Der gefährlich Feind des Guten
Ich habe heute ein Zitat von Bonhoeffer gelesen, und das macht mir wirklich Angst weil es unsere politische Situation so gut beschreibt. Und das lässt mich wirlich etwas mutlos zurück wie ich damit umgehen soll.
Das Zitat:
Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit.
Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich
bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das
Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem
es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen
die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch mit
Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen
nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen,
brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen
wird der Dumme sogar kritisch, und wenn sie unausweichlich
sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseite
geschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum
Bösen restlos mit sich selbst zufrieden, ja, er wird sogar gefährlich,
indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist
dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber
dem Bösen. …
4 Antworten
Ich denke nicht, dass es wirklich böse Menschen gibt (zumindest nicht in signifikantem Ausmaß). Das, was als "böse" empfunden wird ist fast ausschließlich auf Dummheit zurückzuführen.
Ich stelle die Behauptung in den raum, dass die Menschen, die als "böse" bezeichnet werden meist schlicht zu dumm sind, ihre tiefgründigen Ziele klar zu erkennen oder zu verfolgen.
Die meisten tiefliegenden ziele sind mit denen anderer Menschen kompatibel und lassen sich in Zusammenarbeit wesentlich leichter erreichen als wenn anderen Menschen geschadet wird.
Find ich ein bisschen ums Eck. "Das Böse" kann einfach definiert werden als der Wille, Leben zu zerstören (physisch oder psychisch). Das geht schon über Dummheit hinaus, wobei natürlich beiden ein stark unbewusstes Element zueigen ist.
Das geht schon über Dummheit hinaus
Nein, das ist Folge der Dummheit.
"Das Böse" kann einfach definiert werden als der Wille, Leben zu zerstören (physisch oder psychisch).
Dieser Wille existiert zumeist gar nicht. Eher wird ignoriert, dass Leben zerstört werden könnten.
Und dort, wo tatsächlich der Wille existiert, ligt oft psychische Krankheit vor. Oder eben die Unfähigkeit zu erkennen, dass der eingeschlagene Weg einen seinen Zielen nicht näher bringt bzw. die Unfähigkeit die eigenen Ziele zu erkennen.
Darüber hinaus sei anzumerken, dass es praktikabler ist, anzunehmen, es gäbe keine bösen Menschen, sondren nur böse Taten und Menschen, die aus nicht-bösen/mit ausreichend Aufwand durchauch nachvollziehbaren Gründen böse Taten begehen.
"Böse" wird oft nämlich auch schlicht genutzt im Bezug auf Menschen, um zu diskriminieren. Das stellt keine vernünftige Herangehensweise dar.
Dieser Wille existiert zumeist gar nicht
Was Du sagst, ist, Putin hat keinen Zerstörungswille.
Naja, also ich würde schon sagen: Putin - böse; Soldaten - dumm (das klassische "wag the dog"-Prinzip halt, der Dackel ist so dumm, dass sein Schwanz ihn wedeln kann)
Ist Dir der amerik. Psychologe Scott Peck bekannt? Ich beziehe mich hier überwiegend auf ihn.
Das Böse hält sich für gewöhnlich bedeckt, nur im Ausnahmefall eines Krieges erfährt es gesellschaftliche Akzeptanz und wird offenbar. Erkennen kann man es immer an der Lüge. Aber nicht nur so hie und da, sondern am steten Muster der Lüge. ZB zur Zeit des Irakkriegs, eine Lüge jagte die nächste. Oder jetzt, wenn Du Dir Putin oder Lawrow anhörst, da vergeht ja kaum ein Satz, der nicht gelogen ist. Daran erkennt man das Böse klar und deutlich, weil ihm eine sehr starke Angst zugrundeliegt, offenbar zu werden. (Hat Christus übrigens auch so definiert, und der hatte ja auch ständig damit zu tun)
Ist Dir der amerik. Psychologe Scott Peck bekannt?
Nein.
Erkennen kann man es immer an der Lüge. Aber nicht nur so hie und da, sondern am steten Muster der Lüge.
