Relativitätstheorie, gehen bewegte Uhren wirklich immer langsamer?

3 Antworten

1. Die Gravitation hat auf die Zeit in der spez. Relativitätstheorie keinen Einfluss.

Die Zeit verläuft in bewegten Inertialsystemen langsamer (Räume in denen das Newtonsche Trägheitsgesetz gilt; Teilchen bewegen sich garnicht oder gleichmäßig, es findet aber keine Beschleunigung statt).

Diese verlangsamte Zeit bezeichnet man als "Zeitdilatation". Stell dir die Uhr in einem Innertialsystem wie zwei Spiegel vor, zwischen denen sich ein Lichtimpuls hin und her bewegt. Der Lichtimpuls wandert also vom ersten zum zweiten Spiegel mit der Strecke d und wieder zurück also insgesamt eine Strecke von 2d. Das ganze passiert natürlich, wie für Licht normal, mit der Lichtgeschwindigkeit c. Wir haben hier also wieder eine Zeitperiode mit der Formel t = 2d / c (c=Lichtgeschwindigkeit)

So wäre es also in einem ruhenden Inertialsystem. Bewegt sich das Inertialsystem (zB ein Raumschiff / Zug / ...) aber, so bewegt sich der Lichtimpuls natürlich weiter zwischen den beiden Spiegeln (2d), während der Lichtimpuls also vom einen zum anderen Spiegel unterwegs ist bewegt sich das Inertialsystem weiter, d.h. die sonst senkrechte Bewegung zwischen den beiden Spiegeln sieht jetzt eher aus wie ein "Dreieck". Diese Fortbewegung bezeichnen wir mit v (Geschwindigkeit des Inertialsystems). Da die Uhr in diesem Inertialsystem steckt bewegt sie sich natürlich auch mit v. Bevor der Lichtimpuls also beim nächsten Spiegel angekommen ist hat dieser Spiegel sich während der Zeit leicht fortbewegt, der Lichtimpuls verläuft also nichtmehr ortogonal sondern diagonal zwischen den Spiegeln hin und her.

Mathematisch ausgedrückt wäre der Faktor, um den die Zeit langsamer geht also:

t = 2d / c (normal) * 1 / sqrt(1-v²/c²) (Verlangsamungsfaktor)

kevin0311 
Fragesteller
 19.03.2016, 00:17

Doch ich denke ich verstehe es, es kommt also auch auf die Distanz an die man zum anderen System hat, bzw. zürück legt. Demnach würde sich die Zeit also nur minimal verlangsamen wenn man sich immer in einem kleinen Kreis dreht selbst mit annähender Lichtgeschwindigkeit ?

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SlowPhil  19.03.2016, 04:20
@kevin0311

Zunächst einmal gehen bewegte Uhren langsamer, nicht schneller. Zu dem Schluss kommt man durch das von derJonesy erwähnte Gedankenexperiment. Die Idee ist, dass räumliche und zeitliche
Abmessungen dergestalt durch die Bewegung beeinflusst werden, dass sich Licht in zwei relativ zueinander bewegten Inertialsystemen jeweils in jede Richtung mit c ausbreitet, man also nicht anhand der Messung der Lichtgeschwindigkeit entscheiden kann, ob sich das System, relativ zu dem man selbst als Beobachter ruht, seinerseits bewegt oder nicht.

Der Rotierende freilich ist kein inertialer Beobachter und kann nicht in Anspruch nehmen, dass man ein Koordinatensystem, in dem er selbst ruht, als konstant ruhend betrachten kann; schon gar nicht kann er behaupten, sein Partner bewege sich relativ zu ihm und seine Uhr müsse daher langsamer gehen. Er kann zwar ein Inertialsystem als Bezugssystem wählen, relativ zu dem er an einem Punkt seiner Bahn ruht, aber in diesem System bewegt er sich umso schneller, wenn er auf der anderen Seite ankommt.

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SlowPhil  19.03.2016, 10:14
@SlowPhil

Dieser Kommentar sollte eigentlich eine eigenständige Antwort sein.

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Als Gedankenexperiment nehmen wir an, dass sich Beobachter B und B' mit v=0,6c relativ zueinander bewegen und ihre Uhren im Augenblick des gerinsten Abstandes aus t'=t=00:00h synchronisieren. Du könntest beispielsweise B sein und ich B'.

