Fiktosexuell - kann ich mich selbst akzeptieren?
Hallo meine Lieben, ich bin in einer Phase, in der ich sehr verwirrt bin und Antworten brauche.
Als aller Erstes: Bitte keine Antworten wie "du bist mental krank" "du brauchst Therapie" etc. diese Antworten sind meiner Meinung nach nicht hilfreich und man kann mich nicht mit einem Fingerschnippen ändern oder "wieder heile machen".
So, jetzt zu meiner Frage. Ich versuche gerade, herauszufinden, ob ich fiktosexuell bin. Das bedeutet dass man eine starke emotionale/romantische/usw. Verbindung zu einem fiktiven Charakter hat. Und tatsächlich habe ich sowas seit nun etwas über zehn Jahren.
Aber, so wie vermutlich die meisten von euch, habe ich kein sehr gutes Bild von Fiktosexualität. Für mich waren das immer die Menschen die psychisch sehr krank sind (Ich bin ein Hypokrit, ich weiß). Ich bin in einer echten (lesbischen) Beziehung zu einer Fiktosexuellen, die sehr stark und auch seit zehn Jahren in denselben Charakter verliebt ist wie ich. Aber sie hat mich genauso lieb wie den Charakter, sie sieht uns beide mit demselben Glitzer in ihren Augen an. (Fiktosexualität muss nicht zwingend Asexualität zu echten Menschen bedeuten - es geht hier um die Tiefe und Langlebigkeit der Gefühle).
Ich merke jedenfalls mehr und mehr wie ähnlich ich ihr bin. Ich bin gezwungen, meine Haltung zur Fiktosexualität zu hinterfragen... und mich zu hinterfragen. Dabei geht es mir primär nicht um das Label "fiktosexuell" (das würde ich nie offen mit mir herumtragen, gäbe nur Ärger) es geht eher darum ob ich mich zu diesen Leuten dazuzählen kann. Die meisten von ihnen scheinen gar nicht zu sehen wie verstörend sie auf andere Menschen wirken können, ich sehe das schon. Und ich weiß dass ich schon Menschen mit meiner "Liebe"(?????) zu diesem Charakter verstört habe.
(Meine Freundin besteht darauf, dass sie "wahre Liebe" für diesen Charakter fühlt und ich denke mir so "oh Scheiße ich reagiere auf ihn aber genauso wie sie es tut ohneinohneinohnein" und ich verstecke mich hinter dem Begriff "parasoziale Liebe" - wahre Liebe ist doch ein Dings zwischen zwei fühlenden Menschen, oder? Nicht zwischen dir und deiner Fantasie?)
Natürlich habe ich meine reale Freundin auch extremst lieb und mein Mantra ist, dass die Liebe zu echten Menschen und die Liebe zu einem Charakter niemals verglichen werden darf, das ist wie Äpfel und Birnen. Ich habe extrem Angst davor, etwas zu tun, das mir schaden könnte/ den Bezug zur Realität zu verlieren.
(Meine Freundin sieht manchmal massiv so aus als wäre sie von der Realität losgelöst, später erklärt sie dann aber, wie es funktioniert und es wirkt eher wie ein quasi-religiöser Glaube für mich, an den sie gern glauben will, weil es sie glücklich macht. Ich habe auch sowas Ähnliches und lerne gerade, sie nicht zu verurteilen und mir erstmal selber an die eigene Nase zu fassen).
Vielleicht ist meine Situation vergleichbar mit der eines Schwulen, der mit internalisierter Homophobie zu kämpfen hat...? Oder bin ich einfach nur in den falschen Freundeskreisen (meine Freundin hat mich vielen anderen Fiktosexuellen vorgestellt) und ich mache mir nur etwas vor?
Ich bin einfach verwirrt und habe Angst, mich wo zu verirren...
Vielen Dank für eure Antworten! Sorry wenn der Text ein wenig chaotisch ist, bin grad müde und kotze mir nur grad meine Verwirrung von der Seele.
Ach ja, wir sind beide Mitte Zwanzig. Ist also keine Teenagerverwirrung. Ich dachte all die zehn Jahre lang, ich sei einfach nur ein extremes Fangirl aber ich schäme mich schon seit acht Jahren für meine Verbindung zu dem Charakter. Aber es macht zu viel Spaß, um loszulassen. (Habe es versucht, bin aber immer wieder zu ihm zurückgekehrt, es ist ob er mich nicht loslassen wolle, selbst wenn ich versuche "erwachsen" zu sein und das zu tun, was alle von mir erwarten - nämlich ihn loszulassen).
