Wissen Autisten, dass sie Autisten sind?

11 Antworten

Das ist sehr unterschiedlich, denn zuerst einmal gibt es da das Problem mit der Diagnose: Viele Autisten - insbesondere Autistinnen - werden fehldiagnostiziert, oder die Auffälligkeiten werden als ein Versagen der Eltern betitelt. Weil die auf Autismus spezialisierten Psychiater nicht wie Sand am Meer anzutreffen sind und leider noch nicht einmal wie Autos auf dem Parkplatz eines Dorfsupermarktes, nach 23:00 Uhr, wird das Ganze nochmal um einiges erschwert. An solch eine Diagnose zu gelangen ist in den seltensten Fällen etwas, was man mal "eben schnell" erledigt.

Aus diesem Grunde - all diese Hürden, die man erstmal überqueren muss, um an die Diagnose zu kommen -, denke ich, dass es viele Leute gibt, die sich zwar zu 100% sicher sind, doch die der Weg, bis zur offiziellen Diagnose, abschreckt.

Es gibt auch Autisten, die haben zwar die Diagnose, wollen es aber nicht wahrhaben. Zu diesen gehörte ich auch. Ich hatte in meiner Jugend eine Zeit, in der ich einfach nur wie alle anderen sein wollte. Nicht herausstechend wollte und meinen Nachteilsausgleich anzunehmen war mir ebenfalls peinlich, denn dann "fühlen sich die anderen Mitschüler ja benachteiligt". Ebenfalls war es mir peinlich - ist es immernoch -, meinen SBA (Schwerbehindertenausweis) vorzuzeigen. (Anmerkung: Nur weil man Autismus hat bekommt man nicht gleich einen SBA, aber meine Mutter hatte den damals zu einer Zeit beantragt, wo man wohl noch etwas leichter an die Teile herankam.)

Und es gibt Autisten, die wissen, dass sie Autisten sind und es als etwas Neutrales betrachten. Es ist, wie es ist. Auch gibt es Autisten, die ihren Autismus als etwas Wunderbares ansehen - Manche können sogar denken, sie stünden damit über neurotypischen Menschen, was natürlich Quatsch ist.

Viele Autisten sind jahrelang nur als "der komische Kauz" (Stein-, Wald-, Habichts-, Kaninchen-, Streifen-, Sperlings-, Elfen-, Brahma-, Riesen- (...) oder Sägekauz? Ich hab keine Ahnung, das wurde mir bisher noch nicht verraten.) und merken selber nicht so wirklich, dass sie anders sind. Oder zumindest nicht so auffällig, als dass es einer Diagnose oder ähnlichem bedarf. Für die allermeisten Autisten sind die eigenen "Abnormalitäten" das Normalste der Welt und man selbst registriert sie erst, wenn andere diese ansprechen.

Andere Autisten wiederum - vorallem weibliche - analysieren das Verhalten ihrer Mitmenschen schon in frühen Jahren (Kindergarten- bzw. Vorschulzeit) und merken: Irgendetwas stimmt nicht mit mir. Die verhalten sich alle so, also weshalb kann ich mich nicht auch so verhalten? Diese Realisation kann zu Masking führen. Das bedeutet - im Zusammenhang mit Autismus -, dass man seine autistischen Merkmale so gut es geht unterdrückt, um sich besser anpassen zu können. Allerdings führt das auch nicht selten zu z.B Burnout, Depressionen, innerer Unzufriedenheit, einer Identitätskrise, oder, oder, oder ... Im Prinzip ist "Masking" nichts weiter als das - manchmal sogar lebenslange - Schauspielern einer oder gar mehrerer Rolle(n), die man tief im Inneren meist noch nicht einmal mag. Viele Autisten haben diese Rolle(n) perfektioniert. Man würde im Leben nicht auf die Idee kommen, sie wären Autisten.