Es heißt ja bewegte Uhren „gehen“ langsamer…

Genauer: Die Uhr, die als bewegt gilt, muss als um den LORENTZ-Faktor

(1) γ := 1/√{1 – (v/c)²}

langsamer gehend gelten.

Nach GALILEIs Relativitätsprinzip gibt es nämlich gar nicht das ruhende und das bewegte Koordinaten oder auch den ruhenden oder den bewegten Beobachter, sondern wir können wahlweise B (Dich) oder B' (mich) als ruhend ansehen, bzw. Dein Ruhesystem Σ oder mein Ruhesystem Σ' als Bezugssystem wählen.

Was wir sehen würden, ist übrigens keineswegs eine Verlangsamung oder Beschleunigung um den Faktor γ, sondern einen Retardierungseffekt:

Nähert man sich einander, so sieht jeder einen Vorgang an Bord des Anderen um den DOPPLER- oder BONDI-Faktor

(2.1) K[app] = √{(c–v)/(c+v)}

kürzer, d.h. alles scheint wechselseitig im Zeitraffer abzulaufen.

Entfernt man sich voneinander, so sieht jeder einen Vorgang an Bord des Anderen um den DOPPLER- oder BONDI-Faktor

(2.2)  K[rem] = √{(c+v)/(c–v)} = K[app]⁻¹

gedehnt; alles scheint wechselseitig in Zeitlupe zu geschehen.

Es ist also reine Interpretationssache, welche Uhr man als die langsamer laufende zu sehen hat. Das klingt erst einmal paradox („Zwillingsparadoxon“), ist es aber nicht. Das Geheimnis liegt in der Abhängigkeit der Gleichzeitigkeit vom Bezugssystem.

B, also Du, schickst B', also mir, nach t₀=10min mit Deinem Zeitstempel 00:10h ein Signal, und ich sende es Dir bei Erhalt sofort mit meinem Zeitstempel zurück. Um zu berechnen, wie lange das dauert, nehmen wir erst mal…

1. Σ als Bezugssystem: Das Signal muss mich mit der Differenzgeschwindigkeit (c–v) einholen und braucht dafür

(3.1) Δt₁[v(B)=0] = t₀·v/(c – v) = 15min

und dieselbe Zeit wieder zurück. Für beide Wege ergeben sich also

(3.2) t₂ =  t₀ + t₀·2v/(c – v) = t₀(c + v)/(c–v) = K²t₀ = 00:40h,

was auch mit Σ' als Bezugssystem gelten muss, es ist Deine Eigenzeit zwischen Absenden und Rückerhalt Deines Signals. 

Aus Symmetriegründen muss mein Zeitstempel

(3.3) t₁' = K·t₀ = 00:20h. 

sein, das geometrische Mittel zwischen t₀ und t₂. Das arithmetische Mittel

(3.4) t₁[v(B)=0]  = ½·(t₀ + t₂) = ½·(K+K⁻¹)·t₁' = t₁'·γ = 00:25h

ist dabei nichts anderes als t₀ + Δt₁[v(B)=0].

Wenn Du Dich als ruhend betrachtest, ist mein t₁'=00:20h als gleichzeitig mit t₁[v(B)=0] anzusehen. Völlig anders sieht es aus mit

2. Σ' als Bezugssystem: In diesem Fall verfolgt Dein Signal ein ruhendes Ziel, die Differenzgeschwindigkeit ist also c, und . Daraus ergibt sich

(3.5) Δt₁[v(B')=0] = t₀·v/c = 6min,

also

(3.6) t₁[v(B')=0] = t₀·(1 + v/c) = 16min = t₁'/γ.

Dafür braucht das Signal, um Dich einzuholen,

(3.7) Δt₂[v(B')=0] = t₁[v(B')=0]·v/(c – v) = t₁[v(B')=0]·(3/2) = 24min,

was zusammen, wie es sein muss, wieder

(3.8) t₂ = t₁[v(B')=0]·(1 + v/(c – v)) = t₁[v(B')=0]·(5/2) = 40min

ergibt. Wenn Du Dich als ruhend betrachtest, ist mein t₁'=20min als gleichzeitig mit t₁[v(B')=0] anzusehen.

