Wo ist der Unterschied zwischen allgemeiner und spezieller Relativitätstheorie?

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Hallo SirWetBread468,

wie dIe Namen schon sagen, ist die ART allgemeiner als die SRT, und zwar in zweierlei Hinsicht:

  1. In ihrer Formulierung: Die SRT - und übrigens teils auch schon die NEWTONsche Version der Klassischen Mechanik - formuliert Naturgesetze so, dass sie in jedem Inertialsystem dieselbe Form haben. Die ART formuliert sie so, dass sie in jedem beliebigen Koordinatensystem dieselbe Form haben.
  2. Von ihrem Gültigkeitsbereich her: Die SRT macht korrekte Vorhersagen für Situationen, in denen es höchstens vernachlässigbar kleine Gravitations-Spannungen gibt. Anders ausgedrückt: Die ART kann Raumzeiten beliebiger innerer Krümmung beschreiben. Damit man die SRT halbwegs fehlerfrei anwenden kann, muss sie zumindest nahezu flach sein.

Die kursiv gedruckten Wörter haben m.E. einen Erklärungsbedarf. Ich fange hinten an:

Innere Krümmung

Als einer der Ersten fand GAUß schon im frühen 19. Jhd. heraus, was die Krümmung einer Fläche als innere Eigenschaft ausmacht, also ohne Rückbezug auf die Einbettung in einen höherdimensionalen Raum. In seinem Sinne ist beispielsweise eine Zylindermantelfläche überraschenderweise flach, d.h., ihre innere Krümmung ist 0. Man kann sie längs aufschneiden und auf einem Tisch glatt ausrollen.

Schon hier wird aber klar, dass auch eine nicht im anschaulichen Sinne gerade Linie geometrisch „gerade“ sein kann. Rollt man die Zylinderfläche wieder zusammen, sind Längs-Geraden gerade, Quer-Geraden jedoch Kreise. Alle anderen „geraden“ Linien sind Schraubenlinien.

Erst recht gilt das für wirklich gekrümmte Flächen. Am besten stellt man sich vor, dass man eine auf's Geradeausgehen programmierte Roboter-Ameise los schickt. Ihre Spur ist dann eine sogenannte Geodätische Linie oder kurz Geodät(isch)e. Bei einer Kugeloberfläche sind dies Großkreise.

Die Längenkreise der Erde sind annähernd Großkreise, sie verlaufen am Äquator parallel. An den Polen schneiden sie sich allesamt. Dieser Fall ist zugleich ein Beispiel für positive Krümmung, übrigens das einfachste, weil die Krümmung konstant ist. Für eine negative Krümmung ist die Fläche einer Tuba ein gutes Beispiel. Zwei Roboter-Ameisen, die man parallel ansetzt, werden bald auseinanderlaufen.

„Flach“ bedeutet also in diesem Zusammenhang, dass Geodätische, die an einer Stelle parallel verlaufen, das überall tun.

Raumzeit und Koordinatensysteme

Der Fläche entspricht in diesem Zusammenhang die Raumzeit. Markanten Punkten in der Fläche entsprechen in der Raumzeit Ereignisse. Dem Weg oder der Spur eines Fahrzeuges entspricht in der Raumzeit die Weltlinie (WL) eines Körpers, vorzugsweise einer Uhr, nennen wir sie U.

Der Fahrtrichtung entspricht die Zeit (als Größe), und der Weglänge zwischen zwei auf dem Weg liegenden Punkten entspricht die Zeitspanne zwischen zwei Ereignissen, die auf der WL liegen.

Der Richtung quer zur Fahrtrichtung entspricht das, was wir den Raum nennen. Der ist allerdings dreidimensional, d.h., es gibt viele Richtungen, die sich aus 3 voneinander unabhängigen, vorzugsweise paarweise senkrecht aufeinander stehenden „Hauptrichtungen“ zusammensetzen. Sie bilden das räumliche Koordinatensystem S, das durch die WL von U als Zeitachse zu Σ ergänzt wird.

Ein Inertialsystem ist Σ dann, wenn auf U keine Trägheitskräfte wirken. Genau dann ist die WL von U eine Geodäte, in einer flachen Raumzeit also eine gerade.

