wieso war bismarck so besonders?

6 Antworten

Bismarck war deshalb so besonders, weil er es nach Jahrhunderten der Kleinstaaterei in Deutschland geschafft hatte, Deutschland in einem Nationalstaat zu einen. Das war vor dem geschichtlichen Hintergrund eine Leistung, die gar nicht hoch genug einzuschätzen war und ist. Schließlich gab es viele, die gegen eine deutsche Einigung waren. Frankreich hatte mit dem Königreich Preußen und Österreich schon zwei starke deutsche Großmächte als Rivalen. Wie fatal wäre es da, wenn Preußen durch die Kontrolle der kleineren deutschen Staaten noch mehr Macht bekäme oder beide Großmächte gar ein Großdeutsches Reich bildeten? Eine Vorstellung, die keinem französischem Politiker behagte. Ebenso dachten sicherlich auch die anderen europäischen Großmächte Großbritannien und Russland. Schließlich waren die Hindernisse aber nicht nur europäisch, sondern fingen schon in Deutschland an. Da sowohl Österreich, als auch Preußen immer wieder ihren Führungsanspruch in Deutschland geltend machten, konnte und wollte keiner Zugeständnisse machen, die dem anderen evtl. die Kontrolle über die anderen deutschen Staaten verschafft hätte. Somit änderte sich seit dem Beginn des deutschen Dualismus (Siebenjähriger Krieg, Aufstieg Preußens) nichts an der äußeren und inneren Form Deutschlands. Es blieb ein loser Staatenverbund (bis 1804 noch Heiliges Römisches Reich deutscher Nation, ab 1815 Deutscher Bund), der im Prinzip nur formellen Charakter besaß. Und schließlich waren auch die kleinen deutschen Staaten wie etwa Bayern oder Sachsen gegen ein geeintes Deutschland, denn das hätte ihnen oder zumindest ihren Fürsten die Autonomie gekostet. Bismarck erkannte also dieses Dilemma in dem sich Deutschland nun seit ewiger Zeit befand. Er machte jedoch nicht den Fehler von 1848, Deutschland durch Frieden und Demokratie zu einen. Für solch einen Prozess war die Zeit noch nicht reif. Nein, der Dualismus zwischen Österreich und Preußen, der Protest der Franzosen gegen eine deutsche Einigung und letztendlich auch die Widerspenstigkeit der kleinen deutschen Staaten konnten nur durch Krieg beendet werden. Zwar war Krieg niemals nur die einzige Lösung, die Bismarck in Erwägung zog, doch als sich mit den Streitereien um Schleswig-Holstein Krieg zwischen Österreich und Preußen anzubahnen schien, führte nichts mehr an ihm vorbei. Überlegen an Ausbildung und Ausrüstung der Soldaten und mit modernen Kriegstaktiken, besiegte die preußsche Armee die österreichischen Soldaten in der Schlacht bei Königgrätz (1866). Der Weg für Preußen, die Führung in Deutschland zu übernehmen, war nun geebnet. Wegen des Protestes Frankreichs blieb es jedoch zunächt nur bei einem Norddeutschen Bund, die Süddeutschen Staaten blieben autonom, wenn auch mit Preußen verbündet. 4 Jahre später mischte sich Frankreich wieder in deutsche Interessen ein. Als ein Verwandter des preußischen Königs sich anschickte, den spanischen Thron zu besteigen, legte Frankreich Protest ein und drohte mit Krieg. Bismarck provozierte mit der sogenannten Emser Depesche diese Gereiztheit Frankreich zusätzlich und so erklärter Frankreich Preußen den Krieg. Da die anderen deutschen Staaten diese Kriegserklärung als Angriff gegen Deutschland verstanden, traten auch sie dem Krieg gegen Frankreich bei. Bei Sedan wurden die französischen Soldaten vernichtend geschlagen, 1871 war der Krieg vorbei. Die deutschen Kleinstaaten konnten sich nun nicht mehr verweigern und traten dem Norddeutschen Bund bei bzw. bildeten das neue Deutsche Kaiserreich, das den Preußischen König zum Kaiser ernannte. Bismarck war sein Lebenswerk gelungen. Deutschland war unter preußischer Führung vereint. Alles weitere, wie bspw. das Einführen eines Sozialsystem, die Grundlage unserer heutigen Sozialstaaten, die Trennung von Kirche und Staat usw. gehen natürlich ebenfalls auf Bismarck zurück. Seine große Leistung ist und bleibt jedoch die (erste!) deutsche Einigung. Leider gedenken wir dieser Leistung viel zu selten.