Fazit: Was Du unmittelbar messen kannst, ist unabhängig vom Bezugssystem. Welche Uhr langsamer läuft, ergibt sich aus der Gleichzeitigkeits-Interpretation eines räumlich entfernten Ereignisses, dessen genauen Zeitpunkt nach Deiner Uhr Du gar nicht direkt messen, sondern nur berechnen kannst.

…bzw. Uhren „laufen“ langsamer unter Einfluss der Gravitation.

Richtig. Genauer: Die Uhren laufen auf tieferem Gravitationspotential langsamer als auf höherem. Motivieren kann man sich dies dadurch, dass ein Photon, das sich unter dem Einfluss der Gravitation bewegt, eine konstante Gesamtenergie

(4) E = E.kin + E.pot = h·f·(1 + V/c²)

hat, wobei V das Gravitationspotential ist. Wenn es „aufsteigt“, verliert es Frequenz; diese freilich ist ein Maß der Zeit, und so muss die tiefer gelegene Uhr langsamer gehen als die höher gelegene.

Nimmt man mal an, ein Raumschiff würde sich mit sehr hoher Geschwindigkeit immer um denselben Menschen drehen,…

…wäre der Mitreisende schon mal ein beschleunigter Beobachter, der sich nicht die gesamte Zeit als ruhend betrachten kann. Sieht er sich an einem Punkt der Bahn tatsächlich als ruhend an, muss er sich überall sonst als bewegt interpretieren, maximal mit 2v/(1 + v²/c²) auf der anderen Seite der Bahn.

Der Kreisradius r müsste übrigens sehr groß sein, damit der Reisende nicht durch die Fliehkräfte zerquetscht wird.

Willst Du den Reisenden nun partout als ruhend interpretieren, musst Du schon Allgemeine Relativitätstheorie betreiben. In diesem Fall nämlich benutzt Du ein beschleunigtes, nämlich mitrotierendes Koordinatensystem als Bezugssystem und musst die Fliehkräfte nach dem Äquivalenzprinzip als Gravitation interpretieren. Der in der Mitte ruhende befindet sich dann auf einem höheren Gravitationspotential als der im Rauschiff.

…dann würde man doch die Taten dieser Person langsamer sehen als er sie selber sieht,…

Nein, umgekehrt, schneller. Der Reisende ist entweder eindeutig der bewegte Beobachter oder der auf dem tieferen Gravitationspotential, deshalb läuft seine Uhr langsamer.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT

Ja, nur tritt dieser Effekt erst bei 90% der Lichtgeschwindigkeit messbar auf. Also für die reale Welt auf der Erde nicht relevant.

SlowPhil  19.03.2016, 00:20

Also für die reale Welt auf der Erde nicht relevant.

Du meinst die Alltagswelt. Sie ist weder realer noch weniger real als die Welt der Neutronensterne und Schwarzen Löcher, bei denen solche Effekte durchaus auftreten.

Ja, nur tritt dieser Effekt erst bei 90% der Lichtgeschwindigkeit messbar auf.

Das stimmt nicht. Der Lorentz-Faktor lautet (1 - (v/c)²)⁻¹/² und hat bei 60% der Lichtgeschwindigkeit den Wert 1,25. Das ist jetzt nicht irre viel, aber deutlich merkbar. Messbar sind schon viel kleinere Effekte, dank sehr genau gehender Atomuhren.

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amdphenomiix6  19.03.2016, 00:45

Selbstverständlich haben sie recht, 25% sind in der Tat nicht zu vernachlässigen. Ich wusste die Formel für den Lorentzfaktor nicht mehr auswendig, deswegen habe ich grob geschätzt. Ja, ich meine mit der realen Welt unsere Alltagswelt, da wohl Atomuhren nicht weit verbreitet sind ;) Jedoch werden auch wir es zu Lebzeiten nicht erleben, mit auch nur annähernd 10% Lichtgeschwindigkeit zu reisen.

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Lennartonken  19.03.2016, 00:57
@amdphenomiix6

In Star Citizen reist man mit 0,2 c hihi :D  Ne Spaß, es wäre wirklich schön Menschen in einem Raumschiff mit 0,1 c zu erleben :)

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