Wieso ist der pKs Wert von H3O+ in unserer Formelsammlung 0?

2 Antworten

Der Kₐ-Wert (Kₐ=10¯ᵖᴷᵃ) ist bekanntlich die Gleichgewichtskonstante für die Proto­lyse­reaktion einer Säure HA, wobei allerdings die Wasser-Konzentration in die Konstante absorbiert wird:

HA + H₂O ⟶ A¯ + H₃O⁺
K = c(A¯)⋅c(H₃O⁺) / [c(HA)⋅c(H₂O)]
Kₐ = K⋅c(H₂O) = c(A¯)⋅c(H₃O⁺) / c(HA)

Das geht für jede Brønstedt-Säure (und ohne große Probleme für viele Lewis-Säuren wie B(OH)₃), aber für H₃O⁺ laufen wir in ein Problem, weil es selber das protonierte Wasser, also das Lösungsmittel, ist: Was soll eigentlich die Protolyse-Reaktion dazu sein? Man kann zwar eine Wirklich Lahme Reaktion™ aufschreiben

H₃O⁺ + H₂O ⟶ H₂O + H₃O⁺

aber die ist eigentlich nicht besonders sinnvoll, weil offenbar K=1. Wenn man sich davon nicht abschrecken läßt, dann kann man immer noch eine Säurekonstante dazu ausrechnen, die dann Kₐ=K⋅c(H₂O)=c(H₂O)≈55 mol/l beträgt, und der pKₐ wäre dann natürlich −lg(55)=−1.74.

Damit handelt man sich aber ein neues Problem ein: Dieser „pKₐ“ ist inkonsistent. Du könntest ja z.B. ein Oxonium-Salz wie H₃O⁺ClO₄ (ja, solche Biester gibt es wirklich; man stellt sie her, indem man ziemlich konzentrierte Säurelösungen abkühlt, bis das Salz auskristallisiert. Nur die stärksten Säuren bilden solche Salze) in Wasser auf­lösen. Und jetzt stellst Du Dir die simple Frage: Welchen pH-Wert hat eine einmolare Lösung von Oxoniumperchlorat?

Die richtige Antwort ist offensichtlich 0 bzw. c(H₃O⁺)=1, weil es denselben pH-Wert wie eine ein­mola­re Perchlorsäure (pKₐ≈9, also superstark)­ haben muß. Wenn Du aber die übliche Formel für mittelstarke Säuren verwendest, dann kommt etwas anderes heraus:

c(H₃O⁺) = √( ¼Kₐ+Kₐc₀) − ½Kₐ = 0.98 mol/l   bzw.  pH=0.01

und ja, die Abweichung ist lächerlich klein, aber sie ist eine Inkonsistenz, die nicht an einer Schwäche der Formel liegt, sondern daran, daß die Idee eines pKₐ-Wertes für H₃O⁺ grundsätzlich nicht funktioniert (man müßte hier die Säurekonstante der Per­chlorsäure einsetzen, und dann kommt auch das richtige Ergebnis 0 heraus). Der Fehler steigt mit größerer Konzentration rasch an, und ja, dann braucht die Formel sowieso Aktivitätskorrekturen, aber auch mit denen wird das Resultat nicht richtig.

Wenn Du drüber nachdenkst: Das Problem entsteht daraus, daß die Formel annimmt, daß ein Teil der Säure dissoziiert und dann das H₃O⁺ liefert, das den pH-Wert be­stimmt, und ein Teil nicht dissoziiert und den pH in Ruhe läßt. Im Fall von H₃O⁺ sind aber beide ein- und dasselbe, und daher wird der pH falsch berechnet.

Daher meine ich, daß man vernünftigerweise gar keinen pKₐ für H₃O⁺ angeben sollte. Das Kₐ sollte eine Gleichgewichtskonstante sein, aber wie wir oben gesehen haben, ist das Kₐ für H₃O⁺ einfach gleich c(H₂O), es enthält also überhaupt keine Information über irgendein chemisches Gleichgewicht (welches den auch?).