Eigenzeit und Koordinatenzeit

Fälschlicherweise wird oft behauptet, das Raumzeit-Konzept setze die SRT voraus, in der NEWTONschen Physik hingegen sei die Zeit ein vom Raum unabhängiger „Parameter“ (hier: eine Laufvariable von der eine Kurve als Funktion abhängt) und keinesfalls eine Koordinate.

Das ist schon deshalb falsch, weil die SRT die NEWTONsche Physik als Näherung enthält. Außerdem lässt sich rein begrifflich Eigenzeit und Koordinatenzeit unterscheiden- wie man früher auch die schwere und die träge Masse voneinander unterschied, dann aber feststellte, dass sie gleich sind.

Mit der Eigenzeit ist die entlang einer WL durch eine mitgeführte Uhr gemessene Zeit gemeint, die natürlich eine absolute Größe ist: Trinke ich einen Kaffee und schaue beim ersten und letzten Schluck jeweils auf die Uhr, so würde die dort angezeigte Zeitdifferenz von jedem Beobachter der Szene bestätigt werden, denn das An- bzw. Austrinken und das auf-die-Uhr-schauen fallen etwa zusammen.

Die Koordinatenzeit ist die von einer Bezugs-Uhr wie eben U aus - notfalls auf Distanz, mit Rückrechnung - gemessene Zeit, etwa die Zeitspanne Δt zwischen zwei Ereignissen. Nach dem NEWTONschen Modell wären sie gleich, aber das kann man eben nicht von vornherein annehmen.

Relativitätsprinzip und Spezielle Relativitätstheorie

Natürlich lässt sich die Raumzeit - wie auch eine Fläche - durch unterschiedliche Koordinatensysteme kartographieren, die ggf. unterschiedliche zeitliche Vorwärtsrichtungen haben, etwa dann, wenn ein anderes Koordinatensystem Σ' als Anker eine relativ zu U mit konstanter Geschwindigkeit v› bewegte Uhr U' hat, räumlich aber genauso ausgerichtet ist wie Σ. In Σ' ausgedrückt ist U' stationär, während sich U mit –v› bewegt.

Schon GALILEI fand heraus, dass Σ und Σ' physikalisch gleichwertig sind, d.h., obwohl viele physikalischen größen in Σ und Σ' unterschiedliche Werte haben, sind die grundlegenden Beziehungen zwischen ihnen - nichts anderes sind Naturgesetze - identisch. Die Gleichortigkeit zeitlich nacheinander liegender Ereignisse ist relativ.

Auf diesem Prinzip basiert die NEWTONsche Physik und ebenso die SRT - was also ist der Unterschied?

Der liegt darin, wie Abstände in der Raumzeit beschaffen sind und wie man zwischen Σ und Σ' umzurechnen hat. Nach NEWTONs Modell gibt es (absolute) zeitliche Abstände Δt'=Δt zwischen zwei Ereignissen. Falls Δt'=Δt=0 ist, die Ereignisse also gleichzeitig sind, ist auch ihr räumlicher Abstand absolut:

(1) Δs' = √{Δx'² + Δy'² + Δz'²} = Δs = √{Δx² + Δy² + Δz²}

Was NEWTON nicht wissen konnte: Die Lichtgeschwindigkeit c ist kein gewöhnliches Tempo, sondern eine fundamentale Größe aus der Elektrodynamik. Sie steht in MAXWELLs Wellengleichung. Diese leitet sich unmittelbar aus MAXWELLs Grundgleichungen ab und ist daher ein Naturgesetz, das in Σ und Σ' gleichermaßen gelten muss. Daraus ergibt sich, dass auch die Gleichzeitigkeit zweier räumlich getrennter Ereignisse relativ ist. Dafür ist der MINKOWSKI-Abstand

(2.1) Δτ = √{Δt² – Δs²/c²} = √{Δt'² – Δs'²/c²} für cΔt>Δs (zeitartig)

(2.2) Δς = √{Δs² – Δt²·c²} = √{Δs'² – Δt'²·c²} für cΔt<Δs (raumartig)

eine absolute Größe, und die Transformationsgleichung lässt sich als eine Art Drehung auffassen. Den Grenzfall zwischen zeit- und raumartigen Abständen bezeichnet man übrigens als lichtartige Abstände. Da der MINKOWSKI-Abstand entlang solcher Linien 0 ist, spricht man von Nullgeodäten.