Das ist Unsinn.
Wenn jemand einen anderen menschen umbringt, dann würden viele das als "Böse" bezeichnen. Und das erst recht dann, wenn der es nicht leugnet, sondern dazu steht.
So ein Einzelfall ist schwierig zu beurteilen. Meine Beispiele aber sind klar.
Das wird mir jetzt ein bisschen zu eristisch ;-)
Möchte das Buch trotzdem empfehlen (heißt eben auch: Die Lügner), der Psychologe bringt dabei immer auch Beispiele von seinen Klienten. Ihm zu folgen, wie er überhaupt dahin gekommen ist, das Böse als solches zu benennen, ist echt spannend. Da es vergriffen ist, habe ich sehr viel als pdf auf meiner Seite digitalisiert.
Du könntest von seinem Urteilsvermögen profitieren, und von seiner Konsequenz (er hat sogar zwei Exorzismen beigewohnt, um auch das personifizierte Böse anzutreffen). Seine Analyse des kollektiven Bösen am Beispiel eines Massakers amerik. Soldaten ist auch nicht zu verachten.
Aber gut, vielleicht ist der Punkt, dass Du da sehr logisch ranzugehen scheinst, und legst damit irgendwo Rationalität zugrunde. Das Böse hat aber nichts mit Rationalität zu tun. Es kann einfach sagen: lieber töte ich alle Ukrainer und mache alles platt, bevor das Land nicht zu meinem Großreich gehört. Ich zerstöre ganze Städte, schicke unzählige ukrainische Zivilisten und Soldaten, unzählige russische Soldaten in den Tod - weil ich es so will. Und weil ich nicht bereit bin, diesen Scheißwillen irgendetwas unterzuordnen - mein Stolz, mein Hochmut ist der Maßstab aller Dinge!
er hat sogar zwei Exorzismen beigewohnt, um auch das personifizierte Böse anzutreffen
Ich wollte ihn ja nicht vorverurteilen, aber das spricht eigentlich für sich.
mein Stolz, mein Hochmut ist der Maßstab aller Dinge!
Woraus die Handlungen dann logisch folgen. Dummheit lässt sich an mehreren Stellen erkennen. Zum einen hilft es dem Stolz nicht, Krieg zu führen, zum anderen ist die Wahrung des Stolz wahrscheinlich nicht die eigentliche intrinsische Motivation, sondern dient nur als Vorwand für einen selbst, um sich nicht mit dem konfrontieren zu müssen, was einem wirklich beschäftigt.
jaja!, um sich nicht mit der eigenen Bösartigkeit konfrontieren zu müssen! :-)
(deswegen geht sie immer mit der steten Lüge einher)
Ich muss in Diskussionen nicht "gewinnen", aber finde es wichtig, das auszusprechen (zu dem Schluss kam auch der Psychologe, weil er sonst keine Erklärung für dieses Phänomen gefunden hat). Gerade wenn man diese Leute gesehen hat wie Wagenknecht, Schwarzer und Co. mit ihren Friedensforderungen -- das ist einfach eine grenzenlose Naivität gegenüber dem Bösen! Das muss gesagt werden!
Sonst will es nicht recht passen. Oben meintest Du, "wo tatsächlich der Wille existiert, liegt oft psychische Krankheit vor", aber ich sehe Putin nicht recht als "psychisch krank". Wie viele Psychiater haben sich an Hitler und Stalin abgearbeitet, ohne zu einem einheitlichen Krankheitsbild zu kommen... es ist eine andere Kategorie.
Ich muss in Diskussionen nicht "gewinnen"
Ich ziehe es vor Diskurse zu führen.
das ist einfach eine grenzenlose Naivität gegenüber dem Bösen!
Nicht gegenüber dem Bösen, sondern gegenüber dem Menschen.
Klar wäre Frieden richtig und vernünftig. Aber wenn die Beteiligten sich dessen bewusst wären, würden sie in den meisten Fällen keinen Krieg führen.
aber ich sehe Putin nicht recht als "psychisch krank".