PeVau  19.01.2013, 13:22

Wenn du ein paar Absätze eingefügt hättest, wäre dein Text bedeutend einfacher zu lesen gewesen.

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ThePrussian  19.01.2013, 14:23
@PeVau

ich werde es beim nächsten Mal berücksichtigen. War gestern einfach schon zu spät, so dass ich es einfach vergessen habe.

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tvinnefossen  19.01.2013, 23:32

Hallo ThePrussian, gute Erklärung, die ich allerdings um eine Aspekt ergänzen würde, leider nur eine historische Randnotiz; aber der Vollständigkeit halber dennoch erwähnt.

Es war keineswegs so, daß die Deutsche Einheit nur Gegner außerhalb Preußens gehabt hätte. Es gab auch Gegner innerhalb Preußens, in gar nicht so geringer Zahl. So gab es seit Aufkommen der Nationalbewegungen in Europa nach den napoleonischen Kriegen gerade in Preußen auch eine recht starke Gegenbewegung.

Angefangen bei den Reformern, Stein war ein "nationaler" Preuße (pro-deutsch), Hardenberg ein "patriotischer" Preuße (pro-preußisch), auch zur Zeit Bismarcks bestand in der preußischen Elite keineswegs Einigkeit über die Notwendigkeit eines geeinten Deutschlands.

Wie gesagt nur eine Ergänzung der Vollständigkeit halber.

Zur Würdigung Bismarcks:

Für mich ist Bismarck ursächlich für den Niedergang Preußens und seiner Staatsidee, "seine" Deutsche Einheit war der Anfang vom Ende Preußens. Das spätere Wilhelminische Preußen steht für vieles was heute Preußen negativ anhaftet. Jemand schrieb mal, "aus Ordnungsinn und Pünktlichkeit wurde Pedanterie, aus Fleiß Besessenheit, aus Loyalität unterwürfige Nibelungentreue" Ein Lichtblick wurde Preußen dann nochmal in Weimar, aber das ist ein anderes Thema.

Vielleicht noch ein Wort zu 1848. Zum einen Glaube ich, hätte Wilhelm IV die Kaiserkrone angenommen, wäre unterm Strich dennoch nur ein eher loser Staatenbung à la Hlg.R.R.D.N. auch in der damals möglichen Kleindeutschen Lösung möglich. Andererseits bin ich der Auffassung, daß dieser Einigungsversuch nicht an Demokratie und Frieden scheiterte, sondern daran, daß die Falschen sie betrieben. Die Abgeordneten der Paulskirche waren Kinder der Revolution, eine Revolution welche sich gegen die verstaubten monarchischen Strukturen richtete welcher auch Wilhelm IV, entstammte. Diese Kaiserkone wäre ien Krone nicht von "Gottes", sondern von des "Pöbels" Gnaden geworden. Das lehnte Wilhelm IV. ab.

Für mich ist es nich so eindeutig, wie es die nationale deutche Geschichtsschreibung heute notwendigerweise beschreibt, daß Europa nicht auch weiterhin mit der Pentarchie (Machtbalance zwischen England, Frankreich, Russland, Österreich und Preußen) gut und friedlich hätte existieren können. Ich bin davon überzeugt, daß uns ohne Einheit 1870/71 der 1. WK - für den ich Deutschland keineswegsals den Alleinschuldigen ansehe - erspart geblieben wäre und in dessen Folge auch alles andere....

Nun gut, auch ich fühle mich Preußen noch "irgendwie" verbunden, ich unterstelle: Sie auch. Nur ist bei mir Bismarck unterm Strich eher negativ besetzt, weil er in meinen Augen der Totengräber Preußens war.

