Mögt ihr Thomas Mann?
Servus,
ich lese gerade "Der Tod in Venedig" von Thomas Mann, und ich möchte euch fragen, was ihr von ihm haltet.
Wie findet ihr seine Sprache, redundant oder schön? Findet ihr seine Motive interessant oder langweilig?
Ich freue mich auf eure Meinung.
Liebe Grüße.
10 Antworten
Ich beziehe mich mal auf das Buch "Der Zauberberg", welches ich vor vielen Jahren gelesen habe. Die tiefgehenden Diskussionen zwischen Castorp und seinen Mentoren, dem Freimaurer Settembrini und dem Jesuiten Naphta, sind mir lange in Erinnerung geblieben. Sprachlich bewegte sich Thomas Mann auf einem hohen Niveau.
Dennoch glaube ich, dass das ein Werk ist, welches in die damalige Zeit passt, aber heute kaum noch Leser findet. Und das liegt m.E. auch an den Medien, die unser Leseverhalten und Informationsbedürfnis beeinflussen. Die Zeit ist schnelllebig geworden und wir werden erdrückt von Informationen, die bewirken, dass wir uns verstärkt an Schlagzeilen bzw. Kernaussagen orientieren und weniger in die Tiefe gehen.
Ich schätze Thomas Mann sehr.
Für seine Sprache. Etwa in "Der Zauberberg" finden sich wunderschöne Begriffe.
Dem kann ich teilweise zustimmen. Aber findest du nicht, dass er übertreibt an manchen Stellen?
Weil ich finde es irgendwie sonderbar, dass Lessing oder Hoffmann, die Jahrhunderte vor ihm lebten, sind einfacher zu lesen als er.
Da solltest du nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Aber ich kann nachvollziehen, was du meinst.
Ja, stimmt schon. Aber das widerspricht doch allen Sprachtendenzen – "Je älter ist ein Text, umso komplizierter ist er lesen" heißt es üblicherweise.
Da gibt es aber eben auch Ausreißer. Nichtsdestotrotz muss man sowas mögen. Wenn ich etwa an "Buddenbrooks" denke... Ich fand das großartig. Aber ja. Einfach geht absolut anders. Zumal der Plot leicht bekömmlich, die Beschreibung fast sachlich-nüchtern ist und man am Ende das Gefühl hat, das überhaupt nichts passiert ist. Zugegeben, ich habe im Wesentlichen der Sprache wegen weiter gelesen und auch nur daran habe ich die besten Erinnerungen. Der Plot in seiner Tiefe ging an mir vorüber.
Das ist ja eben das Traurige, finde ich. Icv finde, er schrieb schön, und er besaß einfach enormen Wortschatz, aber die Geschichte an sich... Häufig absolut uninteressant.
Es erinnert mich an einige Gemälde des Klassizismus: So schön gemalt, dass es einfach nicht zu glauben ist, dass dies nur ein Apfel sei, jedoch die Botschaft ist schlechterdings abwesend.
Wie gesagt, ich kann die Kritik verstehen. Sowas muss man einfach mögen.
Wer Unterhaltung und Spannung sucht, der sollte es lieber nicht mit Thomas Mann versuchen, vor allem nicht mit den "Buddenbrooks". Hier wird über viele hundert Seiten in zumeist verschachtelten Sätzen der Verfall einer Lübecker Familiendynastie beschrieben. Wer sich allerdings an kunstvoller Sprache ergötzen kann und auch vor seitenlangen minutiösen Beschreibungen egal wovon nicht zurückschreckt, der ist bei Thomas Mann gut aufgehoben.
Am besten fängt man aber erst einmal mit kürzeren Erzählungen an, etwa mit "Tonio Kröger" und "Tod in Venedig". Da kann man dann sehen, ob einem Thomas Mann überhaupt liegt.
Wie man bei den USA als Reise- und besonders als Auswanderungsland sagt "Love it or leave it", so würde ich bei Thomas Mann sagen "Love him or leave him".