Das ist auch mit Definitionssache ;-)
Davon abgesehen biete ich oben eine Alternative an, nämlich die Dummheit bzw. Unfähigkeit die eigene intrinsische Motivation zu identifizieren und entsprechend zu handeln.
Zudem schließe ich auch das Vorliegen eines Willens nicht vollständig aus, das sehe ich aber eher als hypothetisches Szenario, denn bisher habe ich noch keinen Ansatz für dessen Existenz außerhalb der Theorie gesehen, alle Handlungen von menschlichen Übeltätern liesen sich anderweitig erklären.
zum anderen ist die Wahrung des Stolzes wahrscheinlich nicht die eigentliche intrinsische Motivation
ist sie auch nicht, die eigentliche intrinsische Motivation ist, die eigene Schuld, Sündhaftigkeit, Bösartigkeit zu vertuschen, deren Taten sich mit der Zeit immer mehr angehäuft haben, und jenen Menschen zu einem Arsenal der Schlechtigkeit gemacht haben (Putin hat damals zB selber einen Terroranschlag verüben lassen, um den Tschetschenienkrieg zu rechtfertigen). Legt man zugrunde, dass der Mensch von Natur aus gut ist, dann führt das stete Handeln dagegen in Verbindung mit einem unantastbaren Hochmut zu einer immer größeren Leugnung der eigenen Schuld, zu einem verhärteten Seelenzustand. Ist erstmal ein solcher Zustand erreicht, muss alles und jedes, was dieses aufzudecken vermag (seien es politische Oppositionelle oder Jesus Christus), jedes Beweismittel für die eigene Schlechtigkeit muss beseitigt werden.
Alternative an, nämlich die Dummheit bzw. Unfähigkeit die eigene intrinsische Motivation zu identifizieren
in diesem Kontext ist es eben nicht Dummheit oder Unfähigkeit, sondern erstmal ein mächtiger Unwille. Und ja, Angst. Das fand ich fast das Interessanteste der abschließenden Analyse:
"Wovon sind sie besessen, was treibt sie?
Es ist vor allem Furcht. Sie haben Angst davor, dass der Schein zusammenbrechen könnte und sie vor der Welt und vor sich selbst entblößt würden. Sie haben permanent Angst davor, der eigenen Bosheit Auge in Auge gegenüberstehen zu müssen. Von allen Gefühlen ist Angst das schmerzvollste. Gleichgültig, wie gut sie es schaffen, im alltäglichen Umgang ruhig und gefasst zu erscheinen: Böse Menschen leben in ständiger Furcht. Es ist ein regelrechter Horror ‒ und ein Leiden, chronisch und so verwoben mit allen Fasern ihres Seins, dass sie das als solches womöglich nicht einmal fühlen. Und wenn sie es könnten, würde es ihr allgegenwärtiger Narzissmus ihnen sofort verbieten, es zuzugeben.
Selbst, wenn wir kein Mitleid mit jenem grauenvollen Lebensgefühl haben, das böse Menschen unweigerlich im Alter erwartet oder mit jenem Seelenzustand, der nach dem Tod auf sie zukommt, können sie uns doch leid tun wegen der unerbittlichen Vorahnungen, die sie ihr ganzes Leben lang mit sich herumschleppen."
die eigentliche intrinsische Motivation ist, die eigene Schuld, Sündhaftigkeit, Bösartigkeit zu vertuschen, deren Taten sich mit der Zeit immer mehr angehäuft haben
Auch eher nicht.
Eher geht es um Wohlstand oder dergleichen.
jedes Beweismittel für die eigene Schlechtigkeit muss beseitigt werden.
Absurd und unsinnig. Denn das funktioniert nicht durch das Begehen weiterer schlechter Taten.
sondern erstmal ein mächtiger Unwille
Der ist lediglich Manifestation der Unfähigkeit.
Und ja, Angst.
Angst ist immer schlecht und oft Problem, ja, das stimmt.