Und so halte ich es mit dem berühmten Zitat von Christopher Clark: "Preußen war ein europäischer Staat, lange bevor es ein deutscher wurde. Deutschland war nicht die Erfüllung Preußens, sondern sein Verderben"

"preußisch-patriotische" Grüße ;-) tvinnefossen

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ThePrussian  21.01.2013, 18:42
@tvinnefossen

Danke erst einmal für Ihre qualitative hochwertige Antwort. Mir macht es immer wieder Spaß über Preußen zu diskutieren und diese Frage: "Was wäre wenn Preußen Deutschland nicht geeinigt und weiterexistiert hätte...", die bei Ihnen anklingt, habe ich mir schon oft gestellt. Womöglich wäre die Geschichte für uns Deutsche und natürlich Preußen besser verlaufen. Aber der Reihe nach. Dass es auch innerhalb Preußens Widerstände gegen ein geeintes Deutschland gab, ist mir bewusst, ich wollte der Verständlichkeit halber nur nicht allzu weit greifen. Denn sonst hätte man theoretisch auch noch die Olmützer Punktation, den deutsch-dänischen Krieg und und und mit reinnehmen können.

Preußen war, so zumindest meine Ansicht, frühestens in den letzten Jahren Friedrichs des Großen, spätestens jedoch nach den Stein-Hardenberg-Scharnhorstschen Reformen kein reiner Vernunftsstaat mehr, der nur aufgrund des Willens seiner Herrscher existierte. Durch die vielfältigen Vorzüge des Staates Preußen hatte sich ein gewisser Vernuntfspatriotimus gebildet, den man durchaus als den Anfang der Werdung einer Art Preußischer Nation betrachten kann. Eine Nation die freilich nicht auf den typischen Grundpfeilern Sprache, Nationalität und Religion beruhte, sondern auf religiöser Toleranz, Rechtssicherheit und aufklärerischer Vernunft. Dies blieb zwar vorrangig auf die oberen Schichten beschränkt, doch es ist nicht übertrieben zu sagen, dass einige befürchteten, eine deutsche Einigung würde die Egalisierung des preußischen Staates nachsichziehen, wie es dann später auch kam. Zu dieser Befürchtung und dem spezifisch preußischen Patriotismus gibt es mehrere Zitate aus der Zeit kurz vor und nach der Reichsgründung. "Wir wollen, meine Herren, bis Gott anders über uns bestimmt, unter preußischer Herrschaft bleiben; aber dem deutschen Reich wollen wir nicht einverleibt sein!“, meinten bspw. die in Preußen ansässigen Polen. Die Rede des Abgeordneten Hermann Wagener im norddeutschen Reichtstag verdeutlicht den weit verbreiteten Preußenpatriotismus: "Ich mag gewesen sein, wo ich wollte, stets habe ich schon von weitem den schwarz-weißen Schlagbaum in meinem Herzen mit Freuden begrüßt und stets habe ich das Gefühl der vollkommenen Rechtssicherheit gehabt, sowie ich meinen ersten Schritt durch diesen Schlagbaum hindurch gemacht habe. Nicht England und nicht Frankreich, kein anderes Land kann sich von Anbeginn mit unserem preußischen Vaterlande in Bezug auf die Handhabung des Rechts messen und vergleichen". Im deutsch-deutschen Krieg soll Helmuth von Moltke auf die Frage Bismarcks, ob er denn auch an einen möglich Rückzug gedacht habe, geantwortet haben: "Hier geht es um Preußen, hier wird nicht zurückgezogen".

Der Widerstand gegen ein geeintes Deutschland war also durchaus verständlich, orientierten sich doch gerade die süddeutschen Staaten in ihrer ganzen Wesensart mehr an Österreich oder gar Frankreich.