Aber was ist denn dein persönliches Empfinden seiner Kunst?
Wer sich allerdings an kunstvoller Sprache ergötzen kann und auch vor seitenlangen minutiösen Beschreibungen egal wovon nicht zurückschreckt, der ist bei Thomas Mann gut aufgehoben.
Ich kann mich daran ergötzen. Erfrischend und vergnüglich finde ich auch das Sprachrepertoire von Mann, ob das nun Lübecker Platt ist, Französisch, Englisch, Italienisch, bestes Hochdeutsch oder auch alle möglichen Dialekte (je nachdem, woher die Handlungsfiguren kommen). Außerdem hat jede der wesentlichen Romanfiguren eine ihr eigene Redeweise. Einfach genial, wie Thomas Mann schon als junger Schriftsteller wirklich alle sprachlichen Register gezogen hat.
Ich bin da vielleicht ein bischen altmodisch, aber ich finde seine hochgestelzte Kunstsprache ein wahrer Genuss. Die langen Schachtelsätze stören mich keineswegs. Sie schärfer eher den Verstand, wie ich finde.
Beim dem Roman "Der Erwählte" war ich doch etwas verwundert. Da hat Mann gezeigt, dass er auch ganz anders schreiben konnte.
Seine Persönlichkeit finde ich eher fragwürdig. Schon seine Ansichten zum 1. Weltkrieg, die Intoleranz gegen seinen Bruder, sowie die Bevorzugung von 3 seiner 6 Kinder und der Verachtung der restlichen 3.
Der war wohl eher ein totaler versnobtes Lübecker Prinzensöhnchen aus bestem Hause, und das bis zu seinem Tode. Ich hasse das auch, wenn der selbst was aus seinen Werken vorliesst. Da weiss man dann schon alles. LOL!
Das kann ich durchaus nachvollziehen. Ich finde seine Sprache zwar schön, wünschte mir allerdings mitunter etwas mehr Inhalt.
Liebe Grüße
Ich hab mal versucht - und ich betone: versucht! - den "Zauberberg" zu lesen. Unmöglich. Ich lese sonst gerne Klassiker, Fontane, Tucholsky, aber mit Mann komm ich nicht zurecht.
Ja. Ich mein, ich lese schon auch anspruchsvolle Texte, ist nicht so, dass ich nur einfaches verstehe, aber z.B. Tucholsky schreibt, ja eben locker vom Hocker.
Ja, ich kann schon nachvollziehen was du meinst.
Ich finde beispielsweise Herr Zweig ist ein sehr gutes Beispiel für schöne Sprache. Er schrieb kompliziert – wie es teilweise in der ernstlichen Literatur so gehört – aber durchaus lesbar.
Ich hab eine sehr alte Ausgabe von "Maria Stuart" zuhause. Das liest sich wunderbar. hab es schon mehrfach durchgelesen. Ebenso "Das Lied von bernadette" von franz Werfel, auch das hat mich mitgerissen. Tolstoi geht auch, "Anna Karenina", obwohl sich das stellenweise auch sehr zieht und viel Überflüssiges hat. Mit Pasternak hingegen komme ich nicht auf einen Nenner, wie mit Mann.
Ja, aber bei nicht deutscher Literatur ist es schwer, etwas Objektives zu sagen, denn der Stil des Buches entscheidet nicht Autor, sondern der Übersetzer. – Es ist leider keine Seltenheit, wenn ein Buch durch eine regelrecht schreckliche Übersetzung "versauet" wurde.
Bei "Dr Schiwago" liegt es eher daran, dass ich mir schon beim 2. Kapitel die ganzen Namen nicht mehr merken kann und ständig überlegen muss, wer wer ist und wie die Person zu den anderen steht und ob er/sie für die Handlung in welcher Hinsicht noch mal wichtig ist.
Diese russischen Namen sind tatsächlich eine Herausforderung 🤣. Lew Nikolajewitsch oder Michail Afanasiewitsch sind einfach Gehirn vernichtend.
Darf ich fragen, wofür schätzt du ihn?