Manchmal wird Autismus auch erst diagnostiziert, wenn man 30, 40, 50 oder sogar 60 ist. Daher ist es keine Seltenheit, jahrelang mit diesem stechenden Gefühl herumzulaufen, dass irgendetwas "nicht mit einem stimmt", man jedoch nie, oder erst sehr spät, die Diagnose bekommt. Ich bin mir sicher, dass es auch heutzutage genügend Menschen gibt, die niemals herausfinden werden, dass sie Autismus haben. Womit ich nicht andeuten möchte, dass das unbedingt etwas Schlechtes ist, denn es gibt auch Autisten, die nicht wissen, dass sie Autisten sind, aber die es auch überhaupt nicht interessiert. Sie leben einfach ihr Leben so weiter, wie sie es für richtig halten und machen sich über sowas keinen Kopf.

Jeder Autist wächst in (wenn auch manchmal nur minimal) verschiedenen Verhältnissen auf und diese Verhältnisse führen zu verschiedenen Zeitpunkten, auf verschiedene Weisen zu einer Diagnose. Ob das auch zu einer Einsicht führt ... Wie gesagt: Es gibt definitiv Autisten, die haben ihre Diagnose schwarz auf Weiß und werden es bis zu ihrem Tod nicht akzeptieren wollen. Oft ist diese Inakzeptanz wohl auch mit dem Glauben vernetzt, Autismus wäre etwas Tragisches, eine Krankheit etc.

Deshalb ist das alles etwas kompliziert. Bei mir war es so, dass meine Mutter bereits ab meinem 3. Lebensjahr wusste, dass ich anders bin, bis zu meinem 7. bekam ich die Diagnosen "Hat nix" (Stichwort: Masking!), "Entwicklungsstörung ABC, suchen Sie sich eine aus" und "Das liegt an Ihrer Erziehung", irgendwann hatte man sie auf Autismus gebracht (Da hatte es bei ihr wohl auch Klick gemacht) und wenige Monate vor meinem 10. Geburtstag bekam ich meine Autismus-Diagnose. Wenn ich mich recht entsinne, war ich dieser zuerst neutral gegenüber eingestellt, dann - primär in der Pubertät - war es mir peinlich - und nun bin ich irgendwo zwischen "neutral" und "ohne meinen Autismus wäre auch nicht alles rosig".

Eine solche Diagnose kann nicht nur ein Schock sein, sondern auch eine Erleichterung. Endlich ergibt (fast) alles einen Sinn.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽

Mir wurde meine Diagnose : Atypischer Autismus, erst mit 18 gestellt... Was aber vieles für mich erklärte sowie auch vieles einfacher gemacht hatt.

Und ja, ich weiss das ich eine Autismus Spektrumstörung habe und dies ist mir bewusst. Viele tun sich schwer damit diese anzunehmen aber bei mir war das nicht der Fall.

Lg

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bin eine atypische Autistin

Deine erste Frage lässt sich leicht beantworten: Wenn derjenige Mensch eine ärztliche Diagnose bekommen hat, dann weiss er es. Wenn er keine Diagnose hat, kann er es vermuten.

Deine zweite Frage grenzt schon an Unverschämtheit. Bitte sei vorsichtig mit solchen Äusserungen. Autismus ist KEINE Krankheit - auch wenn inzwischen ein ICD-Schlüssel dafür existiert.

Und zudem: Autismus ist weder etwas schlechtes oder unnormales. Bei einem Autisten ist nur das Gehirn etwas anders verschaltet, weswegen manche Fähigkeiten anders ausgebildet sind.

Leksche444 
Fragesteller
 11.03.2022, 08:24

Dann entschuldige ich mich für meine 2 Aussage

3

Manche gehen ihr Leben lang als Autisten durch die Welt, ohne zu wissen, dass sie es sind.

Einige haben ihre Schwierigkeiten mit der Diagnose zurecht zu kommen.

Ich denke, es ist wie mit Diagnosen generell.
Die einen kommen besser damit zurecht als die anderen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – ASS-Diagnose mit 50 / über 20 Jahren im Thema

oft wissen sie es jahrelang nicht und finden es erst spät heraus. aber aus eigener erfahrung mit einem freund merken authisten oft, dass sie anders sind als andere.