Zu Bismarck: Es ist schwer zu sagen, ob die deutsche EInigung zugleich auch das Ende Preußens war. Im Nachhinein erscheint es natürlich so. Tatsächlich versuchte Bismarck, auch Restdeutschland ein wenig preußisch zu machen, was zu einem gewissen Grad auch gelang. Die Fortschrittlichkeit und der Pioniergeist aus jenen Jahren des Kaiserreiches sind auf die Kunst- und Wissenschaftsfreundlichkeit Preußens zurückzuführen, das deutsche Heer ist im Prinzip mit der preußischen Armee gleichzusetzen (auch wenn die Länderarmeen bestehen blieben). Der Aufbau einer großen Kriegsmarine und damit verbunden die Erwerbung von Kolonien sind wiederum sichtlich unpreußisch. Auch das wilhelminische Kaiserreich ist unpreußisch, jedoch nicht unmittelbar auf Bismarck zurückzuführen. Hätte bspw. Friedrich III. länger regiert, wäre es vermutlich ganz anders gelaufen. Die Folgen dynastischer Thronfolge können schlecht vorrausgesehen werden. Auch Friedrich Wilhelm II. und sein Nachfolger waren schon eher schwache Vertreter ihres Hauses und dennoch überlebte Preußen.

Wenn man also Bismarck für das Ende Preußens verantwortlich macht, so muss man dennoch feststellen, dass er das Folgende schwer vorraussehen konnte, es hätte genausogut auch eine Erfolgsgeschichte werden könnte, die es bis zu Wilhelm II. ja auch war. Außerdem kann Bismarck in diesem Zusammenhang zu gute gehalten werden, dass es ihm weniger um die deutsche Einheit, als um die Machterweiterung Preußens ging.

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ThePrussian  21.01.2013, 18:58
@ThePrussian

Zu 1848: Dem stimme ich zu. Ich bin trotzdem der Meinung dass eine deutsche Einigung, alleine schon wegen der großen territorialen Zersplitterung durch eine Revolution schwer machbar war. Mein erster Beitrag war in der Hinsicht etwas schwammig formuliert.

Ich bin ebenfalls der Meinung, dass es ohne die deutsche Einigung gegangen wäre, nur war die nicht aufzuhalten. Ob nun 1871 oder nicht, irgendwann wäre diese Einheit versucht worden, ob von Preußen oder Österreich oder ganz anders. Der 1. Weltkrieg hätte aber auch wesentlich später noch verhindert werden können (Wo ein kurzer Verweis zu Bismarck angebracht ist, der lange eine erfolgreiche Friedenspolitik betrieb).

Sie unterstellen richtig. Ich fühle mich als Preuße. Das spiegelt sich auch in meiner Lebnsweise und -einstellung wieder. Wenn ich jemanden für den Tod Preußens verantwortlich machen müsste, dann wären es in erster Linie die Nazis, die alles verraten haben, was Preußen ausmachte und sich in bester geschichtsfälschender Manier dennoch auf dieses beriefen. Dadurch ist unser Bild über Preußen heute negativ besetzt. Erfreuen kann einen lediglich nur, dass noch ein ganz kleiner Rest Preußentum an Deutschland haftet, um den uns die Welt insgeheim beneidet.

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tvinnefossen  04.02.2013, 17:33
@ThePrussian

Sehr geehrte(r) ThePrussian,

Danke für das Kompliment, daß ich in gleicher Weise auch an Sie senden möchte. Es ist schön in einer solchen, angenehm entspannten Art über Preußen diskutieren zu können. Verzeihen Sie bitte auch, daß ich erst heute dazu gekommen bin, eine Antwort zu schreiben. Nun dann, vielleicht zu den Punkten an denen zwischen uns Einigkeit besteht, ja Preußen war ein Vernunftsstaat und seine Bürger entwickelten diesen Vernunfts- oder Verfassungspatriotismus. Schön auch Ihr Zitat eines polnischen Preußen. Es gibt ein weiteres, dessen Verfasser mir leider unbekannt ist, es handelte sich wohl um einen polnischen Vertreter im preußischen Landtag oder um einen höheren preußischen Beamten der 1871 sinngemäß sagt „Preußen hätten wir bleiben können, Deutsche können wir aber nicht werden“ (vielleicht ist es auch nur eine vereinfachte Variante Ihres Zitats)

