Wie verläuft die Anpassung von Individuen an die Unwelt aktiv oder passiv ?

4 Antworten

Die komplizierte Antwort auf deine Frage lautet: sowohl als auch.

Phänotypische Anpassungen entstehen passiv, wobei die Anpassung lediglich für uns als solche erscheint, tatsächlich passt sich gar nichts an. Lebewesen verändern sich nicht in einem gerichteten Prozess, in Wahrheit ist Evolution ein Prozess, der rein zufällig ist und gar keine Richtung hat. Nehmen wir als Beispiel einmal den Polarfuchs an, der durch sein dichtes Fell an die kalte Tundra angepasst ist. Die Vorfahren des Eisfuchses haben dieses dichte Fell nicht gezielt entwickelt, sondern es ist das zufällige Produkt aus der natürlichen Selektion. Unter den gegebenen Umweltbedingungen waren zufällig diejenigen Individuen mit dem dichtesten Fell im Vorteil und hatten einen höheren Erfolg auf Fortpflanzung, wobei ihre Nachkommen ihre Gene für ein langes Fell geerbt haben. Unter diesen wurden wiederum diese begünstigt, die das dichteste Fell hatten und so weiter. Dass die Evolution keine Richtung vorgibt, zeigt sich, wenn sich die Umweltbedingungen wieder ändern, denn dann sind plötzlich die Anpassungen nachteilig. Wenn die Temperatur steigt, haben Polarfüchse ein ziemliches Problem.

Wenn man also die rein genetisch vererbbaren körperlichen Merkmale betrachtet, ist "Anpassung" als Ergebnis natürlicher Selektion (oder aber auch durch sexuelle Selektion) ein passiver Prozess. Wenn es aber um das Verhalten von Lebewesen, vorrangig Tieren, geht, dann wird es komplizierter. Zwar sind Verhaltensweisen zu einem bestimmten Grad genetisch fixiert (instinktgesteuert könnte man sagen), doch Individuen können ihr Verhalten bewusst verändern - zum Beispiel durch Lernen. Zum Lernverhalten zählt zum Beispiel das Nachahmen von Verhaltensweisen, die andere Gruppenmitglieder entwickelt haben. Verbreitet sich eine solche Verhaltensweise auf nicht-genetischem Weg, so kann man das auch als Kultur bezeichnen. Bei Schimpansen ist bekannt, dass diese Kulturen entwickelt haben. Und auf Koshima, einer japanischen Insel, hat sich unter den dort lebenden Makaken die Kultur entwickelt, Süßkartoffeln im Meer zu waschen.

Interessant ist, dass auch kulturelle Verhaltensweisen den gleichen evolutionären Prinzipien unterliegen können. In Analogie zum Gen hat der Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe Richard Dawkins dafür den Begriff Mem geprägt. Ein Mem kann eine neue Idee, ein neues Wort, ein Lied oder sonst etwas sein, was Kultur hervorgebracht hat. Wenn sich ein Mem als besonders erfolgreich erweist, wird es sich ähnlich wie ein erfolgreiches Gen im Genpool im Mempool weit verbreiten - so wie ein Ohrwurm, den jeder kennt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

"Anpassung" im Bezug auf Evolution ist sicher etwas missverständlich, denn es passt sich gar nichts an. Das ist kein aktiver Prozess. Es bleiben halt nur die Individuen am Leben, die am besten in die Umwelt "hineinpassen", also genetisch. Diese können sich vermehren und ihre Eigenschaften an die nächste Generation weitergeben.

Individuen passen sich aktiv an Veränderungen der Umwelt an, z. B. durch Lernen oder Veränderungen des Stoffwechsels.

Die Evolution betrifft Populationen, nicht Individuen.

Darwinist  08.10.2018, 11:58

Grundsätzlich richtig. Nur bei dem letzten Satz gehe ich nicht mit. Die natürliche Selektion greift nicht auf der Ebene der Gruppe, sondern auf der Ebene des Individuums - streng genommen sogar nicht einmal das, sondern auf Ebene der Gene.

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raimas  08.10.2018, 12:52
@Darwinist

Es sind aber Populationen, die sich durch Selektion verändern, und darum ging es hier schließlich. Individuen und Gene evolvieren nicht, die werden höchstens selektiert.

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Darwinist  08.10.2018, 15:04
@raimas

Streng genommen ändern sich aber nicht die Populationen, es ändert sich eigentlich nur der Genpool. Natürlich ist es richtig, dass sich das durch die Verteilung von Genen in einer Population widerspiegelt. Da geb ich dir völlig recht.
Der Satz "Evolution betrifft Populationen" ist für mich aber ein bisschen unglücklich ausgedrückt, weil er eben impliziert, die Selektion würde auf der Gruppenebene (also salopp ausgedrückt: zur Erhaltung oder zum Wohle der Art) stattfinden und das ist eben nicht so: kein Tier mit "schlechten" Genen wird "zum Wohle der Art" auf seine eigene Fortpflanzung verzichten wollen, das meinte ich damit.

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