

Die Zukunft ist eine Auswahl von vielen verschiedenen möglichen Ereignissen. Welche davon gewählt wird, bestimmt der Moment in der Gegenwart. Dieser ist aber oft vorhersehbar und statistisch berechenbar durch die persönlichen Momente und Entscheidungen der Vergangenheit.