Unterschiedlicher Auffassung werden wir wohl bei Bismarck bleiben, auch wenn ich ein wenig relativierend ergänzen möchte, daß Bismarck zwar der Totengräber Preußens war, allerdings nicht durch sein „Wollen“, sondern durch sein „Tun“ Widersprechen möchte ich Ihnen z.B. darin, daß die Armee des Deutschen Reiches im Prinzip preußisch gewesen sei. Ja der größte Teil der Armee entstammte der preußischen Armee – rein zahlenmäßig. Auch profitierte die gesamte Armee von den preußischen Strukturen, aber, und daß ist genau ein Sargnagel für Preußen: Die Hoheit über die Preußische Armee lag 1867 mit der Verfassung des Norddeutschen Bundes nicht mehr bei Preußen selbst, sondern beim Bund – anders als es Bismarck vor hatte, anders als er es eigentlich wollte, aber, um das Ziel der Sicherheit Preußens wegen, mußte er darauf eingehen. Auch hatte nach den Wünschen Bismarcks der Bundeskanzler (wir sind immer noch beim Norddeutschen Bund 1867) lediglich preußischer Gesandter beim Bund sein sollen, ein höherer Beamter ohne besondere Funktion; nur aufgrund des Drängens der anderen deutschen Länder wurde der Bundeskanzler ein eigenständiges, mächtiges Verfassungsorgan. Bismarck wollte eigentlich hauptsächlich Preußischer Ministerpräsident bleiben, und nebenbei auch das Amt des Bundeskanzlers inne haben. Aufgrund der durchgesetzten Änderungen seines Verfassungsentwurfes 1867, mußte er nun hauptsächlich Bundeskanzler sein und war nur nebenbei Preußischer Ministerpräsident.

Warum ließ er sich auf all dies ein? Nun, Friedrich Engels schrieb am Vorabend des deutsch-deutschen Krieges 1866 einen interessanten Aufsatz über den sicher zu erwartenden Ausgang dieses Krieges. Er sprach darin von der Preußischen Armee als eine Friedensarmee, die in den letzten 50 Jahren keine größeren Schlachten zu schlagen gehabt habe -daran erkennt man auch, wie wenig Bedeutung Zeitgenossen zum Beispiel dem deutsch-dänischen Krieg von 1864 aus militärischer Sicht zugestanden, Zeitgenossen die heute durchaus als Vorbilder für eingefleischte Preußenhasser herhalten müssen. Österreich hatte durch seine militärischen Einsätze in Italien und Ungarn während der Nachwehen der 1848er Revolution eine kampferprobte Armee. Engels sah es daher als ausgemacht an, daß Preußen diesen Krieg verlieren würde.

Genau so sah es auch Frankreich. Napoléon III. plante daher, nach einer Niederlage Preußens als Preußens Schutzpatron aufzutreten um es vor der Auflösung durch Österreich zu bewahren – um den Preis der linksrheinischen Gebiete.

Nun kam es aber anders, Preußen gewann überraschend. Daraufhin schickte Frankreich sich an, als bewaffneter Vermittler aufzutreten, auch hier wäre der Preis das linksrheinische Gebiet gewesen. Bismarck sah sich also gezwungen mit Österreich schnell eine Einigung zu erzielen bevor Frankreich seine Pläne umsetzen konnte. So kam es also zu einem, in Preußen durchaus umstrittenen, Frieden mit Österreich. Wilhelm I. wollte nach Königgrätz eigentlich auf Wien marschieren – heute sagt man, daß Bismarck aufgrund diplomatischer Weisheit und dem Bestreben, Österreich nicht über Gebühr zu beschämen, den König in harten Auseinandersetzungen dazu brachte auf diesen Vormarsch zu verzichten (1866 lag die Hoheit über die Armee noch beim Preußischen König) Dies mag durchaus auch ein Grund gewesen sein. Viel wichtiger war aber, einen Frieden mit Österreich ohne Einwirken Frankreichs zu erzielen. Letztendlich brachte der Krieg kaum Gebietsveränderungen – das sollte er auch nicht. Er festigte nur die Antwort der deutschen Frage hin zur kleindeutschen Lösung und stellte klar, daß Preußen nach wie vor zweite Macht in Deutschland und erste Macht im Norden Deutschlands war.

