Gibt es das winterliche Anfüttern von Wild durch Jäger noch, sodass die Wild-Populationen keiner natürlichen Auslese mehr unterworfen sind?

2 Antworten

Erstens: Du benutzt die falschen Worte.

Zweitens: Du unterstellst die falschen Motive/Hintergründe und gibst Deiner Frage damit schon eine vorgefasste, negative Tendenz mit.

Aber ich werde trotzdem versuchen, es Dir so gut ich kann zu erklären und zu beantworten.

 

Von "Anfüttern" spricht man bei einer so genannten "Kirrung" oder auch "Lockfütterung". Die hat nichts damit zu tun die Tiere zu "ernähren" sondern sie dient ganz anderen Zwecken. Z.B. das Wild an bestimmte Stellen hin und/oder von anderen Stellen weg zu locken.

So bringt man sie dazu, eine bestimmte Stelle immer wieder aufzusuchen, weil sie wissen, dass dort etwas (und gemeint ist damit "ein wenig") Nahrung zu finden ist. Das hat mehrere Gründe:

  1. Das leichtere Erlegen von sonst schwer aufzuspürendem Wild (z.B. Schwarzwild).
  2. Zu Monitoring-Zwecken (also dem zählen des vorhandenen Wildes und um sich einen Überblick über die Tiere, deren Zustand etc. zu verschaffen, wenn sie dort „vorbeischauen“).
  3. Sie von anderen Stellen weg zu locken, damit sie sich nicht in Bereichen aufhalten wo sie Schäden machen oder selber gefährdet sind oder Andere gefährden.

Diese Kirrungen sind in Häufigkeit (wie viele Kirrungen pro Fläche) und in Menge des dort ausgebrachten Futters begrenzt.

 

Eine "Fütterung in Notzeiten"

Mit dem Recht zur Jagd ist die Pflicht zur Hege verbunden (siehe §1 Bundesjagdgesetz). Das bedeutet auch, das der Jäger verpflichtet ist, das Wild in Notzeiten zu unterstützen oder (wenn der Bestand einer Tierart gefährdet ist) diese vor dem weiteren Rückgang zu bewahren. Denn Jäger erlegen nicht nur Wild, sie sind gleichzeitig auch das, was Du gemeinhin als "Wildschützer" bezeichnen würdest und arbeiten aktiv am Artenschutz in Deutschland mit.

Notzeiten sind z.B. harte Winter, diese werden "von oben" (also durch die Jagdbehörde) festgelegt. In denen muss der Jäger dann die Tiere unterstützen. Das hat aber nichts mit einer "Aushebelung der natürlichen Selektion" zu tun sondern mit seiner Verpflichtung zum Erhalt eines gesunden, artenreichen Wildbestandes, der ihm vom Gesetzgeber (!) vorgeschrieben wird.

Sie dienen z.B. auch dazu den Wald (den wir auch als CO2-Speicher brauchen, Stichwort Klimawandel) vor übermäßigen Schäden durch Verbiss der Triebe oder Schälen der Bäume zu schützen.

 

Außerdem gibt es nicht "das Wetter" das in ganz Deutschland überall flächendeckend immer gleich ist. Es kann also sein, das an einigen Stellen eine Notzeit ausgerufen wird und an anderen nicht. In sofern kann ich Dir nur berichten, was hier in meiner Gegend der Fall ist.

Und da ist es so, das wir hier aufgrund der milden Winter seit Ewigkeiten keine Notzeit mehr angesagt bekommen haben und somit nicht "allgemein das Wild" im Winter durch Futter unterstützen sondern nur ganz selektiv die Arten, die bei uns in den jeweiligen Revieren stark gefährdet sind. - Damit sie nicht aussterben.

Und natürlich jagen wir die betreffenden Arten dann auch nicht sondern beschützen sie sogar noch und versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten (wir sind ja nicht die Grundbesitzer und müssen immer um Erlaubnis fragen, wenn wir da auf deren Land etwas verändern wollen) deren Lebensraum zu verbessern.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin Jäger
Koschthaltnet 
Fragesteller
 09.09.2023, 23:23

Den Verdacht eines gewissen Disneyland-Effekts kann aber auch diese Erklärung nicht vollständig entkräften. Ich unterstelle mal, wenn Jäger Schwarzwild jagen wollen, dann sollen sie es auch auf zu spüren wissen. Dafür gibt es Hunde und die Fähigkeit Spuren zu lesen derer Jäger mächtig sein sollten. Das gehört zum Waidwerk.

Inwieweit Jäger zum Artenschutz beitragen sollen hätte ich dann doch gerne einmal etwas näher erklärt. Den Jäger der sich für den Schutz von Lebensräumen von z.B. gefährdeten Gelbbauchunken eingesetzt hat habe ich irgendwie noch nie persönlich kennen gelernt. Dummerweise haben diese Feuchtgebiet-Viecher nämlich keine Geweihe auf dem Kopf die man über den offenen Kamin hängen könnte.

0
Waldmensch70  09.09.2023, 23:38
@Koschthaltnet

Ich muss hier auch gar nichts "entkräften" was nur auf irgendwelchen "Unterstellungen" basiert. 🤷‍♂️

Wie viele Nächte hast Du Dir schon mit Sauenjagd um die Ohren geschlagen? Wie viele Wildschäden (die die Jäger dem Bauern anteilig bezahlen müssen) hast Du schon selber beglichen?

Ich lese hier viele Unterstellungen und wenig Sachkunde.

Und für Gelbbauchunken sind die Jäger tatsächlich nicht primär zuständig, deren Aufgabenbereich erstreckt sich auf die in §2 des Bundesjagdgesetz festgelegten Wildarten.

Und was die Trophäen angeht, dazu habe ich hier schon einmal etwas geschrieben: was-haltet-ihr-von-trophaeen-jagd#answer-370927604

4

Jain.

Ohne das Füttern, gehen die Bauern zu recht auf die Zinnen, da sich das Wild an, deren Hab und Gut vergreift.

Abgesehen von Fütterungen, die zum Erhalt von gefährdeten Beständen durchgeführt werden.

Koschthaltnet 
Fragesteller
 09.09.2023, 23:14

Aber Hirsche/Rehe im Winter doch nicht?!? An was sollen die sich denn vergreifen wenn auf den Feldern nichts wächst

0
StRiW  09.09.2023, 23:18
@Koschthaltnet

Es steht noch genügend auf den Felder und im Wald.

Auch der Wald muss geschützt werden, gerade bei den Katastrophen durch den Borkenkäfer, kann man keinen erhöhten Verbiss gebrauchen.

1
ichbinich2000  01.10.2023, 13:16
Ohne das Füttern, gehen die Bauern zu recht auf die Zinnen, da sich das Wild an, deren Hab und Gut vergreift.

Das mit "zu recht" ist so eine Sache. In der Regel beruht das schlicht auf falschem Wissen... Man muss nicht füttern, um Tiere zu lenken - und darf man auch gar nicht. Gefüttert werden darf in Notzeiten, nicht weil man falsch jagt... Derartiges regelt man mit Schwerpunktbejagungen, um das Wild von den Flächen zu vergrämen, die sonst schaden nehmen könnten.

Zumal die meisten Leute keine Ahnung von richtiger (An-)Fütterung haben, was dann den Verbiss sogar noch in die Höhe treiben kann. Wer also das Wild mit reinem Mais oder Weizen in großer Menge füttert, der braucht sich nicht wundern, wenn dann die nächste Pflanzfläche keinen einzigen Haupttrieb mehr hat...

0