Und wenn sie es könnten, würde es ihr allgegenwärtiger Narzissmus ihnen sofort verbieten, es zuzugeben.
Wer narzisstisch ist und permanent Angst hat, ist sehr wharscheinlich psychisch krank. Das sei anzumerken.
Menschen, die böses tun, fühlen sich aber nicht immer schuldig und insbesondere diejenigen, die systematisch böses tun, tuen dies nicht. Sie rechtfertigen ihr eigenes Handeln, dadurch ignorieren sie den Umstand, dass ihr Handeln eigentlich moralisch verwerflich ist.
Sie leben daher auch nicht permament in Angst, sie sind sich keines Grundes dafür bewusst. Angst kann aber Teil der Ideologie sein, welche genutzt wird, um sein handeln zu rechtfertigen.
Absurd und unsinnig. Denn das funktioniert nicht durch das Begehen weiterer schlechter Taten.
hab ja nie behauptet, dass es rational ist. Der Motor wäre die Angst
fühlen sich aber nicht immer schuldig und insbesondere diejenigen, die systematisch böses tun, tuen dies nicht
sie vertuschen es, wie gesagt.
Sie leben daher auch nicht permament in Angst
weiß nicht, können wir uns drüber streiten ;-)
Das Buch ist trotzdem absolut spannend, habs mir per Fernleihe ausgeliehen, ganz toll. Hab für meine Seite sehr viel digitalisiert, aber aus dem Buch das meiste (und da kommen nur die besten Sachen rein).
Wissenschaftlicher Materialismus besticht durch Evidenz und strahlt eine gewisse Sicherheit aus, aber er ist immer begrenzt. Man kann von dieser Warte aus dann eben nicht alles erklären.
Das Standardwerk jetzt mal dieses Psychologen ist "the road less travelled". Da war mir schon klar, dass er gut ist. So tastet man sich halt ran...
Auf Dummheit kann man immerhin mit Spott reagieren. Er kann die Dummheit entlarven.
Wenn der Dumme dann gereizt und aggressiv wird, kann man sachlich kontern. Bestenfalls treibt das den Dummen zur Bosheit, und dagegen lässt sich protestieren. Ob das hilft, ist fraglich, aber zumindest erregt es die Aufmerksamkeit.
Gewalt würde ich lieber nicht anwenden, sie erzeugt nur schlimmere Gegengewalt. Notwehr ist selbstverständlich legitim, doch sie sollte erfolgreich sein, sonst hilft vielleicht Besänftigung oder Rückzug -- kommt Zeit kommt Rat.
Das stimmt zumindest in der Politik. Dort schafft sich die Dummheit ihr eigenes Spielgelände auf dem sie unantastbar ist. Richter die Urteile zu Gunsten von genehmen Politikern sprechen usw. Der kritische Bürger hat keinerlei Einfluss auf das Geschehen. Siehe auch zu Corona Zeiten mit Lockdown und Maskenzwang vor allem für Kinder, obwohl längst klar war dass weder Kinder sich besonders anstecken noch eine Risikogruppe darstellen. Wahlversprechen werden nicht eingehalten. Man kann ewig so weiterschreiben.
Schon interessant. Aber es wirkt wie eine abstrakt-isolierte Betrachtung, dabei ist es doch praktisch ausschlaggebend, wie viele es sind...
Weil Du die politische Situation erwähnst, also im Moment sehe ich da schon noch ein Gleichgewicht gewahrt. Trump hat ja zB eher knapp gewonnen. In Österreich ist die FPÖ trotz anfänglicher Schwierigkeiten nicht an der Macht. In D. haben zwar etwas mehr als die Hälfte Parteien gewählt, die gegen Umverteilung sind...
Also die Sache ist nicht am Kippen, die Dummen (ebenso wie die Bösen) sind nicht wirklich in der Überzahl. Damit das so bleibt oder sich vielleicht sogar bessert, müsste die Bewusstheit der Masse gehoben werden.
Kannst Dir denken, was jetzt kommt (ich sag nur "Hickler";-)