Die Zugeständnisse an die norddeutschen Bündnispartner waren in meinen Augen notwendig, um schnell ein nach innen stabiles Bündnis zu erhalten, welches Sicherheit gegenüber Frankreich und Österreich ermöglichte – ein uneiniger Norddeutscher Bund hätte Frankreis Interesse an den linksrheinischen Gebieten in die Hände spielen könen.

Fortsetzung folgt...

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tvinnefossen  04.02.2013, 17:36
@tvinnefossen

Fortsetzung

Auch meine ich, daß der Krieg von 1870 im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Kriegen, nicht zum Plan Bismarcks gehörte. Ja, er hatte die französische Kriegserklärung provoziert, aber erst zu einem Zeitpunkt als er nur noch die Wahl zwischen der Schwächung Preußens und einem Krieg hatte. Und auch nach diesem kurzen Krieg stand er, nach meiner Auffassung, vor den gleichen Problemen wie 1867 – er brauchte eine schnelle Einigung um Preußen zu stabilisieren. Bayern z.B. wurde Mitglied des Deutschen Bundes und behielt quasi seine Eigenstaatlichkeit. Auch nach 1871 ging es Bismarck wohl nur um die Stabilität Preußens; er nutzte die deutschen Bündnispartner lediglich für dieses Ziel. Problematisch in der ganzen Entwicklung seit den 1860ern war aber die immer stärker werdende deutsche Nationalbewegung, diese mußte er Beschwichtigen und für sich gewinnen, daher auch die ganzen Zugeständnisse. Die Deutsch-Nationalen waren ein zu starker ursprünglich nicht eingeplanter Machtfaktor geworden und daher auch der neue Name „Deutsches Reich“ daß vom Klang her schon viel mehr implizierte als der lose Staatenbund der Bismarck vorschwebte. Stat eines Staatenbundes entstand ein Bundestaat..

Mit der Reichsgründung war Preußen „satt“.Es hatte seine Ziele erreicht. Geboren wurde aber ein „hungriges Kind“: Deutschland. Bis 1890 konnte ein preußisch gesinnter Reichskanzler Bismarck den Hunger noch im Zaume halten, aber schon während seiner Amtszeit sank der preußische Stern. Nach ihm spielten Preußische Grundsätze in der deutschen Politik kaum eine Rolle, selbst der Kaisar war nun Deutsch-National, ein Novum für einen Preußischen König.

Von daher, auch wenn das was ich schrieb, wie „mildernde Umstände“ klingt, bleibt Bismarck für mich der Totengräber Preußens. Er war außer Stande die Folgen seines Tuns abzuschätzen. Das was er mit seinem Tun zu verantworten hat, war größer als er und durch ihn nicht mehr steuerbar, er reagierte mehr als, daß er agierte. Vorzuwerfen ist es ihm deshalb, weil er den Anstoß dazu gab. Wann? Spätestens 1866, vielleicht aber auch schon 1864 oder gar 1862! 1862 ist in meinen Augen die eigentliche Zäsur in Preußens Geschichte. Thema Preußischer Verfassungskonflikt: Es ging, wie wir wissen, darum, die Hoheit über die Preußische Armee vom König auf das Preußische Parlament zu übertragen. Wilhelm I war dazu nicht bereit und schon im Begriff abzudanken. Als Nachfolger stand der liberale Friedrich III. mit seiner englischen Victoria bereit. Dieser hätte sicher den Kompromiss gesucht und Preußen zu einer konstitutionellen Monarchie werden lassen (so sieht es S. Haffner, und ich möchte das auch so sehen) Friedrich III. wäre nicht nur 99 Tage deutscher Kaiser gewesen, sondern 26 Jahre preußischer König einer konstitutionellen Monarchie, Preußen wäre womöglich ein kontinentales England geworden und aller Wahrscheinlichkeit noch heute existent. Der Name Bismarck würde heute niemanden etwas sagen. (Andererseits würde ich nicht existieren, da meine Existenz im Grunde das Produkt sämtlicher europäischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts ist – das geht in Deutschland aber wohl vielen so...)

