eudämonismus

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Eudaimonismus ist eine ethische Theorie, die das Glück (altgriechisch εὐδαιμονία; die Wortbildung geht auf die Vorstellung zurück, einen „guten Daimon“ zu haben, was bedeutet, ein gutes, wohlgeratenes, gesegnetes, gedeihliches, wunschgemäßes, preisenswertes Leben zu führen) in der Bedeutung eines guten Lebens in den Mittelpunkt stellt und für die Glück das höchste Lebensziel ist. Die Frage „Was ist ein gutes Leben?“ ist grundlegend.

In dieser Bedeutung hat es den Begriff in der Antike nicht gegeben, sondern nur die Sache.

Die von den antiken Griechen verwendeten Begriffe sind unter anderem das Substantiv εὐδαιμονία (gutes Leben, Glück, Glückseligkeit) und das dazugehörige Adjektiv εὐδαίμων (gute lebend, glücklich, glückselig).

Die Wörter wurden offensichtlich schon vor den drei genannten Philosophen verwendet. Das Adjektiv εὐδαίμων verwendet schon der Dichter Hesiod, Ἔργα καὶ ἡμέραι [Érga kaì hemérai; Werke und Tage; Titel lateinisch: Opera et dies) 826. Auch in der Darstellung eines Wortwechsels des Philosophen Thales kommt es vor (Diogenes Laertios 1, 37; VS A 1 37 D K).

Das Substantiv εὐδαιμονία (ionisch: εὐδαιμονίη) erscheint beispielsweise bei Herodot 1, 32 in seiner Geschichte über Solon und den Lyderkönig Kroisos.

Bei den Sophisten ist eine Verwendung der Begriffe wahrscheinlich (Aristoteles, Eudemische Ethik 1, 4, 1215 b deutet für Anaxagoras darauf hin) und möglicherweise gab es bei ihnen eudaimonistische Theorien, allerdings ist von ihren Werken äußerst wenig erhalten.

Aristophanes, Die Wolken (Νεφέλαι; lateinischer Titel: Nubes) 413 verheißt der Chor der Wolken für den, der ein Leben entsprechend den Leitgedanken der Denkwertstatt des Sokrates (als ein Vertreter der Sophistik dargestellt), er werden glücklich (εὐδαίμων) werden.

Sokrates hat keine philosophischen Werke geschrieben. Es gibt nur Darstellungen anderer über ihn. Eine Verwendung der Begriffe ist sehr wahrscheinlich, da Sokrates sich vor allem mit ethischen Fragen beschäftigt hat. Eine feste Theorie ist für ihn kaum belegbar, da er vor allem in Frage stellte und sich um genaues Nachprüfen und Untersuchen bemühte, ohne Anspruch auf fertiges Wissen zu erheben. Nur einige wenige Standpunkte sind als Überzeugungen ausreichend nachweisbar. In den Gedanken des Sokrates sind wohl Ansätze zu einem Eudaimonismus enthalten. Xenophon Apomnemoneumata (Ἀπομνημονεύματα; Erinnerungen an Sokrates; lateinischer Titel: Memorabilia]) 1, 6, 10 verwendet die Dialogfigur Sokrates den Begriff εὐδαιμονία.

Der Sokrates-Schüler Antisthenes hat eine eudaimonistische Theorie vertreten (Diogenes Laertios 6, 11), ebenso die vom Sokrates-Schüler Aristippos von Kyrene begründete philosophische Richtung der Kyrenaïker (Diogenes Laertios 2, 87 – 88 und 2, 94).

Bei Platon kommen der Begriff εὐδαιμονία und ein Eudaimonismus vor, z. B. Euthydemos 278 e, Symposion 205 a; Gorgias 470 e - 471 a; Politeia 392 e und 580 b. Von den drei genannten Philosophen ist er der erste, bei dem dies deutlich nachweisbar ist.

