Gibt es rein theoretisch (ohne staatliche oder rechtliche Rahmenbedingungen) eine moralische Grenze, ab der ein Mensch das Recht auf Leben verwirkt hat?

11 Antworten

Wer einen anderen Menschenvorsätzlich tötet und es dabei keine besonderen Milderungsgründe gibt,

Der hätte es verdient die Todesstrafe zu bekommen.

( ich bin allerdings gegen die Todesstrafe, weil es die Menschenwürde des Täters verletzt)

Wenn er einem anderen Menschen das Leben genommen hat.

Das klingt, als würde ich die Todesstrafe befürworten - tu' ich nicht. Ich habe mich aber schon unzählige Male gefragt, ob ein Mörder, der das Gefängnis als freier Mann/freie Frau verlässt, wirklich eine Strafe verbüßt hat und damit quasi "reingewaschen" ist. Mit diesem Gedanken tu' ich mich schwer, denn das Opfer ist und bleibt tot.

Ab dem Zeitpunkt, wo er sich selbst das Leben genommen hat.

Gibt es rein theoretisch (ohne staatliche oder rechtliche Rahmenbedingungen) eine moralische Grenze, ab der ein Mensch das Recht auf Leben verwirkt hat?

Moral ist halt irgendwo subjektiv. Es gibt zwar gängige Moralvorstellungen, wobei die auch wieder sehr vom z.B. Kulturkreis abhängig sind, aber letztlich muss das jeder für sich selbst entscheiden. Und vieles geht dabei, das darf man nicht vergessen, ja auch in die Richtung geltender Gesetze, weil die eben grundlegende Werte in der Gesellschaft ausdrücken, die in aller Regel so auch gelehrt werden.

Gibt es eine Grenze, ab der ein Mensch so unmenschlich handelt, dass sein eigenes Leben aus moralischer Sicht keinen Schutz mehr verdient?

In meinen Augen nicht. In den Augen des Rechts auch nicht. Ansonsten muss das wohl jeder selbst entscheiden, da kommen dann so spannende Sachen wie 'Tochter hat das Recht auf Leben verwirkt weil sie sich mit einem deutschen Jungen trifft/Sex vor der Ehe hat/Karriere machen möchte anstatt zu heiraten' bei raus.

In anderen Worten: Arbeit für die Justiz, die da glücklicherweise eine doch sehr klare Meinung hat.


Lilia2404  30.06.2025, 14:16

Du hast Recht, dass ohne gemeinsame Normen Willkür droht, gerade wenn Rechte gelten sollen. Zugleich frage ich mich aber, ob klassische Ethiken wie Kant (Mensch als Zweck an sich) oder Utilitarismus (maximales Wohl) nicht doch einen absoluten Schutz des Lebens begründen, selbst bei extremem Unrecht (z. B. systematischer Folter). Siehst du hier Raum für eine moralische Ausnahme?

TimVonDerEcke 
Beitragsersteller
 30.06.2025, 14:17
@Lilia2404

Aus Kants Sicht wäre jede Ausnahme problematisch, weil Töten eben doch zum bloßen Mittel degradiert. Selbst ein Folterer bleibt "Zweck an sich". Utilitaristisch könnte man zwar argumentieren, dass sein Tod mehr Leid verhindert als er verursacht, doch dann öffnet man die Büchse der Pandora: Wer definiert, ab wann die Bilanz kippt?

Lilia2404  30.06.2025, 14:19
@TimVonDerEcke

Das bleibt subjektiv. Jeder muss für sich entscheiden, welche Perspektive er als verbindlich anerkennt

Moralisches Recht auf etwas zu haben bedeutet, dass man dieses etwas einklagen kann. In diesem Sinne gibt es noch nicht einmal ein Recht auf Leben.

Was man diskutieren kann, ist das gesetzliche Recht auf Lebensschutz. Aber Dir geht es ja nicht um Gesetz oder staatliche Gewalt. Das moralische Recht auf Lebensschutz ist von einer moralischen Instanz - z.B. einer Kirche - abhängig. Aus christlicher Sicht ist der Schutz des Lebens auch geboten, jedoch als Pflicht und nicht als einklagbares Recht. Und aus christlicher Sicht besteht diese Pflicht für Christen grundsätzlich und ist unverlierbar.

Jedoch erkenne ich an, dass es Zweifelssituationen gibt. So standen Christen, wie Bonhoeffer in der Nazi-Zeit, vor dem Problem, welches Leben sie zu schützen haben. War es das, des Führers (Diktator Hitler) - oder das der Verfolgten. Beides gleichzeitig schien damals nicht möglich zu sein.


TimVonDerEcke 
Beitragsersteller
 30.06.2025, 14:31

Ich verstehe deinen Punkt. Aber aus meiner Sicht leiten sich moralische Rechte aus universellen Werten ab (Respekt vor Würde oder Autonomie des Menschen). Im Endeffekt bleibt es wohl subjektiv, je nachdem, was man für eine Einstellung/Glauben man besitzt.