Gut, über „was wäre wenn“ zu philpsophieren ist müßig. Bismarck war nunmal diese eine starke Persönlichkeit, die zur falschen Zeit am falschen Ort war und die es gebraucht hat, den Verfassungskonflikt lang genug in der Schwebe zu halten und so den König von der Abdankung zurückzuhalten. Wäre er nicht der demokratiefeindliche Reaktionär gewesen der er war, hätte er den Wilhelm I. ziehen lassen und wäre unter Friedrich III, Ministerpräsident einer konstitutionellen Monarchie geworden – oder ein anderer. Sein Wunsch das alte Preußen zu erhalten hat ein neues unmöglich gemacht und schuf ungewollt das Deutsche Reich… Mit „seiner“ Deutschen Einheit sicherte er zwar Preußen, machte es aber gleichzeitig überflüssig, da das junge Deutschland, entgegen Bismarcks Absicht eine eigene, eine deutschnationale Dynamik entwickelte – die er nicht mehr steuern konnte. Die neuen, nationalen Ideen waren attraktiver als das alte Preußen, ein neues stand nicht zur Disposition. An die Stelle des Verfassungspatriotismus´, der Willensnation, trat der Nationalismus, zunächst als progressive Kraft und später als sein Werk getan war, mit seiner häßlichen Fratze. Die Nazis widerum sind für mich weniger die Totengräber Preußens, sie sind vielmehr die Leichenfledderer, nach dem sie den letzten Rest Preußens in Deutschland, das demokratische Bollwerk in Weimar, den einzigen Staat mit stabiler Regierung, den Freistaat Preußen eben, im Interesse ihrer Ländergleichschaltung mit dem Preußenschlag von 1932 ein letztes Mal erlegten…

Verzeihung, ist sehr viel geworden, aber manchmal geht´s halt mit mir durch. Hoffe mich nicht zu weit vom Thema entfernt zu haben.

Bei Interesse mit einem kleinen Häufchen unterschiedlich motivierter „Preußen“ in Kontakt zu treten, folgende Webempfehlung: wertebund.de, und preussenfreund.de (letzteres ist mein Blog)

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tvinnefossen  04.02.2013, 17:57
@tvinnefossen

Nachtrag:

Zur Bewertung Bismarcks aus heutiger Sicht, möchte ich noch eines anführen.

Wir sollten vielleicht auch berücksichtigen, daß Bismarck unter anderem auch mit seinem Werk "Gedanken und Erinnerungen" an seiner eigenen Legende gebastelt hat.

Als das Unaufhaltsame nicht mehr zu verhindern oder gar zu ändern war, ergab er sich dem Geschehen und ließ sich gern als den großen Einiger der deutschen Länder feiern.

War er, was Zitate und Protokolle belegen, in der aktiven Phase dessen, was wir heute "Reichseinigung" nennen stets darauf bedacht zum Vorteile Preußens zu wirken, hat er dies im Nachgang dann irgendwann so dargestellt, als ob er die Einheit Deutschlands, in der dann realen Form, zum Ziele gehabt habe.

Ein wenig erinnert er mich damit an den armen Michael Gorbatchow, auch er zerstörte, ganz sicher ohne Absicht aber mit besten Absichten, einen mächtigen Staat - der, ganz wie Preußen, mit der Zeit nicht Schritt hielt (Die Ideologien lasse ich jetzt mal außen vor) Das was aber danach entstand fand genug Freunde, gerade auch außerhalb, um sich selbst in der Rolle des "Machers" gefallen zu können.

Bismarck wie Gorbatschow sind tragische Figuren ihrer Zeit.

