Alltagsbeispiel - unbedingt freier Wille?

5 Antworten

Der freie Wille unterliegt meiner Ansicht nach einem Definitionsproblem. Viele namhafte Philosophen sind diesbezüglich zu ganz unterschiedlichen Ansichten gekommen. Das liegt meiner Ansicht nach daran, dass etwas unterschiedliche Definitionen zugrunde gelegt werden. Es liegt nicht so sehr daran, dass die Hälfte der Philosophen Unfug gedacht hätte.

Schon das Adjektiv "frei" ist schwierig zu definieren.

Nehmen wir mal den Getränkeautomaten. Ich kann dort einen Kaffee oder einen Tee kaufen. Steht mir frei. Nun habe ich aber eine Bevorzugung - sagen wir mal Kaffee. Den mag ich halt. Ist meine Entscheidung schon deswegen "unfrei", weil ich diese Bevorzugung habe?

Schopenhauer würde sagen: das ist nicht frei, es gibt Handlungsfreiheit. Aber keine Willensfreiheit (ich kann nicht "wollen", dass ich plötzlich keinen Bock mehr auf Kaffee habe). Da hat er durchaus recht, ich verstehe ihn da.

Andererseits haben aber auch viele kluge Leute pro Willensfreiheit argumentiert. Und auch diese Leute haben irgendwo recht. Selbst wenn ich Bock auf Kaffee habe, ich kann das auch hinbekommen, mir - in dieser Situation - einen Tee zu holen. Man kann sich ein Stück weit über die eigenen Neigungen hinwegsetzen.

Es gibt Neigungen, das ist zweifellos so. Dennoch halte ich es für etwas zu kurz gesprungen, alleine deswegen die Willensfreiheit (auf der übrigens unser Justizsystem beruht!) über Bord zu werfen. Wir verurteilen deswegen keine Tiere (hat man früher so gemacht!), weil wir ihnen keinen freien Willen unterstellen. Menschen schon (wenn sie etwas mit Absicht getan haben, was nicht ok war). Einen Unfall verurteilen wir nicht so stark (das ist u.U. Fahrlässigkeit).

Daher denke ich, dass Schopenhauer zwar irgendwie recht hat - die anderen aber irgendwie auch. Daher bin ich immer noch der kompatibilistischen Sicht (David Hume) freundlich gegenüber eingestellt. Es gibt den Determinismus - aber der kann nicht alles erklären.

(Übrigens hat sich die moderne Physik schon lange vom strikten Determinismus gelöst.)

Sartre sagt "wir sind zur Freiheit verurteilt" - Freiheit ist uns oft lästig, weil sie uns auch verantwortlich macht. "C'est la mauvaise foi" - diesen Begriff hat Sartre geprägt, und er passt großartig zu dem, was wir heute beobachten: die Freiheit ist vielen lästig - wie schön wäre es doch, wenn wir von Mächten gelenkt würden, über die wir keine Kontrolle haben (aber das "geheime" Wissen). Und da sind wir bei den Verschwörungstheorien.

Manche Menschen wollen nicht die Freiheit (und damit die Verantwortung), sondern lieber das (falsche, aber verlockende) "Wissen" über unsere (angebliche) Unfreiheit (> siehe die "Mächte", die uns angeblich lenken).

Insofern sehe ich gerade die aktuellen Verschwörungstheorien als glänzenden Beleg für Sartres "mauvaise foi". Freiheit und Verantwortung (für den Mitmenschen) sind unangenehm. Und die "Unfreiheit" verlockend.

Der freie Wille kommt so gut wie nicht vor - er ist aber theoretisch möglich, zum Beispiel bei der Wahl

Du entscheidest dich völlig frei, wem du deine Stimme gibst, welche Partei du wählst. Ich habe diesbezüglich meine Meinung, die ich auch nicht von außen manipulieren lasse. (freie Wahl) Es orientieren sich zuvor viele Wähler, sogar einen Wahlomat nutzen die Politiker zur theoretischen Einflussnahme - aber es gibt Menschen, die darauf verzichten.

