Wie werden defekte HDDs gerettet?

2 Antworten

Wie werden defekte HDDs gerettet?

Es gibt diverse defekte - das gängigste sind instabile Köpfe. Diese lesen nicht mehr zuverlässig, sind aber noch nicht ganz defekt. Hier kann man mit spezieller Hardware wie PC3000, MRT, DFL oder DDI noch Daten lesen.

In meinem Buch siehst du zB diverse Einstellungsmöglichkeiten des MRT: https://www.google.cz/books/edition/Basiswissen_professionelle_Datenrettung/QktpEAAAQBAJ?hl=de&gbpv=1&dq=mark+b+datenrettung+timeout+lesemodus&pg=PA107&printsec=frontcover

Damit schaffen wir es oftmals die Platte noch zu Lesen auch wenn dies dann 2 oder 3 Tage dauert. Wir hatten schon Extremfälle die am Ende zwar stabil aber extrem langsam gelesen haben. Bei denen hat es dann fast 30 Tage gedauert, alle Daten zu retten...

Dies ist zwar oftmals langsam aber man muss nicht viel manuell daran machen außer die passenden Einstellungen für die jeweilige Platte zu finden. Daher ist dies eine durchaus günstige Option.

Dann gibt es Firmware-Defekte. Diese können mit Tools wie PC3000, MRT oder DFL behoben werden. Hierbei kann es zB vorkommen, dass ein Protokoll wie das der SMART-Daten oder die G-List vollläuft und dann dahinter befindliche Module beschädigt. Dies ist ähnlich wie ein Buffer-Overflow im RAM. Dann kann man zB SMART deaktivieren und das beschädigte nachfolgende Modul neu aufbauen (falls es individuell für die Platte ist) oder von einer Spenderplatte mit identer Firmware kopieren. In anderen Fällen bieten prof. Datenrettungstools Reparaturoptionen an:

https://www.youtube.com/watch?v=bWEnttAZ1Lw

Ein anderes gängiges Problem sind defekte Platinen. Wenn es kein einfach zu findender Fehler ist, tauschen wir in der Regel die Platine aus. Dabei müssen wir den ROM-Chip, der die Start- und Ansteuerdaten für den Kopf beinhaltet auslesen und die neue Platine mit diesen Daten neu flashen. Danach kann die Platine getauscht werden...

Bei WD-Platten und einigen wenigen Seagate Modellen kann man zB die Daten des ROM Chips die für eine jede HDD individuell sind aus Daten in der Firmware regenerieren wenn der ROM-Chip defekt wäre:

https://www.youtube.com/watch?v=kVTQaMKdcjI

Defekte Köpfe kann man wie bereits von anderen erwähnt tauschen. Dabei muss allerdings nicht nur das Modell der Platte übereinstimmen. Damit ein Kopf passt muss zB bei WD der Micro-Jog innerhalb einer gewissen Toleranzgrenze liegen. Der Micro-Jog ist der Abstand vom Schreib- zum Lesekopf und wird in der Firmware als Korrekturwert genutzt um den Kopf auf der Spur zu zentrieren. Bei Seagate muss der am Kopf befindliche Preamp passen. Daher muss man hier auch den Preamp-Typ ermitteln und abgleichen, sonst kann der Kopf nicht lesen.

Oftmals braucht es noch einiges an Feintuning damit Köpfe sauber lesen. zB Anpassung der s.g. Head Adaptive Parameter:

https://www.dolphindatalab.com/wp-content/uploads/2023/07/how-to-fix-wd-hdd-physical-slow-issue-1030x281.png

Der Kopftausch bei Toshiba ist im Vergleich zu WD oder Seagate einfacher...

Nicht passende Parameter der Köpfe sind mit Abstand der häufigste Grund warum DIY-Headswaps nicht klappen. Nicht der eventuell eindringende Staub sondern der inkompatible Kopf verhindern eine erfolgreiche Datenrettung...

Falls nur ein einzelner Kopf defekt ist, kann dieser mit PC3000, MRT, DDI oder DFL deaktiviert werden. Dann kann man mit den verbleibenden 1-7 Köpfen (je nach HDD) die verfügbaren Daten retten. Hierbei verliert man aber 12,5% (1 von 8 Köpfen) bis 50% (1 von 2 Köpfen) der Daten. In der Regel sind dann auch alle großen Dateien beschädigt. Dokumente und Fotos kann man so aber gut retten und das viel günstiger als mit einem Kopftausch.

Wir bieten Kunden in der Regel an zuerst die partielle Datenrettung zu machen und dann können Sie entscheiden ob Ihnen die fehlenden Daten den Aufpreis für den Kopftausch wert sind...

Der schlimmste Fall sind verunreinigte oder verkratzte Magnetscheiben. Hier kann man diese aufwendig mit speziellen Mitteln wie Novec 7100 reinigen oder Kratzer mit speziellen Rampen überspringen:

https://www.dolphindatalab.com/wp-content/uploads/2017/07/dolphin-scratched-head-comb-suite-2017.jpg

Einige Kollegen experimentieren auch mit Nano-Versiegelungen von Microkratzern um nicht einen größeren Teil der Daten überspringen zu müssen.

