Warum bin ich nicht beschnitten? Frage über Beschneidung / Sünnet?
Ich sehe oft, dass hier viele Leute viel über das Thema wissen und ich weiß nicht so wirklich wo ich anfangen soll. Ich bin 18 Jahre alt und Muslim. Ich bin sehr gläubig, bete 5 mal am Tag, gehe jeden Freitag in die Moschee und versuche immer alles richtig zu machen. Aus irgendeinem Grund bin ich aber nicht beschnitten, ich habe eine Vorhaut. Obwohl meine Eltern auch beide gläubige Muslime sind (meine Familie kommt aus der Türkei). Ich habe einen älteren Bruder, der auch beschnitten ist. Ich verstehe aber nicht warum ich es dann nicht bin, mein Bruder weiß es auch nicht. Ich traue mich nicht meine Eltern zu fragen, weil das so ein unangenehmes Thema ist und ich nicht weiß, wie sie reagieren würden. Also an die Leute, die sich damit auskennen, fällt euch ein Grund ein, warum ich als einziger der Familie nicht beschnitten wurde? Kann es da eine Erklärung für geben ? Ist es sehr schlimm im Islam?
11 Antworten
Frag einfach deinen Vater. Ist das so unangenehm für dich ? Vielleicht gab es damals für einen Eltern einen Grund dich nicht beschneiden zu lassen. In meiner Familie sind zum Beispiel alle Männer beschnitten.
Ich würde an deiner Stelle vorsichtig nachfragen und ein privates Gespräch suchen.
Vielleicht waren Deine Eltern so schlau, weitsichtig und auch gebildet, dass sie den Fehler, den sie bei ihrem ersten Sohn begangen haben, nicht noch einmal begehen und nicht einfach an einem kleinen Jungen herumschneiden lassen, sondern ihm selbst, wenn er alt genug sei, selbst diese Entscheidung überlassen wollten.
Und genau das solltest Du auch bei deinem/n Sohn oder Söhnen machen, ihnen die Freiheit lassen, bei Erreichen der Volljährigkeit selbst darüber zu bestimmen, was sie selbst wollen.
Und so kannst auch Du das nun tun. Du willst es? Dann lass es machen. Es ist jetzt alleine Deine Entscheidung, die Nachteile einer Beschneidung gegen Deinen Wunsch, in der Unterhose, wo es niemand sieht, anders aussehen zu wollen gegeneinander abzuwägen und eine für Dich alleine geltende Entscheidung zu treffen.
Dafür kann es viele Gründe geben.
- Dein Bruder wurde aus medizinischer Notwendigkeit heraus beschnitten und nicht aus religiösen Gründen (deine Eltern hatten also eigentlich auch nicht vor ihn beschneiden zu lassen, mussten es aber)
- Dein Bruder wurde aus religiösen Gründen beschnitten. Nach der OP hatte er aber große Schmerzen oder Komplikationen, sodass deine Eltern so sehr abgeschreckt waren, dass sie es kein zweites Mal durchführen lassen wollten.
- Deinen Eltern fehlte für dich das Geld. Eine religiöse Beschneidung muss man selbst zahlen und die kostet häufig zwischen 300 und 600 Euro. Vielleicht konnten sie sich das nicht für beide Kinder leisten.
- Deine Eltern hatten einen Sinneswandel und wollten es dich zumindest selbst entscheiden lassen.
- Bei dir gab es medizinische Gründe, die gegen eine Beschneidung gesprochen haben. Wenn du dir auf Wikipedia den Artikel zur Zirkumzision durchliest, findest du dort auch einen Abschnitt über Kontraindikationen. Wenn du zB eine Herzkrankheit, eine Blutgerinnungsstörung oder eine Hautkrankheit hast, die die Heilung beeinträchtigen könnte, sollte bei dir keine Beschneidung durchgeführt werden. Auch bei systemischen Krankheiten wie Rheuma oder Leukämie, die den ganzen Körper schwächen, ist das ganze sehr (!) kritisch. Bei medizinischer Notwendigkeit muss man dann Risiko/Nutzen abwägen, wenn du aber keine Probleme mit der Vorhaut hast, wird dich so krank/geschwächt kein Arzt operieren. Aber wie gesund du bist/warst, weißt du ja bestimmt selber.
Vielleicht haben deine Eltern gesehen bzw. eingesehen, dass die Beschneidung nicht so wichtig ist. Laut Koran soll man den Weg Abrahams folgen und in der Sunna steht die Beschneidung explizit drin. Es ist keine Katastrophe, wenn du nicht beschnitten wurdest, aber für viele Muslime ist sie schon ein Zeichen des Dazugehörens.
Vielleicht haben sie es aus Respekt vor deiner Selbstbestimmung nicht getan (und darüber erst nach deinem Bruder nachgedacht). Denn seine Kinder nicht beschneiden zu lassen bedeutet für sie Religionsfreiheit und körperliche Unversehrtheit.