Wie beurteilt ihr die Idee einer "15-Minuten-Stadt"?
[...] Ein Konzept, das verspricht, dieser Anforderung gerecht zu werden, ist die 15-Minuten-Stadt. Sie vereint mit der Mixed-Use-Nutzung, also der Mischung aus Wohnen, Einzelhandel und Büroflächen, und der „Stadt der kurzen Wege“ zwei stadtplanerische Ansätze, die ihre Ausrichtung an den Bedürfnissen der Stadtbewohner schon in der Realität bewiesen haben.
Das von Prof. Carlos Moreno erdachte Konzept der 15-Minuten-Stadt soll nämlich genau das bieten, was ihr Name verspricht: Alle Stationen des Alltags sind in maximal 15 Minuten fußläufig oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Das Modell lässt sich verstehen wie eine kleine Stadt in der Stadt. Vom Einkauf über die Kita und das Büro bis hin zur Freizeitgestaltung lässt sich alles im unmittelbaren Einzugsbereich erledigen. Das hat gleich mehrere Vorteile: Der Stadtverkehr nimmt ab, die Luftqualität steigt, der Lärmpegel sinkt, Anwohner verbrauchen weniger Zeit für Mobilität und es entstehen neue Räume der Begegnung. Städte wie Paris, Oslo und Madrid arbeiten bereits an der Implementierung des Konzepts in ihre Stadtgestaltung. So hat die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, das Seine-Ufer für Autos sperren lassen, auf den meisten Straßen Tempo 30 durchgesetzt und treibt den Ausbau von Fahrradwegen voran. Bei den Parisern kommt das an, Hidalgo wurde dieses Jahr im Amt bestätigt.
Die 15-Minuten-Stadt: lebenswert und lukrativ
Dass die Vision einer 15-Minuten-Stadt auch aus Investorenperspektive riesige Potenziale birgt, scheint angesichts dessen nicht überraschend. Aufgrund des geringeren Investitionsrisikos im Zusammenhang gemischt genutzter Objekte sind entsprechende Immobilien schon jetzt fester Bestandteil einer langfristigen und krisensicheren Positionierung der Portfolios. Darüber hinaus ist auch die Vereinbarkeit mit den ESG-Kriterien ein wichtiges Argument, denn auch auf regulatorischer Ebene werden Anpassungen von Portfolios im Rahmen von politischen Vorgaben mittelfristig zur Pflicht – man denke hier etwa an die europäischen Beschlüsse zur Offenlegungs- und Taxonomie-Verordnung. Daher ist es unabdingbar, Objekte und ihre Standorte schon vor dem Ankauf auf ihre Zukunftsfähigkeit zu prüfen. Faktoren, die eine langfristige Attraktivität für die Bewohner und damit auch die Investoren garantieren, sind Lebenswertigkeit, Innovation, Nachhaltigkeit und die bereits thematisierte Resilienz eines städtischen Umfelds. [...]
https://live.handelsblatt.com/der-kuerzeste-weg-aus-der-krise-die-15-minuten-stadt/
7 Antworten
Das ist realitätsfern. Menschen WOLLEN mal raus, mal weg. Ich war damals zu DDR Zeiten mal zu Besuch in Berlin und habe mich total eingeengt gefühlt, weil überall Grenze war. Allerdings finde ich es auch übertrieben jeden Tag 100km zur Arbeit zu fahren - daran würde ich schon was ändern wollen.
Das Konzept würde ja nicht verbieten, dass man gelegentlich raus fährt. Es geht ja um die Alltagswege.
Eine Stadt, die nur aus Wohnungen, Einzelhandelsgeschäften und Büros besteht, ist eine Phantasiestadt oder eine gigantische Reha-Einrichtung. Vielleicht auch eine gigantische Senioren-Wohnanlage.
Klingt an sich gut, aber man kann es natürlich nicht überall umsetzen. Man kann schrittweise die Erreichbarkeit verbessern.
Unsere Familie lebt bereits die 15-Minuten-Stadt. Alle Wege im Alltag sind weniger als drei Kilometer lang: zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen usw. Sehr lebenswert! Es lohnt sich, bei der Wohnungssuche auf kurze Wege zu achten.
Wir haben unsere Wohnung vor 15 Jahren gekauft. Leider sind Wohnungen in so zentraler Lage mittlerweile sehr teuer geworden. Und wer einen eigenen Garten haben will, muss in dieser Lage schon sehr suchen.
Die Idee an sich ist gut. Die Frage ist, wie man erreicht, dass zumindest die meisten Bewohner tatsächlich eine Arbeit in der Nähe finden. Schon jetzt ist es so, dass Menschen aus Stadt A in Stadt B arbeiten und umgekehrt, teilweise sogar bei Berufen, die dasselbe tun. Einfachstes Beispiel: Lehrer. Physiklehrer Müller ist gerade mit dem Studium fertig und sucht eine Schule. Er wohnt in A, dort ist aber gerade keine Stelle frei. Also bewirbt er sich in B. Er würde sogar umziehen, hat aber eine Partnerin, die in C arbeitet, und von B wäre ihr Arbeitsweg doppelt so weit. Also haben beide einen Arbeitsweg von weit oberhalb der angestrebten 15 Minuten.
Abhilfe könnte nur eine zentrale Arbeitsplatz-Lenkung schaffen, die Arbeitsplatz-Tausch organisiert. Bei Lehrern würde das sogar funktionieren, bei Arbeitsplätzen in der freien Wirtschaft wohl kaum.