Von Aristoteles wird ein Eudaimonismus systematisch vertreten. εὐδαιμονία ist angestrebtes Ziel und höchstes menschliches Gut (vgl. z. B. Nikomachische Ethik 1, 5, 1097 a – b).

Aristoteles ist der erste der drei genannten Philosophen, bei dem auch das Wort εὐδαιμονισμός (eudaimonismós) vorkommt, aber nicht in der heute üblichen Bedeutung, sondern in der Bedeutung einer Glücklichpreisung (Rhetorik 1, 9, 1367 b 33 – 36; Nikomachische Ethik 4, 13, 1127 b 17 – 19).

Den Begriff Eudämonismus für eine Glückseligkeitslehre in der Ethik hat Immanuel Kant geprägt, für Theorien, denen er sich entgegengestellt hat (Vgl. Hans Reiner, Eudämonismus. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 2: D – F- Basel : Stuttgart, Schwabe, 1972, Spalte 819 – 823):

Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten (1797). Zweiter Theil. Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre. Vorrede. (AA VI 377):

„Man muß sich hiebei billig wundern: wie es nach allen bisherigen Läuterungen des Pflichtprincips, so fern es aus reiner Vernunft abgeleitet wird, noch möglich war, es wiederum auf Glückseligkeitslehre zurück zu führen: doch so, daß eine gewisse moralische Glückseligkeit, die nicht auf empirischen Ursachen beruhte, zu dem Ende angedacht worden, welche ein sich selbst widersprechendes Unding ist. - Der denkende Mensch nämlich, wenn er über die Anreize zum Laster gesiegt hat und seine oft sauere Pflicht gethan zu haben sich bewußt ist, findet sich in einem Zustande der Seelenruhe und Zufriedenheit, den man gar wohl Glückseligkeit nennen kann, in welchem die Tugend ihr eigener Lohn ist. - Nun sagt der Eudämonist: diese Wonne, diese Glückseligkeit ist der eigentliche Bewegungsgrund, warum er tugendhaft handelt. Nicht der Begriff der Pflicht bestimme unmittelbar seinen Willen, sondern nur vermittelst der im Prospect gesehnen Glückseligkeit werde er bewogen seine Pflicht zu thun.“

Albrecht  07.11.2013, 06:10

Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Erster Theil. Anthropologische Didaktik. Erstes Buch. Vom Erkenntnißvermögen. Vom Egoism. (AA VII 130):
„Endlich ist der moralische Egoist der, welcher alle Zwecke auf sich selbst einschränkt, der keinen Nutzen worin sieht, als in dem, was ihm nützt, auch wohl als Eudämonist blos im Nutzen und der eigenen Glückseligkeit, nicht in der Pflichtvorstellung den obersten Bestimmungsgrund seines Willens setzt. Denn weil jeder andere Mensch sich auch andere Begriffe von dem macht, was er zur Glückseligkeit rechnet, so ists gerade der Egoism, der es so weit bringt, gar keinen Probirstein des ächten Pflichtbegriffs zu haben, als welcher durchaus ein allgemein geltendes Princip sein muß. Alle Eudämonisten sind daher praktische Egoisten.“

Kant verwendet die Bezeichnung Eudämonismus auch für einen optimistische Weltanschauung, die an den Fortschritt des Menschen glaubt.

Immanuel Kant, Der Streit der Facultäten (1798). Zweiter Abschnitt. Der Streit der philosophischen Facultät mit der juristischen. Erneuerte Frage: Ob das menschliche Geschlecht im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei. 3. Eintheilung des Begriffs von dem, was man für die Zukunft vorherwissen will. (AA VII 081):
„Der Fälle, die eine Vorhersagung enthalten können, sind drei. Das menschliche Geschlecht ist entweder im continuirlichen Rückgange zum Argeren, oder im beständigen Fortgange zum Besseren in seiner moralischen Bestimmung, oder im ewigen Stillstande auf der jetzigen Stufe seines sittlichen Werths unter den Gliedern der Schöpfung (mit welchem die ewige Umdrehung im Kreise um denselben Punkt einerlei ist).