Ich fühle mich sehr sicher und glücklich wenn ich mich mit dem Charakter beschäftige. Natürlich fühle ich das auch mit meiner Freundin, aber es ist eine andere Art der Sicherheit. Wie schon gesagt, man darf das nicht vergleichen, der Kontext von beiden Lieben ist einfach zu anders.
1 Antwort
Also erstmal sehe ich in sowas nichts schlimmes.
Es ist zugegeben etwas crazy, aber da hat man auch hier schon ganz andere Sachen gesehen. Ich denke es wäre nur wichtig zu verinnerlichen, dass die liebe zu einem fiktiven Charakter vielleicht echt - aber eben unerreichbar ist. Für mich klingt das ehrlich gesagt so ähnlich als wenn ihr irgendeiner Teeny Band hinterher schmachtet. Die sind vielleicht echt aber in der Regel genauso unerreichbar.
Eine ehemalige Arbeitskollegin hatte so einen kink mit Levi Ackerman. Die hat den sogar als Tattoo und ist nur für den Synchronsprecher auf die Comic Con gefahren (die saß 5 Stunden im Zug). Nachvollziehen kann ich sowas absolut nicht 😂 Aber hey, wenn sie meint? ^^
"Für mich klingt das ehrlich gesagt so ähnlich als wenn ihr irgendeiner Teeny Band hinterher schmachtet." So hab ich das auch immer gesehen :,D ich dachte halt okay ich bin halt ein etwas obsessiver Superfan, und wennschon! Und auch "Als Teenager wäre das normal, ich bin halt noch sehr jugendlich im Kopf!"
Aber meine Freundin würde sich bei der Unterstellung beleidigt fühlen - für sie ist das eben "echte Liebe" und sie hat sich eine halbe Religion darum herum aufgebaut. Sie ist in einer Gruppe von anderen Fiktosexuellen und die alle sehen es als echte Beziehung an, oder auch "2D Beziehung" genannt.
Als sie mit mir zusammengekommen ist (bzw. eine "3D Beziehung" mit mir anfing), hat sich der toxische Teil der Freunde verabschiedet und in der Blase, in der wir jetzt sind, werden wir als Poly-Partnerschaft angesehen.
Wobei aber durchaus berücksichtigt wird, dass der Charakter "nicht in unserer Welt lebt" und mehr in unseren Gefühlen und Köpfen geistert. Es ist schon eine ziemliche Blase, in der die Menschen da leben aber viele, wie etwa meine Freundin, haben sich ihre Welt lange vorher von selber zusammengebastelt. Und ich meine, ich habe ja auch so eine Fantasiewelt mit dem Charakter in die ich mich zurückziehe.
"Ich denke es wäre nur wichtig zu verinnerlichen, dass die liebe zu einem fiktiven Charakter vielleicht echt - aber eben unerreichbar ist." Vielen Dank für diese Worte! ^^ Es tut grad voll gut zu hören dass die Liebe zu einem Charakter echt sein kann XD dank meinen künstlerischen Projekten fühlt sich das auch nicht mehr so unerreichbar an. Fantasie ist schon ein komisches Dings. Aber letzten Endes würde ich mich mit ihm wohl nicht sehr gut verstehen, wäre er real. Da ist es mir lieber, er bleibt fiktiv.
"Eine ehemalige Arbeitskollegin hatte so einen kink mit Levi Ackerman. Die hat den sogar als Tattoo und ist nur für den Synchronsprecher auf die Comic Con gefahren (die saß 5 Stunden im Zug)." omg klingt nach mir, wäre mein Lieblingscharakter nicht so ominös und unbekannt XD seit ich selbst Geld verdiene, kaufe ich alles, was irgendwie nach ihm aussieht und designe mein eigenes Fanmerch. Als nächstes stehen Plüschfiguren, Schmuck und eine kleine Wachsfigur auf dem Plan >u< natürlich werden immer zwei Exemplare gekauft, es macht so Spaß, meiner Freundin auch eine Freude zu machen!