Wildschweine und Nilpferde verwandt?
Ich habe mir überlegt ob Wildschweine und Nilpferde (also Pferde im Nil (hihi kleiner Witz)) miteinander verwandt sind?
Das ist doch sinnvoll oder? Die sehen sich doch so ähnlich.
2 Antworten
Letztendlich sind wahrscheinlich sämtliche Lebewesen miteinander verwandt. Man muss nur weit genug in die Vergangenheit zurückkgehen, um den letzten gemeinsamen Vorfahren zu finden.
Wildschweine und Flusspferde gehören beide zur Säugetierordnung der Paarhufer, sind also recht weitläufig meiteinader verwandt.
Man nahm bis vor einiger Zeit an, dass die Schweineartigen (Suina) und Nilpferde (Hippopotamidae) nahe verwandt seien und die Schweineartigen (dazu gehören nicht nur "unsere" altweltlichen Schweine (Suidae), sondern auch die neuweltlichen Nabelschweine(Tayassuidae)) die Schwestergruppe der Nilpferde bildeten. Man fasste die Schweineartigen und die Nilpferde aufgrund anatomischer Gemeinsamkeiten (z.B. einhöhliger Magen und neobunodonte Backenzähne sowie die Tatsache, dass sie nicht wiederkäuen) als "Nichtwiederkäuer" (Neobunodonta) zusammen und stellte sie den übrigen Vertretern der Paarhufer ("Artiodactyla") gegenüber, also den Schwielensohlern (Tylopola) mit den Altwelt- und den Neuweltkameliden sowie den Wiederkäuern (Ruminantia), zu denen z.B. Giraffen, Hirsche und die Vielzahl der Hornträger gehören. An der Basis der Paarhufer standen dabei die Schweineartigen, die man also als die ursprünglichsten Vertreter der Paarhufer betrachtete.
Molekulargenetische, aber auch morphologische Studien haben dieses Bild vor einigen Jahren völlig verändert. Man weiß mittlerweile, dass die Paarhufer ein paraphyletisches Taxon darstellen, d.h. das Taxon geht zwar auf einen gemeinsamen Ahnen zurück, umfasst aber nicht alle lebenden Vertreter dieses Vorfahren. Im konkreten Fall zeigte sich nämlich, dass die Wale (Cetacea) nicht nur mit den Paarhufern nahe verwandt sind - die enge Verwandtschaft beider Gruppen nahm man schon sehr früh an - , sondern in Wahrheit zu den Paarhufern gezählt werden müssen, da einige Paarhufergruppen mit den Walen näher verwandt sind als mit den übrigen Paarhufern. Konkret sind das die Nilpferde, welche mit Walen also näher verwandt sind als mit jedem anderen Paarhufer. Unter Einbeziehung der Wale heißt das monophyletische Taxon heute darum Cetartiodactyla.
Heute weiß man, dass nicht die Schweineartigen, sondern die Wale die Schwestergruppe der Nilpferde darstellen. Dieses Taxon aus Walen und Nilpferden wird als Whippomorpha bezeichnet, deren Schwestergruppe wiederum die Wiederkäuer darstellen (gemeinsames Taxon aus Whippomorpha und Wiederkäuern = Cetruminantia). Darüber hinaus vermutet man, dass an der Basis der Cetartiodactyla nicht die Schweineartigen, sondern die Schwielensohler stehen, was man unter anderem mit molekularbiologischen Daten sowie der Anatomie der Bronchien begründet. So besitzen Schwielensohler nur zwei, alle übrigen Vertreter aber drei Primärbronchien.
Ein Stammbaum der Cetartiodactyla sieht in etwa so aus:
Demnach sind die Schweine und die Nilpferde innerhalb der Paarhufer und Wale also nicht näher miteinander verwandt. Ihre morphologische Ähnlichkeit, insbesondere der niederkronige Bau ihrer Backenzähne, ist demnach Ergebnis einer konvergenten Evolution und somit unabhängig voneinander entstanden.
Wenn man den Stammbaum jedoch weit genug in die Vergangenheit zurückverfolgt, wird man letztendlich auf einen gemeinsamen Vorfahren aller heute lebenden Organismen stoßen (oft wird dieser hypothetische Vorfahre "LUCA" genannt, das steht für last universal common ancestor, also letzter universeller gemeinsamer Vorfahre). Somit sind entsprechend der Abstammungslehre alle Lebewesen, egal ob Mensch, Maus, Tiger, Falke, Biene, Fliegenpilz, Buche oder Milchsäurebakterium, weitläufig miteinander verwandt.
Quelle: Westheide, Rieger (2015)