Falls dich das Thema interessiert - mein Buch entspricht einem kompletten Einsteigerkurs mit einigen nützlichen Tipps wie man selber ein Labor aufbauen kann!

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Datenretter & IT-Forensiker (seit 2018)
Mark Berger  19.10.2023, 20:57

Nachtrag. Das spezielle Gerät in das Platten eingebaut werden gab es Mal. Das Ding kostete ca. 1 Million USD und es brauchte Monate um eine 40GB HDD zu lesen.

So beeindruckend die Technologie war Daten selbst von Plattenfragmenten zu lesen so rar waren Kunden die um die hunderttausend USD für eine Datenrettung zahlen würden. Den Preis müsste man aber verlangen um in 2-3 Jahren die Million USD wieder einzuspielen.

Daher war das glGerät ein kommerzieller Flop und der Entwickler ging Pleite.

Da ein Kopftausch viel billiger und schneller ginge wäre das nur was für beschädigte Magenetscheiben und da wäre es eine Frage des Glücks die gesuchten Daten auch wiederzubekommen...

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Wenn es hart auf hart kommt, Aktuatorarm mit Kopfgruppe raus und durch baugleiche Gruppe ersetzen.

https://www.youtube.com/watch?v=bYHsClMdJUs

Hier mal ein kurzes Video zum Thema.

Und hier eines, das genau den Prozess zeigt:

https://www.youtube.com/watch?v=cRyMfcjKUd0

Maik2325  19.10.2023, 06:43

Meistens sind die Leseköpfe kaputt und da kann man nur hoffen das sie die Scheibe nicht beschädigt haben. Dann wechseln man den Lesekopf aus und fertig. Kostet aber das Dreifache einer normalen platte etc.

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Kelec  19.10.2023, 08:16
@Maik2325

Selbst wenn die Platte an einem Teil defekt ist lässt sich da meist noch relativ viel rauslesen.

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Mark Berger  19.10.2023, 08:56
Wenn es hart auf hart kommt, Aktuatorarm mit Kopfgruppe raus und durch baugleiche Gruppe ersetzen.

Jein - baugleich stimmt nicht ganz. siehe meine Antwort!

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KarlRanseierIII  19.10.2023, 17:05
@Mark Berger

Mir ist durchaus klar, daß Fertigungstoleranzen ein Problem sind.

Die Frage ist, kann man (sofern mechanisch nichts dagegen spricht) die Kalibrierungsdaten regenerieren, indem man z.B. nach bekannten Markern sucht und nach und nach die Kalibrierungsdaten anpasst?

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Mark Berger  19.10.2023, 18:00
@KarlRanseierIII

Theoretisch - praktisch wirst du mit der Try & Error Methode dann eventuell den Kopf vernichten.

Je besser der Kopf passt umso weniger musst du basteln. Basteln heißt oftmals auch zu riskieren den Kopf zu töten. Das hängt dann zB vom Modell ab.

Außerdem hast du ein weiteres Problem... Woher sollst du wissen ob der Kopf beschädigt wurde oder nur die Parameter nicht passen? Das verhalten wäre quasi das Gleiche. Du kannst also auch stundenlang auf einem toten Kopf herumprobieren.

Dazu kommt, dass ein toter Kopf einen Headcrash verursachen könnte wenn du ihn immer wieder startest. Dann hast du mit einem Kratzer gleich mal ein noch schlimmeres Problem.

Du kannst den Kopf natürlich immer wieder hin- und her bauen zwischen Spender-HDD und Patienten-HDD. Dann kannst du den Kopf testen aber am Ende spielst du dann eventuell lange herum und das zahlt sich dann auch nicht aus.

Ich hatte schon Platten bei denen der ROM-Chip tot war und ich brauchte 8-9 Versuche bis ein Kopf zumindest die Firmware lesen konnte damit ich dann die ROM-Daten rekonstruieren kann. Bei manchen anderen Modellen können es auch 10-15 oder nur 2-3 Versuche sein. Das kommt ganz auf das Modell / Alter an.

Hier tauscht du halt Köpfe bis einer passt anstatt die Daten anzupassen. Die Prozedur dauert dann aber auch den ganzen Arbeitstag und das ist auch nicht billiger als eine wirklich passende Spenderplatte von einem Spezialhändler für 200-300 EUR zu kaufen außer du verkaufst deine Arbeitsstunde um maximal 37,50 EUR was eher unwahrscheinlich ist wenn du so etwas machst da auch die entsprechende Ausrüstung nicht gerade billig ist.

Mit PC3000 + Headswap-Tools bist du preislich bei einem fabrikneuen Auto! Je nach Umfang der Tools ein Klein- oder Mittelklassewagen!

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