Keiks 
Beitragsersteller
 16.01.2025, 23:09

Vielen Dank, dass du mir schon wieder hilfst :)

Ich muss aber gestehen, dass ich nicht ganz mitkomme. Ich verstehe deinen Einwand und deshalb auch das Problem, denke ich. Im Internet finde ich ganz viele hochwertige Quellen, die sich bei den Zahlen widersprechen und mit deiner Erklärung macht das Sinn, setzt mich aber vor ein Riesenproblem:

Laut meiner Lehrerin sind Reaktionen von Säuren mit Wasser solange Gleichgewichtsreaktionen, solange die Säurestärke der Oxoniumionen groß genug ist, damit es eine Rückreaktion geben kann. Als Beispiel hatten wir NH4^+ (ich weiß leider nicht, wie ich hier hoch und niedrig stelle) mit H2O. Da NH4^+ einen pKs von 9,25 hat und H3O^+ einen von -1,74 ist die Säurestärke der korrespondierenden Säure (HB+) größer und die Rückreaktion wird bevorzugt.

Wie bestimme ich das jetzt für eine Säure wie HNO3 (pKs = -1,32)? Nehme ich da -1,74 oder 0? Oder einen ganz anderen Weg?

Das ganze ist dann wichtig, um die pH-Formel zu bestimmen. Also nehme ich die für starke Säuren oder die für mittelstarke bis schwache Säuren?

Vielen Dank!

indiachinacook  17.01.2025, 00:07
@Keiks

Wenn Du Dir unsicher bist, dann kannst Du immer mit der Formel für intermediäre Säuren c(H₃O⁺)=√(¼Kₐ²+Kₐcₒ)−½Kₐ rechnen. Diese Formel deckt jede Säurestärke ab (stark, schwach, intermediär).

Ansonsten ist das aber nicht so einfach, weil ja auch die Konzentration eine Rolle spielt. Essigsäure wird z.B. allgemein schwach genannt, aber bei c₀=10¯⁶ mol/l hat sie einen pH von 6.02, also praktisch gleichviel wie eine gleich konzentrierte HCl, also ist sie hier eine starke Säure.

Oder nimm Ameisensäure (pKₐ=3.77): Bei c₀=1 mol/l ist sie eine schwache Säure (pH=1.89), aber bei c=0.001 würde die Formel für schwache Säuren 3.38 ergeben, obwohl der richtige Wert 3.47 ist; hier haben wir also den intermediären Fall. Und bei c₀=10¯⁵ mol/l sind wir schon im starken Bereich (pH=5.02).

Richtig ist folgende Vorgangsweise: Der berechnete pH muß zur Formel passen

  • Die Formel für schwache Säuren gilt wenn pH≪pKₐ
  • Die Formel für starke Säuren gilt wenn pH≫pKₐ
  • Im Fall pH≈pKₐ braucht man die Formel für intermediäre Säuren.

Wenn Du also die falsche Formel verwendest, dann siehst Du erst am Ergebnis, daß vielleicht der Gültigkeitsbereich der Formel überschritten wurde.

Steht da was zu den Bedingungen für diese Werte bei? Könnte mir vorstellen, dass eine z.b. für 0 °C, die andere für 25 °C gilt.

Anders macht ein Wert abweichend von 0 fürs H3O+ keinen Sinn, weil genau das der Fixpunkt für die Säurestärke und damit per Definition 0 ist.


Keiks 
Beitragsersteller
 16.01.2025, 22:33

leider nicht. Aber ich hatte auch über unterschiedliche Temperaturen nachgedacht, weil die ja die Gleichgewichtskonstante beeinflussen. mich wundert dann aber, dass alle anderen Werte gleich (oder fast gleich) sind.

Kannst du das mit dem Fixpunkt genauer erklären?

Und welche Formel nutze ich dann für HNO3, das ja nun einmal über und einmal unter H3O+ liegt?

Vielen Dank!

JenerDerBleibt  16.01.2025, 23:06
@Keiks

Naja, alles was Säure ist, gibt in Wasser (dem Lösungsmittel schlechthin) Protonen ab und bildet H3O+. Da ist es doch naheliegend eben jenes H3O+ als Vergleichswert zu haben. Für eine ausführliche Erklärung zur Berechnung und der Abweichungen für den pKs siehe die Antwort von indiachinacook.

Würde mich tatsächlich an die Tabelle mit dem pKs von 0 halten. Um sicher zu sein, kannst du aber auch mal beides ausprobieren, also für z.b. eine 1 molare Lösung ausrechnen und dann einen Literaturwert nachschlagen um zu sehen was besser passt.