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ThePrussian  05.02.2013, 19:32
@tvinnefossen

Sehr geehrter tvinnefossen, ich werde ihnen zeitnah antworten, habe im Moment aber aufgrund Klausurendruck in der Uni wenig Zeit. Ich bitte das zu entschuldigen. Ich hoffe ich finde am Wochenende genügend Zeit. Schließlich wäre es schade um die Diskussion, wenn ich hier lediglich ein paar Zeilen schreibe, ohne wirklich bei der Sache zu sein. Beste Grüße

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Ergänzung: Bismarck hatte noch andere Talente. Er war ein begnadeter Redner. Zitat aus Naumannn, Kunst der Rede: "Bismarck ist ein Wendepunkt gewesen.Die meisten seiner parlamentarischen Zeitgenossen sprachen noch vorbismarckisch, schillerisch, romanisch, waren Schüler der Lateinschulen und wollten klassisch wirken ... Aber Bismarck selber war stärker als sie alle, denn er redete nicht wie die Schriftgelehrten, sondern wie einer, der Macht hat über Menschen und Dinge. Er sprach nicht glatt, war kein Cicero, aber Europa hörte ihm zu, weil er etwas zu sagen hatte."

Er hatte einerseits als preußischer Staatschef eine gewisse demokratische Legitimation, und andererseits als Kanzler die Legitimation der deutschen Kaiser. Als er aber noch einmal die Sozialistengesetze verschärfen wollte (Verbot der SPD und Gewerkschaften), wurde er von Wilhelm II gefeuert, der viel fortschrittlicher als Bismarck eingestellt war und einfach die Sozialpolitik des deutschen Kaisertums mit einem anderen Kanzler weiter gemacht hat.

Die ganzen sozialen Errungenschaften damals sind auf das deutsche Kaisertum zurückzuführen, Bismarck war nur Ausführender.

derdorfbengel  19.01.2013, 11:45

Er hatte einerseits als preußischer Staatschef eine gewisse demokratische Legitimation

Ja? Inwieweit?

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strandparty  19.01.2013, 12:42
@derdorfbengel

http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_von_Bismarck

Von 1862 bis 1890 – mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 1873 – war er Ministerpräsident von Preußen ...

Bismarck war gewählter Abgeordneter des preußischen Parlaments. Auf Empfehlung des preußischen Königs Wilhelm I wurde Bismarck vom preußischen Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Die von mir genannten Einschränkungen der demokratischen Legitimation ergeben sich einerseits aus dem Zensuswahlrecht und andererseits aus der Unmöglichkeit am König vorbei zu regieren. Man muss aber auch betonen, dass sich der preußische König und später das deutsche Kaisertum stark sozial engagierten, für soziale Absicherung und für Mitspracherechte der Fabrikarbeiter, sowie für eine schrittweise Abschaffung des Zensuswahlrechts. "Ein Mann, eine Stimme" war das Ziel, an Wahlrecht für Frauen wurde damals in Deutschland noch nicht gedacht, meines Wissens selbst in der SPD und ihren Vorläuferparteien nicht.

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strandparty  19.01.2013, 13:31

Man sollte aber auch erwähnen, dass B. mit der Einigung Deutschlands und der "Heimholung" von Elsaß und Lothringen (die seit dem 30-Jährigen Krieg Frankreich zugerechnet wurden) die Grundlagen für den ersten Weltkrieg geschaffen hatte, und eine unbedingte Kriegsabsicht von England (das seine Vormachtstellung gefährdet sah) und Frankreich (das Elsaß-Lothringen zurückhaben wollte) gegen Deutschland.

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Er hat sehr oft intelligente Politik angewandt und das möglichst friedlich. Zum Beispiel die Politik der Mäßigung bei Österreich, was ihm später dann zu Gute kam im Krieg gegen Frankreich. Er hatte viel reformiert und standardisiert. Er hatte zwischen Wilhelm IV. und dem Volk verhandelt bei der Heeresvorlage. Er hatte Kontakte zu Russland und Italien gepflegt.

Weil er ein geteiltes Deutschland verbündet hat.

TheMcMuller 
Fragesteller
 18.01.2013, 21:14

danke :)

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Paul1960  18.01.2013, 21:15

Bitte erkläre das mal näher.

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