Bild zum Beitrag

Gravitation als Krümmung der Raumzeit

Befinden sich zwei hinreichend schwere Körper in einem zunächst konstanten, aber nicht allzu großen Abstand, so werden sie sich über die Gravitation anziehen, ihre WL'n also zusammenlaufen. Dabei fällt jeder Körper im Gravitationsfeld des jeweils anderen frei, und im freien Fall „spürt“ er allerhöchstens Gezeitenkräfte, aber keine Trägheitskräfte und kein Gewicht. Die WL sind also Geodätische, und sie laufen aus einem anfangs parallelen Zustand zusammen. Zwischen ihnen kann man also eine positive Krümmung der Raumzeit konstatieren.

Eine merkliche Krümmung des Raumes ist erst bei stärkeren Gravitationsfeldern feststellbar, die sogar Nullgeodäten messbar verbiegt. Immerhin kann man dies bei einer totalen Sonnenfinsternis schon feststellen, und insgesamt führt es zum Gravitationslinseneffekt.

Gravitations-Spannung

Dieses Wort meine ich analog zur elektrischen Spannung als Differenz ΔΦ zwischen zwei Gravitationspotentialen Φ₁ und Φ₂. Denke dabei etwa an ein 10m-Brett und die Wasseroberfläche in einem Schwimmbad, wo

(3.1) ΔΦ ≈ g·Δz ≈ 98m²/s²

beträgt. Mit „vernachlässigbar klein“ meine ich: Im Vergleich zu

(3.2) c² ≈ 9×10¹⁶m²/s².

Flächen, wo Φ den Wert –c² annimmt, heißen Ereignishorizonte. das sind Grenzflächen, die Schwarze Löcher - gleichsam Sackgassen in der Raumzeit - vom Rest des Universums abgrenzen. Ein Ereignishorizont ist keine Oberfläche, deshalb „Loch“, und Licht, das dort startet, braucht für den Aufstieg unendlich lange und verliert sämtliche Frequenz, deshalb ist eine solche Fläche perfekt schwarz.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
 - (Physik, Relativitätstheorie, Spezielle Relativitätstheorie)
SlowPhil  26.05.2019, 22:03

Danke für den Stern!

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Der wesentliche Unterschied ist, das sich die

Spezielle Relativitätstheorie

mit der gleichförmigen Bewegung von Objekten und die

Allgemeine Relativitätstheorie

mit der Bewegung beschleunigter Objekte befasst. Wobei diese ART dabei feststellt, das Gravitation nichts anderes als eine beschleunigte Bewegung ist.

Das kling jetzt sehr banal aber in genau dieser Einfachheit liegt auch die Brillanz dieser beiden Theorien.

Woher ich das weiß:Hobby
SlowPhil  16.05.2019, 12:07

So ganz richtig ist das nicht. Ebenso wie übrigens auch die NEWTONsche Version der Klassischen Physik beschreibt die SRT durchaus auch beschleunigte Bewegungen von Körpern.

Der Unterschied ist der, dass sie einen solchen Körper nicht als Bezugskörper beschleiben kann. Die ART kann das, weil sie die Naturgesetze so formuliert, dass sie in jedem Koordinatensystem, nicht nur in einem Inertialsystem dieselbe Form haben.

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die spezielle gilt nur in einer flachen raumzeit. anders gesagt heißt das dass die spezielle nur anwendbar ist wenn die gravitation vernachlässigt werden kann.

Die allgemeine Relativitätstheorie ist eine Erweiterung der speziellen Rekativitätstheorie, bzw. die spezielle Relativitätstheorie ist ein Grenzfall der allgemeinen Relativitätstheorie, nämlich für den Fall schwacher Gravitation. Wie auch die Newtonsche Mechanik ein Grenzfall der speziellen Relativitätstheorie ist, nämlich für den Fall kleiner Geschwindigkeiten (verglichen mit der Lichtgeschwindigkeit).

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium, Hobby, gebe Nachhilfe

Die Spezielle Relativitätstheorie berücksichtigt nicht die Gravitationseffekte. Die Allgemeine tut es. Daher wurde sie auch später entwickelt.

Vereinfacht, die Allgemeine Relativitätstheorie beinhaltet beschleunigte Systeme.

Reggid  11.05.2019, 22:16

um beschleunigte systeme in einer flachen raumzeit zu beschreiben benötigt man keine ART.

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