Die erste Behauptung kann man den moralischen Terrorismus, die zweite den Eudämonismus (der, das Ziel des Fortschreitens im weiten Prospect gesehen, auch Chiliasmus genannt werden würde), die dritte aber den Abderitismus nennen: weil, da ein wahrer Stillstand im Moralischen nicht möglich ist, ein beständig wechselndes Steigen und eben so öfteres und tiefes Zurückfallen (gleichsam ein ewiges Schwanken) nichts mehr austrägt, als ob das Subject auf derselben Stelle und im Stillstande geblieben wäre.“

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Albrecht  07.11.2013, 20:40

Aristippos von Kyrene und die Kyrenaïker haben einen Hedonismus (ἡδονή = Lust, Freude, Vergnügen) vertreten. Ihr Hedonismus ist von einer Art gewesen, der sich insofern gegen einen Eudaimonismus richtet, als sie Glückseligkeit (εὐδαιμονία) für kaum erreichbar hielten.

Das Bestreben der Kyrenaïker richtete sich auf die jeweils gegenwärtige, momentane Lust, die nach ihrer Auffassung Ziel (τέλος) allen Tuns ist. Wenn das Ziel in dieser Weise bestimmt wird, ergibt sich als notwendige Konsequenz, das Erreichen des Ziels nicht mit dem Zustand der Glückseligkeit (εὐδαιμονία) gleichsetzen zu können, da diese zumindest potentiell die Eigenschaft haben muß, von Dauer zu sein. Im Unterschied zu allen anderen philosophischen Richtungen ihrer Zeit schieden die Kyrenaïker daher Ziel und Glückseligkeit voneinander, wobei sie unter Glückseligkeit einen Zustand kontinuierlich sich aneinanderreihender Lustempfindungen verstanden (Diogenes Laertios 2, 87 – 88).Die Chance des Gelingens, einen solchen Zustand zu erreichen, schätzen sie freilich aus gutem Grund als sehr gering ein. Die Anhäufung der Lustempfindungen, die Glückseligkeit bewirkt, schien ihnen äußerst schwierig (Diogenes Laertios 2, 90).

zum Glückbegriff der Antike als Überblicke:

Joachim Ritter, Glück, Glückseligkeit I. Antike. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 3: G – H. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1974, Spalte 679 – 691

Malte Hossenfelder, Glück. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 4: Epo – Gro. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1998, Spalte 1101 - 1103

εὐδαιμονισμός (eudaimonismós) als Glücklichpreisung auch noch: Aristoteles, Eudemische Ethik 2, 1, 1219 b 12 – 16

Aristoteles, Eudemische Ethik. Übersetzt und kommentiert von Franz Dirlmeier. 4., gegenüber der 3., durchgesehenen, unveränderte Auflage. Berlin : Akademie-Verlag, 1984 (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach, herausgegeben von Hellmut Flashar ; Band 7), S. 20:

„Ferner: warum erhält das Glück keine Lobrede? Weil man seinetwegen die übrigen Werte lobt, und zwar deshalb, weil diese sich auf jenes beziehen oder weil sie Teile von ihm sind. Daher ist ein Unterschied zwischen Glücklichpreisung, Lobrede und Enkomion. Das Enkomion nämlich berichtet vom Werk als Einzelfactum, die Lobrede davon, daß jemand eine bestimmte Gesamtqualität hat, die Glücklichpreisung aber vom Zustand der Vollendetheit.“

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Sokrates hat selbst nichts schriftliches hinterlassen, Aristoteles war ein Schüler von Platon, und bei Platon kommt er definitiv vor, z.B. im Symposion. Also wenn Du nur die drei Möglichkeiten hast, dann Platon. Aber den Begriff gabs ganz bestimmt schon früher, vielleicht nur nicht in der philosophischen Bedeutung. Da hab ich über Google jetzt aber auch nichts zu gefunden.