Ob das Ergebnis später deinen Vorstellungen entspricht, ist dabei unerheblich.

Den gibt es nicht. Menschen sind nicht frei. Sie sind gefangen zwischen den instinktmäßige Antriebe, ihre angeborene und anerzogene Eigenschaften. Sie sind einfach zu beeinflussen und zu manipulieren und auch die gültige Gesetze setzen den freien Willen überall Grenzen.

mondschein427 
Fragesteller
 04.01.2021, 20:09

Ja, das ist mein Problem. Habe leider dennoch die Aufgabe von meinem Lehrer eine Geschichte meiner Alltagswelt zu verfassen, in der Beteiligte über einen unbedingt freien Willen verfügen ...

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Gott lässt Dir den freien Willen, an ihn zu glauben oder nicht.

Gruß Matti

Kuhlmann26  04.01.2021, 21:12

Ergänzung: Ein Apfelbaum zwingt Dir seine Früchte nicht auf. Er bietet sie nur an. Du entscheidest, ob Du sie pflügst. Das gilt für alles Essbare, was wild wächst.

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Schwervelke  04.01.2021, 21:16
@Kuhlmann26

Nein, denn Nahrungsaufnahme ist nicht freiwillig. Man hält die Verweigerung nicht lange durch.

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Kuhlmann26  05.01.2021, 06:00
@Schwervelke

Der freie Wille beruht nicht darauf, DAS Du ist, sondern was. Anstatt der Äpfel könntest Du auch Pilze essen.

Abgesehen davon, kann man sich auch dazu entscheiden, zu sterben anstatt zu essen.

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Schwervelke  05.01.2021, 08:33
@Kuhlmann26

Die Freiheit ist immer relativ. Auch die "freie Wahl" zwischen Äpfel und Pilze ist immer beeinflusst durch frühere Erfahrungen, Aussagen Dritter, wirtschaftlicher Lage, Erlerntes (wer nicht kochen kann wählt Äpfel) und momentaner Stimmung, die auch wiederum von äußeren Einflüssen bestimmt ist.

Das Freiheitsproblem ist ein umfangreiches Gebiet der Philosophie. Auch ist es ein semantisches Problem, denn der Freiheitsgedanken, der häufig unbewusst gesteuert wird, lässt sich kaum in Sprache ausdrucken. Sogar die totale Anarchie beruht nicht auf Freiheit, sondern ist begrenzt durch Konformitätsverhalten.

Was du angesprochen hast, ist lediglich eine Wahlmöglichkeit.

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Kuhlmann26  05.01.2021, 09:17
@Schwervelke

Ich weiß nicht, ob die Begriffe Freiheit und freier Wille in Bezug auf die Frage gleichzusetzen sind.

Man müsste die Intentionen des Lehrers für seine Frage kennen.

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Schwervelke  05.01.2021, 09:55
@Kuhlmann26

Ja, und man sollte wissen, in welchem Fach die Frage angesiedelt ist. Mein Mann ist u.a promovierter Philosoph und hat gerade mit diesen Themen viel zu tun. In der Philosophie redet man über eine ganz andere Bedeutung des "freien Willen" als z.B in der Psychologie oder Geschichte.

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Kuhlmann26  05.01.2021, 10:33
@Schwervelke

Ob so ...

Freiheit bedeutet nicht, tun und lassen zu können, was man will, sondern nicht zu tun, was man nicht will.

... oder so:

Freiheit bedeutet nicht, tun und lassen zu können, was man will, sondern nicht tun zu müssen, was man nicht will.

Gefällt mir ganz gut. Von wem auch immer dieser Satz stammt.

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Schwervelke  05.01.2021, 11:03
@Kuhlmann26

Ja, die kenne ich. Die stammen aus der Politik. Das fällt bei uns unter der Kategorie "Redewendung". Es bleibt ja immer die ungelöste Frage nach dem Antrieb, dem Impetus, die Determinierbarkeit des Gedankens, und der ist nie frei oder freiwillig, auch wenn man selber meint, man macht etwa aus freien Stücken.

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